Ein Jahr mit vielen Herausforderungen |
04.01.2011 19:13 Uhr |
Von Daniel Rücker und Stephanie Schersch / Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) müssen die Apotheker erhebliche Belastungen stemmen. Allein über die Anhebung des Kassenrabatts werden bei ihnen jährlich 200 Millionen Euro abgeschöpft. Auch sonst stehen 2011 weitreichende Veränderungen im Arzneimittelbereich an. Auf den folgenden Seiten stellt die PZ die Herausforderungen dieses Jahres dar und lässt Standesvertreter und Apotheker zu Wort kommen.
Seit Anfang Januar müssen die Apotheken den Krankenkassen 2,05 Euro Rabatt pro Arzneimittelpackung gewähren. Der Abschlag wurde für die Jahre 2011 und 2012 festgeschrieben, danach wird neu verhandelt. Für eine Durchschnittsapotheke bedeutet das nach Angaben der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände eine Extrabelastung von rund 7500 Euro pro Jahr. Mit der Umstellung der Großhandelsvergütung könnten weitere Belastungen auf die Apotheker zukommen.
Für die Krankenkassen gilt künftig das Kartellrecht. Besonders große Kassen wie etwa die AOK sehen dadurch die Rabattverträge in Gefahr.
Foto: Fotolia/Mikel Wohlschlegel
Das AMNOG regelt eine Kürzung der Spannen im pharmazeutischen Großhandel, die der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) 200 Millionen Euro einsparen soll. Dafür wird die Arzneimittelpreisverordnung des Großhandels umgestellt. Bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln gibt es je Packung einen Festzuschlag von 70 Cent plus 3,15 Prozent auf den Herstellerabgabepreis. Die Regelung wird allerdings erst 2012 umgesetzt, da die Entscheidung darüber erst nach der Festsetzung der Festbeträge für 2011 gefallen war. Diese wollten die Kassen nicht neu berechnen. Deshalb gibt es für dieses Jahr eine Übergangslösung. Ein zusätzlicher Großhandelsabschlag von 0,85 Prozent soll den Kassen eine ähnliche Einsparsumme sichern.
Die Großhändler wollen die Kürzung ihrer Spannen jedoch nicht tragen. Sie verweisen auf angebliche Ertragseinbrüche und haben angekündigt, die Belastungen an die Apotheker weiterzureichen. Entsprechend empört reagierte der Deutsche Apothekerverband (DAV). Fritz Becker, Vorsitzender des DAV, appellierte an die Politik, den Apothekern gegen ein mögliches Großhandelskartell zur Seite zu stehen. »Die aktuellen Entwicklungen richten sich konzertiert gegen den Qualitäts- und Preiswettbewerb, damit gegen die Apotheken und auch gegen die Arzneimittelversorgung der Menschen«, sagte er.
Wie viel sich die Großhändler von den Apothekern holen werden, muss der Markt entscheiden. Ganz offensichtlich scheinen die Grossisten aber festen Willens zu sein, die Konditionen für die Apotheker deutlich nach unten zu fahren. Immerhin hatte der Vorsitzende des Bundesverbandes des pharmazeutischen Großhandels bereits im Spätsommer angekündigt, der Großhandel insgesamt könne die Belastung nicht tragen und werde sie an die Apotheker weiterreichen. Nach Informationen aus dem Markt gehen die Großhändler dieses Projekt mit großer Entschlossenheit an. Sie üben erheblichen Druck auf Apotheker aus und reduzieren die Konditionen zum Teil so stark, dass am Ende der AMNOG-Effekt sogar übertroffen wird.
Apothekenabschlag
Mit der Festsetzung des Kassenabschlags im AMNOG sind die Apotheker in die bizarre Situation gekommen, dass der Abschlag für 2011 und 2012 feststeht, bevor es eine Einigung für 2010 gibt. Im vergangenen Jahr sollte der Zwangsrabatt nämlich noch wie 2009 ausgehandelt werden. Wie 2009 ist dies sehr zäh. Zwar konnten sich die Verhandlungskommissionen des Deutschen Apothekerverbandes und des GKV-Spitzenverbandes auf einen Abschlag von 1,75 Euro einigen. Doch diesem Kompromiss versagten die Spitzengremien beider Seiten den Zuschlag. Wenn es zwischen den Verhandlungspartnern nicht noch zu einer Einigung kommt, muss die Schiedsstelle eine Entscheidung treffen.
Rabattverträge bleiben
Klar ist, dass die Regierung mit dem AMNOG auch weiterhin auf die Rabattverträge für Arzneimittel setzt. Allerdings können Patienten künftig ein anderes als das rabattierte Präparat wählen, wenn sie die Differenz zum Rabattprodukt aufzahlen. Diese Mehrkostenregelung soll den Versicherten größere Wahlfreiheit gewähren. Die Umsetzung dürfte allerdings zu Problemen führen. Da die Abschläge der Pharmahersteller an die Krankenkassen geheim sind, lässt sich die preisliche Differenz zum Rabattarzneimittel nicht bestimmen. Das Gesetz sieht als Alternative Pauschalabzüge vor, doch auch deren Berechnung ist unklar. Damit wird die Mehrkostenregelung zunächst eines erzielen: mehr Beratungsaufwand in Apotheken und verunsicherte Patienten, die beim Kauf in der Apotheke nicht wissen, welchen Betrag die Krankenkasse am Ende erstattet. Selbst in der Koalition war diese Regelung umstritten. Letztlich hat sich aber die FDP mit Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler in diesem Punkt durchgesetzt. Die meisten Experten gehen aber davon aus, dass die Patienten kaum von der Möglichkeit Gebrauch machen werden.
2011 stehen Gesetzesänderungen an, die auch die Apotheken betreffen.
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In zwei wesentlichen Punkten wird die Austauschpflicht der Apotheker bei Rabattverträgen durch das AMNOG ergänzt. So soll die Substitution wirkstoffgleicher Arzneimittel auch dann erfolgen, wenn nur ein Indikationsbereich übereinstimmt. Diese Ansicht war bislang umstritten. Die Apotheker und andere Kritiker warnen allerdings vor den Folgen einer solchen Regelung. Sie kann dazu führen, dass der Patient in der Apotheke ein Arzneimittel erhält, dessen Beipackzettel seine individuelle Erkrankung gar nicht aufführt. Durch die fehlende Information besteht die Gefahr einer Unter- oder Überdosierung. So wurde zwar Rechtssicherheit hergestellt, die Sicherheit der Arzneimitteltherapie jedoch nicht ausreichend bedacht.
Neue Packungsgrößen
Klarer, aber nur aus Sicht der Krankenkassen auch besser wird die Substitution von unterschiedlich großen Arzneimittelpackungen. Hier gilt demnächst, dass Packungen gleicher Normgrößen grundsätzlich untereinander austauschbar sind. Das war bislang heftig umstritten. Denn es gab sehr weite Spannen. So waren die größten N3-Packungen Omeprazol fast doppelt so groß wie die kleinsten.
Mit der neuen, im AMNOG festgeschriebenen Packungsgrößenverordnung wird dies nun anders. Sie unterscheidet sich in zwei entscheidenden Punkten von der aktuellen Regelung: Ob auf eine Arzneimittelpackung N1, N2 oder N3 aufgedruckt wird, hängt demnächst davon ab, ob ihr Inhalt für 10, 30 oder 100 Tage reicht. Außerdem wird es in Zukunft nur noch geringe Unterschiede innerhalb einer Normgröße geben.
Während sich heute die Einordnung an Obergrenzen orientiert, müssen die Hersteller ab 2013 einen Korridor einhalten. N1-Packungen dürfen bis zu 20 Prozent größer oder kleiner sein als für den Behandlungszeitraum notwendig. N2 darf um 10 Prozent abweichen, bei N3 darf der Inhalt nur nach unten bis zu 5 Prozent differieren. Ab 2011 wird es zunächst eine Mischung aus beiden Regelungen geben. Bis Juli 2011 dürfen Apotheker zudem in einer Übergangszeit alle Packungen, die heute eine gültige N-Kennzeichnung tragen, abgeben. Allerdings gelten für die N1-, N2- und N3-Packungen (mit zum Beispiel 10, 50 und 100 Tabletten) schon die Spannen für Über- oder Unterschreitung. Ab 2013 müssen die Apotheken dann wegen der Orientierung an der Behandlungsdauer deutlich größere Packungen vorrätig halten. Bis zu 900 Tabletten in einer N3- Packung sind vorstellbar, wenn diese in der Dosierung drei mal drei täglich eingenommen werden.
Wegen der geringen Toleranz in der Packungsgrößenverordnung werden 2011 bestimmte Packungen nicht mehr in eine N-Größe eingeordnet. Liegt die Messzahl für N1 beispielsweise bei 20 Tabletten, für N2 bei 50 und N3 bei 100, dann gelten nur noch Packungen als N1, wenn sie zwischen 16 und 24 Tabletten enthalten. In einer N2-Packung müssen 45 bis 55 Tabletten enthalten sein, in N3 sind es 95 bis 100. Alle Packungen, die außerhalb dieser Korridore liegen, dürfen kein N tragen. Sie bleiben aber erstattungsfähig.
Kassen unter Kartellrecht
Die Krankenkassen sind erfreut, dass die Bundesregierung generell an den Rabattverträgen festhalten will. Auf wenig Begeisterung stößt hingegen die Tatsache, dass die Kassen künftig dem Kartellrecht unterstehen. Viele Kassenvertreter sehen damit die Rabattverträge in Gefahr, insbesondere die bundesweiten Abschlüsse der AOK stehen auf dem Prüfstand. Entsprechend eindringlich warnt deren oberster Verhandlungsführer, Dr. Christopher Hermann, vor einer Blockade der Rabattverträge. »Kartellrechtliche Zusatzprüfungen sind äußerst zeitraubend und dauern möglicherweise Jahre. Damit wird jede Ausschreibung zu Rabattverträgen gestoppt«, sagte er in Berlin. Zudem widerspreche die Regelung einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wonach Krankenkassen öffentliche Auftraggeber und eben keine Unternehmen seien. Allerdings agieren Kassen spätestens seit Einführung der Rabattverträge zunehmend wie Unternehmen mit einer nicht unerheblichen Verhandlungsmacht.
Der in der Öffentlichkeit am stärksten diskutierte Teil des AMNOG ist sicherlich die frühe Nutzenbewertung für neue Arzneimittel. In der Apothekerschaft hat das Thema bislang, auch wegen der deutlich negativeren Konsequenzen der Änderung der Großhandelsvergütung, nur mäßige Aufmerksamkeit gehabt. Dabei wird es auch die Apotheker betreffen, wenn die pharmazeutische Industrie mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung Erstattungspreise für neue Arzneimittel aushandeln muss. Bei den hochpreisigen Medikamenten sind die 3 Prozent preisabhängiges Apothekenhonorar eine nicht unerhebliche Komponente. Dass die Preise für viele neue Medikamente 2011 und noch mehr in den Folgejahren sinken werden, ist ziemlich wahrscheinlich. Zumindest geht die Bundesregierung davon aus. Sie verspricht sich Einsparungen von bis zu 1,7 Milliarden Euro.
Dass dies realistisch ist, wird von einigen Experten bezweifelt. Die Größenordnung der Summe zeigt aber, dass die Konsequenzen auch bei den Apothekern spürbar werden könnten.
Zusatznutzen
Das AMNOG sieht vor, dass Pharmahersteller ab diesem Jahr mit der Markteinführung eines neuen Medikamentes dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) ein Dossier über dieses Präparat vorlegen sollen. Darin muss der Zusatznutzen des Medikaments gegenüber bereits auf dem Markt befindlichen Medikamenten belegt werden. Der GBA muss nun innerhalb von drei Monaten das Dossier sichten und eine Bewertung des neuen Medikaments abgeben. Dazu kann sich der GBA der Hilfe des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bedienen.
Reicht der Hersteller kein Dossier ein, gilt der Zusatznutzen als nicht belegt. In diesem Fall oder wenn das Dossier keinen ausreichenden Nutzen ergibt, wird das Medikament direkt in eine Festbetragsgruppe einsortiert. Gibt es keine geeignete Gruppe, darf der Preis den anderer Medikamente für diese Indikation nicht überschreiten. Stellt der GBA einen Zusatznutzen fest, dann muss der Hersteller mit dem GKV-Spitzenverband über den Erstattungspreis verhandeln, wobei das Ausmaß des Zusatznutzens für die Höhe des Preises entscheidend ist. In den ersten Monaten nach der Markteinführung bis zur Einordnung in eine Festbetragsgruppe oder bis zu einem erfolgreichen Verhandlungsabschluss zwischen Hersteller und Kassenverband gilt der vom Hersteller festgesetzte Preis.
Gesetzgebung
Natürlich werden auch in diesem Jahr Gesetzgebung und Rechtsprechung einen erheblichen Einfluss auf die Rahmenbedingungen für die Apotheken haben. Die Bundesregierung hat für dieses Jahr eine Strukturreform angekündigt, in der es wahrscheinlich auch um neue Versorgungsformen wie die Integrierte Versorgung gehen wird. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, hatte bereits beim Deutschen Apothekertag Anfang Oktober in München angekündigt, die Regierung wolle mit den Apothekern über neue Formen der Vergütung sprechen. Im Interview mit der Pharmazeutischen Zeitung bekräftigte er dies. Konkret geht es ihm darum, Dienstleistungen der Apotheker unabhängig von der Arzneimittelpackung zu honorieren. Ein Ansatz, der für die Apotheker durchaus Chancen bietet, aber vermutlich auch erhebliche Probleme in der Umsetzung bereitet.
Noch vor der Strukturreform dürfte wahrscheinlich die seit Jahren angekündigte Novellierung der Apothekenbetriebsordnung anstehen. In diesem Sommer erblickte ein interner Entwurf das Licht der Öffentlichkeit. Er bot einige Ansätze, die den Apotheker als Heilberufler stärkten, aber auch einige Regelungen, die mit der Praxis nur schwerlich zu vereinbaren gewesen wären. In jedem Fall hat die Veröffentlichung des Entwurfes die Diskussion um die Apothekenbetriebsordnung nicht beschleunigt.
Ein für Dezember angekündigter offizieller Entwurf wurde kurz vor dem avisierten Erscheinungstermin erneut verschoben. Er soll nun im ersten Quartal veröffentlicht werden.
Was in dem Entwurf stehen wird, ist Spekulation. Natürlich werden sich dort Passagen aus dem inoffiziellen Entwurf wiederfinden. Da das Ministerium offensichtlich eher auf Deregulierung denn auf stärkere Regulierung setzt, könnte sich die heftig umstrittene Regelung zur Cobox gehalten haben. Das Ministerium hat offensichtlich Gefallen daran gefunden, dass Patienten Arzneimittel in einem mit einer Videokamera versehenen Verschlag bestellen können. Dabei schwingt die Illusion mit, so möglichen Versorgungslücken auf dem Land begegnen zu können, wenn dort reguläre Apotheken schließen. Ein Blick auf die aktuellen Standorte macht allerdings deutlich, dass Coboxen gerade nicht auf dem Land, sondern in der Stadt installiert werden. Das ist naheliegend, denn die Betreiber dieser Einrichtungen sind Privatpersonen, die keinen Sicherstellungsauftrag haben, sondern ein Geschäft machen wollen.
Bleibt Pick-up?
Das Jahr 2011 dürfte auch für die Betreiber von Pick-up-Stellen spannend werden. Nachdem nun sogar die Apothekenkooperation Linda mit Vorteil 24 versucht, den Markt abzuschöpfen, scheint diese Form des Arzneimittelvertriebs weiter an Fahrt zu gewinnen. Auf der anderen Seite haben aber Politiker der Bundesregierung in den vergangenen Monaten immer wieder bekräftigt, das im Koalitionsvertrag vereinbarte Pick-up-Verbot sei weiterhin auf der Tagesordnung. Spahn hatte auf dem CDU-Bundesparteitag im November in Karlsruhe gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung angekündigt, es könne mit der Strukturreform umgesetzt werden. Allerdings wäre es nun auch nicht das erste Mal, wenn sich die Bundesregierung von diesen Zusagen noch löst.
Ob Pick-up-Stellen, etwa in Drogeriemärkten, verboten werden, ist unklar.
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Noch bedeutender für das Schicksal der Pick-up-Stellen ist deshalb die für die zweite Jahreshälfte anstehende Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Bundesgerichte darüber, ob die Arzneimittelpreisverordnung auch für ausländische Versender gilt. Das Bundessozialgericht (BSG) hatte dies vor einiger Zeit verneint. Der Bundesgerichtshof (BGH) sah das in seiner Entscheidung über Bonussysteme für rezeptpflichtige Arzneimittel aber anders, konnte darüber jedoch wegen des vorhergehenden BSG-Urteils nicht entscheiden. Nun muss der Gemeinsame Senat entscheiden.
Die Stellungnahmen der beiden Bundesgerichte sind bereits eingefordert. Wenn der Gemeinsame Senat diese Frage bejaht, dann dürfte sich das Geschäftsmodell Pick-up weitgehend erledigt haben. Denn bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln arbeiten die Pick-up-Stellen immer mit ausländischen Versendern zusammen, die sich nicht an die Preisverordnung gebunden fühlen. Da der BGH im September Boni auf rezeptpflichtige Arzneimittel unabhängig von deren Höhe als Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung bezeichnet hat, müssten Pick-up-Stellen die Medikamente wieder zum selben Preis abgeben wie die öffentlichen Apotheken. Es würde spätestens dann Apotheken nichts mehr nutzen, Arzneimittel aus einer ausländischen Apotheke in den eigenen Betriebsräumen abzugeben.
Gemeinsam zum Wohle des Patienten: Die Berufsorganisationen wollen die Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern stärken. Ein Anfang ist mit dem ABDA-KBV-Papier gemacht.
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Allerdings gibt es keine Garantie, dass der Gemeinsame Senat der Rechtsauffassung des BGH folgt. Entscheidet er sich für die Position des BGH wäre die logistische Basis für Pick-up-Stellen gefestigt.
Arzt und Apotheker gemeinsam
Jenseits äußerer Einflüsse werden die Berufsorganisationen weiter an einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern arbeiten. Die Basis dafür ist das gemeinsame Papier von ABDA und Kassenärztlicher Bundesvereinigung zum Medikationsmanagement.
In den nächsten Schritten müssen nun Ärzte und Apotheker und die Politik davon überzeugt werden, dass es richtig ist, wenn Ärzte weiterhin die Diagnose stellen, die Therapie festlegen und den Wirkstoff in der richtigen Dosierung festlegen, die meisten anderen Aufgaben in der Arzneimitteltherapie aber dann den Apothekern überlassen.
Natürlich wird dies nicht leicht, denn es gibt wie immer auch Interessensgruppen im Gesundheitswesen, die von einer engeren Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern aus eigenem Kalkül nicht wirklich begeistert sind. Aber 2011 wird für die Apotheker ohnehin nicht leicht. /
Von Sven Siebenand / Insgesamt kamen im Jahr 2010 genau 21 neue Arzneistoffe auf den deutschen Markt. Erster Neuling im Jahr 2011 ist der orale Thrombozytenaggregationshemmer Ticagrelor (Brilique™ 90 mg Filmtabletten, AstraZeneca), der seit Anfang Januar verfügbar ist. Ticagrelor macht den Anfang, andere Arzneistoffe werden in den kommenden zwölf Monaten folgen. Gute Chancen auf einen Markteintritt haben einige Antidiabetika. Mit Taspoglutid steht zum Beispiel ein weiteres GLP-1-Analogon in den Startlöchern. Dapagliflozin und Canagliflozin sind Vertreter einer neuen Substanzklasse: die SGLT2-Hemmer. Diese sorgen für die Ausscheidung von Zucker über den Urin.
Almorexant wird vermutlich der erste Orexin-Rezeptor-Antagonist sein. Sein Einsatzgebiet sind Schlafstörungen. Das Aminoalkylcyclohexan-Derivat Neramexan könnte zukünftig eine Therapieoption bei Tinnitus darstellen. Möglich ist auch, dass ein neues Abnehmpräparat, das den Opioid-Antagonisten Naltrexon und das Antidepressivum beziehungsweise Nicotin-Entwöhnungsmittel Bupropion enthält, zugelassen wird. In den USA haben sich externe FDA-Gutachter im Dezember 2010 für die Zulassung ausgesprochen. Mit Telcagepant könnte es bald auch in der Migränetherapie eine neue Option geben. Der Wirkstoff hemmt den Rezeptor des Calcitonin-Gene-Related-Peptide (CGRP). Ebenfalls bei Migräne käme der selektive 5-HT1F-Rezeptor-Agonist Lasmiditan zum Einsatz.
Mit Cinaciguat, einem sogenannten sGC-Aktivator, wurde eine Substanz identifiziert, die die Guanylatcyclase (sGC) auch dann aktiviert, wenn sie krankhaft verändert ist. Das ist sehr wichtig, denn bei vielen Herz-Kreislauf-Patienten funktioniert das Stickstoffmonoxid-(NO)-System nicht mehr, das das Enzym aktiviert. Cinaciguat wird derzeit für die Behandlung der akut dekompensierten Herzinsuffizienz klinisch geprüft. Die beiden Arzneistoffe Dabigatran und Rivaroxaban sind zwar nicht neu, könnten aber ein neues wichtiges Indikationsgebiet hinzubekommen: die Schlaganfallprophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern. /