Mehr als nur Lösungsvermittler |
27.01.2016 09:23 Uhr |
Als amphiphile Moleküle sind Gallensäuren für die Fettverdauung unerlässlich. Daneben haben sie wichtige Funktionen im Glucose- und Fettstoffwechsel, die gerade erst erforscht werden. Die Gallensäure-Rezeptoren FXR und TGR5 sind dabei mögliche Zielstrukturen für künftige Arzneistoffe.
Als »gastrointestinale Seifen« bezeichnete Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz von der Goethe-Universität Frankfurt am Main die Gallensäuren. Ihr Syntheseort ist die Leber, wo täglich etwa 600 mg primäre Gallensäuren produziert werden. Deren wichtigste Vertreter sind Cholsäure und Chenodesoxycholsäure. Diese werden im Dünndarm von Bakterien des Mikrobioms in sekundäre Gallensäuren wie Lithocholsäure, Desoxycholsäure und Ursodesoxycholsäure (UDCA) umgewandelt.
Der Kragenbär wird in Asien gejagt. Denn in China wird echte Bärengalle mit ihrem hohen Gehalt an Ursodesoxycholsäure als Medikament eingesetzt.
Foto: Fotolia/Axel Gutjahr
Galle besteht zu etwa 70 Prozent aus Gallensäuren, zu 20 Prozent aus Lecithin und zu 10 Prozent aus Cholesterol. Sind zu wenig Gallensäuren vorhanden, fällt das wasserunlösliche Cholesterol aus und es kommt zur Bildung eines Gallensteins. Die Einnahme von UDCA (Ursofalk® und Generika) kann helfen, solche Steine aufzulösen. Bärengalle ist reich an UDCA, weshalb sie in Asien teilweise noch aus lebenden Bären gewonnen wird. »Eine unnötige Tierquälerei, da sich UDCA auch chemisch synthetisieren lässt«, sagte Schubert-Zsilavecz.
Erst in den vergangenen Jahren wurde deutlich, dass Gallensäuren neben ihrer Funktion als Lösungsvermittler für Cholesterol und andere Fette auch den Glucose- und Fettstoffwechsel beeinflussen. »Diese Wirkung wird über die beiden Gallensäure-Rezeptoren Farnesoid X Rezeptor (FXR) und TGR5 vermittelt«, informierte Schubert-Zsilavecz.
Einfluss auf Glucose- und Fettstoffwechsel
Sowohl der nukleäre Rezeptor FXR als auch der G-Protein gekoppelte Rezeptor TGR5 seien interessante Angriffspunkte für potenzielle neue Arzneistoffe. Ihre Modulation könne unter anderem bei der nicht alkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) vielversprechend sein. Bei dieser Erkrankung, für die vor allem Adipositas und ein hoher Fructose-Konsum Risikofaktoren sind, lagert die Leber zu viel Fett ein. Die Folge sind eine zunehmende Insulinresistenz und oxidativer Stress.
Die derzeit verfügbaren medikamentösen Optionen sind spärlich. Die europäische hepatologische Fachgesellschaft EASL empfiehlt eine Kombination aus einem Glitazon und hoch dosierter UDCA. »Allerdings kann Pioglitazon, das einzige noch auf dem Markt verbliebene Glitazon, seit 2011 in Deutschland nur noch in begründeten Ausnahmefällen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden«, gab der Referent zu bedenken.
Rund 20 Pharmahersteller weltweit forschen derzeit an Substanzen zur Behandlung von Patienten mit NAFLD. Weit fortgeschritten sei Obeticholsäure, ein Agonist am FXR. In einer im Fachjournal »The Lancet« erschienen Arbeit habe die Substanz in einer 72-wöchigen placebokontrollierten Phase-II-Studie die Leberhistologie von Patienten mit NAFLD signifikant verbessert (DOI: 10.1016/S0140-6736(14)61933-4).
Typ-2-Diabetes als Indikationsgebiet
Auch bei Typ-2-Diabetes (T2D) bietet die Beeinflussung der Gallensäure-Rezeptoren einen Ansatzpunkt. So vermittele vermutlich FXR die positiven Effekte auf den Typ-2-Diabetes, die bei adipösen Patienten meist schon sehr kurz nach einer bariatrischen Operation zu beobachten seien. »Nach solchen Operationen sehen wir Remissionsraten von 40 bis 90 Prozent bei Typ-2-Diabetes, ohne dass zu diesem frühen Zeitpunkt bereits das Körpergewicht nennenswert gesunken ist«, so Schubert-Zsilavecz.
Auch TGR5 habe positive Effekte bei T2D. »In den USA ist der Gallensäure-Binder Colesevelam als Cholestagel® nicht nur zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen zugelassen, sondern auch bei Typ-2-Diabetes«, sagte Schubert-Zsilavecz. Die Wirkung in dieser Indikation beruhe auf einer Beeinflussung des Umfangs der Gallensäure-Produktion und der Zusammensetzung des Gallensäure-Pools, was wiederum zu einer vermehrten Freisetzung von GLP-1 führe. Diese Wirkung werde von TGR5 vermittelt. Angesichts steigender Fallzahlen in Indikationen wie NAFLD und T2D rechnet Schubert-Zsilavecz fest mit der Einführung von FXR- oder TGR5-Modulatoren in den kommenden Jahren.