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Corona-Kennzahlen

Wie wichtig werden Klinikdaten in der Pandemie?

Covid-19-Patienten benötigen mehr Personal

Was bedeuten steigende Hospitalisierungs-Inzidenzen für Normalstationen? Sie hätten mit mehr Covid-19-Patienten zwar auch deutlich mehr Belastungen, zum Beispiel durch Isolation und auch Schutzmaßnahmen für das Personal, ergänzt Gaß. Doch mit Blick auf eine Intensivstation, auf der ein Covid-19-Patient eine weit umfangreichere Betreuung brauche als andere Kranke, sei das kein Vergleich. «Alleine für das Umlagern eines beatmeten Covid-Patienten braucht man bis zu fünf Pflegekräfte.» Wichtig zu wissen sei in diesem Zusammenhang aber, wie viele Covid-19-Patienten wegen der Schwere ihrer Erkrankung von Normal- auf Intensivstationen verlegt werden müssten. In der erste Welle seien das 14 Prozent gewesen, also rund jeder siebte. Die Quote liege heute wahrscheinlich niedriger, abschließende valide Daten stehen laut DKG aber noch aus.

Was beeinflusst die Zahl der Covid-19-Patienten in Kliniken? Das ist ein ganzes Bündel von Faktoren. Dabei spielen für die DKG neben den Inzidenzen bei Ansteckungen auch die Impfquoten, die Infektionsdynamik und die Altersgruppen eine große Rolle. So zeigt zum Beispiel die Hospitalisierungsrate in den RKI-Tabellen den Anteil aller gemeldeten Corona-Fälle, die in einer Klinik behandelt werden müssen. Nach den Berechnungen lag dieser Wert um die Weihnachtszeit bei 12 Prozent und bewegte sich dann in Wellenbewegungen abwärts. Im Moment sind es rund 5 Prozent, Nachmeldungen sind allerdings möglich.

Welche Zahlen gibt es noch in Bezug auf Kliniken? Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin erfasst gemeinsam mit dem RKI die Zahl belegter beziehungsweise freier Intensivbetten (Divi-Register). Diese Zahlen sind tagesaktuell und Meldungen nach Angaben der Vereinigun verpflichtend für Kliniken. Erfasst wird dabei auch die Anzahl der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen. Die Höchstzahl in der Pandemie lag bei 5762, im Moment sind es rund 840 - mit wieder steigender Tendenz.

Welche Aussagekraft haben die Klinik-Kennziffern?

Für Experten zeigen sie Trends. Ein Echtzeit-Blick können sie nicht sein. Denn zum einen vergehen laut RKI zwischen Infektion und Krankenhauseinweisung im Schnitt weiterhin etwa 10 Tage. Zum anderen wird bei den Hospitalisierungs-Inzidenzen die Einweisung erfasst, nicht aber zum Beispiel eine baldige Entlassung.

Kann die bundesweite Hospitalisierungs-Inzidenz ein Richtwert sein? Eher nicht. Geplant ist hier der regionale Blick. So soll die regionale Klinikbelegung mit Corona-Patienten nach Ideen des Bundesgesundheitsministeriums künftig der wesentliche Maßstab werden, um Gegenmaßnahmen wie Alltagsbeschränkungen auszulösen. Entscheiden müssten darüber dann die Bundesländer.

Welche Parameter wünschen sich Amtsärzte? Für den Epidemiologen Nicolai Savaskan, Amtsarzt im Berliner Bezirk Neukölln, fehlt es an einem gesetzlich vorgeschriebenen Meldesystem für die Belegung von Klinik-Betten. «Ich meine ein klares Krankenhaus-Reporting-System, in das alle Kliniken ihre Kapazität und Belegung einspeisen müssen», sagt er. Auf dieser Basis lasse sich dann ein Warnstufen-System erarbeiten. «Das hieße zum Beispiel, dass es ab einem bestimmten Prozentsatz der Belegung mit Covid-Patienten Konsequenzen geben muss. Also Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie

Wäre es ein Fehler, die politische Grenze von 50 bei der 7-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen zu streichen? Für Amtsarzt Savaskan bleiben Infektions-Inzidenzen eine sinnvolle und wichtige Angabe - aber nur noch gekoppelt mit anderen Werten wie dem mittleren Alter der aktuell behandelten Covid-19-Patienten. Ein Warnsystem müsste bei vielen älteren Betroffenen eher anschlagen als bei vielen Jüngeren, sagt er. Denn das Risiko schwerer Verläufe liege bei ihnen deutlich höher. Auch bei den Impfraten müsse man die Altersverteilung im Blick haben und dann Impfmuffel-Gruppen gezielt mehr Angebote machen. Denn die große Mehrzahl der Infektionen gebe es bei den Ungeimpften, sagt Savaskan. «Impfdurchbrüche sind sehr selten. Und selbst wenn es sie gibt, verläuft die Infektion in der Regel milder.»

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