Ein Jahr nach dem Beben |
18.01.2011 16:34 Uhr |
Von Christina Hohmann / Ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti ist die Lage dort immer noch kritisch. Der Wiederaufbau kommt nur schleppend voran, die medizinische Versorgung ist unzureichend und die Cholera breitet sich weiter aus.
Am 12. Januar 2010 bebte in Haiti die Erde mit dramatischen Folgen: 220 000 Menschen kamen ums Leben und 1,5 Millionen Menschen wurden obdachlos. Die Katastrophe traf ein Land, das ohnehin zu den ärmsten der Welt zählte. Die Situation wurde durch den Hurrikan Tomas und den Ausbruch der Cholera Ende Oktober noch weiter verschärft. Das internationale Engagement nach dieser »beispiellosen Katastrophe« sei enorm gewesen, sagte der UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon anlässlich des Jahrestages des Erdbebens. Doch der Wiederaufbau kommt nur schleppend voran. Die Anstrengungen müssten noch »verdoppelt und erneuert« werden. Nach wie vor leben in Haiti eine Million Menschen ohne Dach über dem Kopf (siehe dazu Interview: »Damit die Kinder eine Zukunft haben«).
Menschen in Notunterkünften: Ein Jahr liegt das schwere Erdbeben zurück, das in Haiti mehr als 220 000 Menschen das Leben kostete.
Foto: dpa
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen kritisierte dagegen, dass die Hilfe bislang zu wenig koordiniert würde. »Es ist ein Armutszeugnis, was an konkreter Hilfe passiert ist«, sagte Geschäftsführer Frank Dörner in Berlin in einem dapd-Interview. Es gebe zu wenig Akteure und konkrete Aktionen, zu wenig klare Vorgaben, zu wenig technisches Know-how. Dabei sei die Cholera-Epidemie noch längst nicht vorbei. Die Erkrankung sei an und für sich leicht zu behandeln, doch es sei nicht mit der ausreichenden Entschlossenheit reagiert worden.
Die Zahl der Choleraopfer in Haiti steigt immer noch kontinuierlich an. Wie das haitianische Gesundheitsministerium offiziell mitteilte, sind bis zum 9. Januar 3790 Tote registriert worden. Mehr als 185 000 Menschen haben sich seit dem Ausbruch der Epidemie Ende Oktober infiziert. Alle Distrikte des Landes sind mittlerweile betroffen. Pro Tag sterben in Haiti immer noch 13 Menschen an der bakteriellen Infektion. Das sind allerdings wesentlich weniger als im Dezember, als bis zu 60 Menschen pro Tag starben. Die Mortalität liegt Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge inzwischen bei 2 Prozent. Um die Epidemie unter Kontrolle zu bekommen, müsste sie auf unter 1 Prozent sinken. Nach Meinung von Experten ist die tatsächliche Zahl der Toten und Erkrankten jedoch viel größer als offiziell angegeben.
Die Behandlung der Erkrankten sei seit Beginn der Epidemie verbessert worden, doch sei es bislang nicht möglich, alle Betroffenen zu versorgen, heißt es in einem »Health Cluster Bulletin« der WHO. Besonders in gebirgigen und abgelegenen Gebieten bestünden noch Probleme. Zudem müsste die Prävention stärker ausgebaut werden. Wassersysteme und Abwasserreinigung seien zu verbessern und Hygienemaßnahmen zu intensivieren. Laut WHO sei der Höhepunkt der Epidemie noch nicht erreicht, die Erkrankungszahlen würden in den nächsten Wochen noch weiter ansteigen.
Politische Stabilität nötig
Zum Jahrestag des Bebens äußerte sich auch die EU-Außenministerin Catherine Ashton zur Situation in Haiti. Der Wiederaufbau habe für die EU weiterhin Priorität, doch die aktuelle politische Lage erfülle sie mit großer Sorge. »Die derzeitige Instabilität verhindert, dass die humanitäre Hilfe der EU bei den Bedürftigen ankommt, und verlangsamt und erschwert den Wiederaufbauprozess«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Ashton und den EU-Kommissaren Andris Piebalgs sowie Kristalina Georgieva. Sie forderten die haitianische Regierung auf, für politische Stabilität zu sorgen. Nur wenn Stabilität und eine funktionierende Demokratie im Land gewährleistet seien, könnten die EU und die internationale Gemeinschaft mit Haiti als legitimem Partner zusammenarbeiten.
Ashton schätzt das Vorankommen des Wiederaufbaus sehr kritisch ein: »Wir sind uns heute vollkommen bewusst, dass die Lage bei Weitem noch nicht zufriedenstellend ist und sich in mancherlei Hinsicht sogar noch verschlechtert hat.« Dies bedeute jedoch nicht, dass die Anstrengungen nicht ausgereicht hätten oder dass Geld und Know-how umsonst bereitgestellt worden wären. Ohne die kontinuierliche Unterstützung »wäre das Land womöglich völlig zusammengebrochen und die Lage wesentlich schlimmer«, heißt es in der Erklärung. Die internationale Gemeinschaft stehe weiterhin solidarisch zu Haiti. /