Wie gefährlich sind Nitrosamine? |
Lebensmittel, Wasser und andere Produkte enthalten Nitrosamine, wenn auch in geringen Mengen (Kasten). Die mit Arzneimitteln eingenommenen Nitrosamine erhöhen deren Konsum. So nimmt man laut FDA beim Verzehr eines 1-kg-Steaks die gleiche Dosis NDMA zu sich wie bei der Einnahme einer Ranitidin-Tablette, nämlich circa 700 ng (17). Natürlich geht von der regelmäßigen Einnahme von Ranitidin eine größere Krebsgefahr aus als von einem gelegentlich verzehrten 250-g-Steak.
Die Internationale Agentur für Krebsforschung stuft NDMA als wahrscheinlich krebserregend ein. Dies ist chemisch darauf zurückzuführen, dass aus Nitrosaminen mittels CYP-Enzymen wie CYP2A(6) und CYP2E1 Halbaminale gebildet werden, die Formaldehyd und Stickstoff abspalten und letztlich zur Bildung hoch reaktiver Methylkationen führen (Abbildung 3). Diese reagieren leicht im Sinne einer nukleophilen Substitution mit den Stickstoffen, zumeist der Guanine, zu DNA-Addukten.
Abbildung 3: NDMA wird durch Cytochrom-P450 hydroxyliert. Aus dem gebildeten Halbaminal werden nacheinander Formaldehyd, Wasser und Stickstoff abgespalten und ein Methylkation freigesetzt, das in einer nukleophilen Substitution mit Guaninen der DNA reagieren kann. / Foto: Schmitz/Holzgrabe
Welches Krebsrisiko davon ausgeht, lässt sich nur durch aufwendige Langzeitstudien an einer sehr großen Zahl von Versuchstieren, meist Mäusen und Ratten, ermitteln. Solche Kanzerogenitätsstudien liegen nur für ein Drittel der etwa 300 bekannten Nitrosamine vor und die Datenlage reicht für die meisten nicht für eine Risikobewertung aus. NDMA und NDEA wurden intensiv in Tieren untersucht und ihr hohes kanzerogenes Potenzial wurde gezeigt: Sie führen zu Leberkrebs. Deshalb kann die maximale Dosis bestimmt werden, »die theoretisch einen zusätzlichen Krebsfall bei 100.000 lebenslang täglich exponierten Menschen bewirkt« (18). Aus den publizierten Tierdaten kann die tägliche lebenslange Maximaldosis für einen 50 kg schweren Menschen extrapoliert werden; diese hat Eingang in die genannten Valsartan-Grenzwerte im PhEur von 96 ng NDMA (0,3 ppm) und 26,5 ng NDEA gefunden, die allerdings nur gelten, wenn keine Kontamination mit mehreren Nitrosaminen stattfindet.
Auch wenn es noch weiterer intensiver Untersuchungen bedarf, kann man nun das Krebsrisiko hochrechnen, da wir heute wissen, dass mit NDMA verunreinigtes Valsartan von 2012 bis 2018 auf dem Markt war. Selbst bei sehr hohen NDMA-Kontaminationen errechnen Frötschl et al. (18) nur ein extrem kleines Lebenszeitrisiko von 0,069 Prozent. Demgegenüber stehen Zahlen, dass in Deutschland im Lauf des Lebens einer von zwei Menschen an Krebs und einer von 88 Männern und eine von 190 Frauen an Leberkrebs erkranken.
Diese an sich günstige Prognose wird bestätigt durch eine Studie, bei der im dänischen Gesundheitsregister Patienten verglichen wurden, die mit oder ohne NDMA-kontaminiertem Valsartan behandelt worden waren. Es gab keine Erhöhung der Gesamt-Krebszahlen (19).
Foto: Adobe Stock/shadowvincent
Manch einer erinnert sich daran, dass die noch in den 1970er-Jahren in Bamberg gebrauten Rauchbiere beträchtliche Mengen Nitrosamine enthalten haben, die beim Darren des Gerstenmalzes durch offenes Holzfeuer entstanden sind. Mit der technischen Neuerung, das Malz indirekt mit heißer Luft rauchfrei zu darren, sank der Nitrosamin-Gehalt des Rauchbiers auf den des »Normalbiers«, mithin um mehr als 90 Prozent.
Nitrosamine entstehen in der Nahrung, wenn die in pflanzlichen Lebensmitteln omnipräsenten Amine, zum Beispiel Aminosäuren, biogene Amine oder Alkaloide, auf Nitrit/Nitrat oder Stickoxide treffen. Nitrate gelangen über den Stickstoffkreislauf und Dünger in die Nahrungskette, zum Beispiel in Wasser, Gemüse und Obst. Nitrate werden enzymatisch zu Nitriten reduziert, die mit Aminen insbesondere in saurer Umgebung zu Nitrosaminen reagieren.
Nitrate und Nitrite sind zur Herstellung von Pökelwaren wie rohem Schinken oder Schinkenspeck für die Konservierung erlaubt. Der Gehalt an Nitrosaminen steigt mit dem Verarbeitungsgrad und durch Erhitzen, zum Beispiel beim Räuchern, scharfen Braten, Frittieren und Grillen, weniger beim Kochen. Zumeist werden NDMA und NDEA gefunden, sodass die tägliche Aufnahme beider bei Erwachsenen im Durchschnitt 0,5 ng/kg beträgt, wobei NDMA 90 Prozent ausmachen.
Lebensmittel mit den höchsten »totalen Nitrosamin-Konzentrationen« (TNA) sind Fette, Öle und Süßigkeiten mit einem durchschnittlichen TNA von 8,9 µg/kg, Fleisch mit 8,1 µg/kg – aber gebratener Speck mit 35,6 µg/kg und gebratenes Hühnchen mit 22,4 µg/kg – sowie Fisch mit 5,6 µg/kg und Gemüse mit 5,4 µg/kg (21). Nicht vergessen darf man, dass Tabakprodukte zwischen 0,02 und 8 µg/g Nitrosamine enthalten und auch Gummi- und Latexprodukte wie Kondome und Kosmetika (durch Verunreinigungen der Rohstoffe) zu den TNA/Tag beitragen.
Wer mehr wissen will, kann die Webseite des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit besuchen: www.lgl.bayern.de/lebensmittel/chemie/toxische_reaktionsprodukte/nitrosamine/et_nitrosamine_gefaehrlichkeit.htm (abgerufen am 3.2.2021).