Nachholbedarf |
25.01.2008 14:14 Uhr |
Jährlich erkranken rund 400.000 Menschen in Deutschland an einem Tumor, mehr als die Hälfte von ihnen leidet an behandlungsbedürftigen Tumorschmerzen. Obwohl 90 Prozent dieser Patienten erfolgreich schmerztherapeutisch behandelt werden könnten, sieht die Realität wesentlich trauriger aus. Viele Krebspatienten sind noch immer deutlich unterversorgt mit Analgetika.
Darauf wiesen auch Experten auf einem interdisziplinären Forum der Bundesärztekammer in Berlin hin (siehe dazu Tumorschmerztherapie: Von Stufe zu Stufe). Ein Grund dafür könnten die Vorurteile von Angehörigen und leider auch von Verordnern gegenüber einer Opioid-Behandlung sein. Wenn Stufe 1 des WHO-Schemas die Schmerzen nicht ausreichend zu lindern vermag, sollen gemäß der Stufe 2 und 3 Opioide zum Einsatz kommen. In der Praxis besteht allerdings offensichtlich noch Nachholbedarf bei der Umsetzung dieser Therapieempfehlungen.
Die Qualität der Tumorschmerztherapie kann aber nicht ausschließlich an der Menge verschriebener Morphin-Packungen gemessen werden. Neben der rein fachlichen medizinischen Kompetenz ergeben sich in der Betreuung von Patienten und Angehörigen besondere Herausforderungen, die ein hohes Maß an Empathie erfordern. Die Kooperation mit allen in der Palliativmedizin engagierten Berufsgruppen - natürlich auch mit Apothekern - steht in der Satzung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin an erster Stelle. Erfreulicherweise haben sich viele Apotheker der Pharmazeutischen Betreuung von Onkologiepatienten gewidmet. Dazu zählen Herstellung und Prüfung von Zytostatikazubereitungen, parenterale Ernährung, Monitoring von Schmerzpumpen sowie die Arzneimittelinformation. Der Apotheker steht Betroffenen und Angehörigen im Beratungsgespräch mit Rat und Tat zur Seite, zum Beispiel auf dem Gebiet der Selbstmedikation und bei Fragen rund um die Compliance. Zudem sind die Patienten uns für einen Hinweis auf Selbsthilfegruppen und die Erinnerung an wichtige Nachsorgetermine dankbar.
Was den Ausbau der palliativmedizinischen Versorgung betrifft, besteht hierzulande übrigens auch noch Nachholbedarf. Geht man von einem als erforderlich angesehenen Standard von 50 Palliativ- und Hospizbetten pro eine Million Einwohner aus, dann ist erst die Hälfte des Weges geschafft. Hinzu kommt, dass bei der Verteilung stationärer Palliativeinrichtungen gravierende regionale Unterschiede bestehen. Die Spannbreite reicht von 11 Palliativbetten in Niedersachsen bis fast 30 Betten in Bremen. Auch ambulante Palliativdienste gibt es noch viel zu wenige: Statt der benötigten 320 stehen derzeit lediglich rund 80 qualifizierte Dienste bereit.
Sven Siebenand
Redakteur Pharmazie