Wie Apotheker die Adhärenz fördern |
Interventionen wie Patientenschulung, pharmazeutische Beratung sowie Erinnerungshilfen, zum Beispiel Cue-Dosing, Alarme, Kalender, Briefe, E-Mails, Prospekte oder Anrufe, sowie der Einsatz von Tagebüchern zum Monitoring des Therapieerfolgs gehören in diese Kategorie.
Zu unterscheiden ist: Nimmt der Patient willentlich die Medikation nicht ein oder passiert es unabsichtlich? Wenn die Entscheidung willentlich getroffen wird, gilt es, nach den Gründen zu fragen. Don’t judge! Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, da der Patient für sich »gute Gründe« hat, die es aufzudecken gilt. Meist ist es die Angst vor Nebenwirkungen. Hier kann eine pharmazeutische Beratung helfen, die Angst zu überwinden. Dies gilt auch, wenn der Patient »Horrorgeschichten« im Internet über das verordnete Medikament gelesen hat oder nicht versteht, warum das Medikament überhaupt indiziert ist. Oder er hat nach kurzer Einnahme das Gefühl, dass das Medikament nicht wirkt oder der Therapieerfolg bereits erreicht ist.
Gerade Medikamente mit Wirklatenz, zum Beispiel Antidepressiva, oder zur Behandlung von Erkrankungen, die zunächst symptomlos verlaufen wie Diabetes oder Hypertonie, werden oft nicht richtig und regelmäßig eingenommen. Ein Beispiel: Ein Patient vergisst, sein Antihypertensivum einzunehmen, und misst Blutdruck. Dieser ist gerade normwertig. Der Patient fragt sich, warum er das Mittel überhaupt braucht, wenn der Blutdruck auch ohne Medikament normal ist. Fundierte Aufklärung über mögliche Folgeerkrankungen und Therapieziele, aber auch regelmäßige Messungen können ihm helfen. Hier können Tagebücher, Apps zum Eintragen von Messwerten oder Stimmungstagebücher über psychisches Befinden, Schmerztagebücher und Laborwerte die Adhärenz verbessern.
Wird die Medikation versehentlich vergessen, hilft vor allem das Cue-Dosing (Fallbeispiel) (2). Dieser Begriff steht für eine Verbesserung der Adhärenz durch Kopplung der Medikamenteneinnahme an tägliche Rituale, zum Beispiel morgens die Kaffeemaschine anstellen, Zähne putzen oder Tisch decken. Die Arzneimittel werden zum Beispiel an die Kaffeemaschine gelegt, sodass der Mensch direkt an die Einnahme erinnert wird. Dadurch werden die Einnahmezeitpunkte per Konditionierung fest in den Tagesablauf integriert.
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Ein Patient kommt mit einem Rezept in seine Stammapotheke. Dem Apotheker fällt in der Kundendatei auf, dass die Abstände der Rezepteinlösung die Reichdauer um 40 Tage überschreiten und das auch schon in den letzten Monaten.
Apotheker: »Mir fällt gerade auf, dass die Reichdauer Ihrer Medikation deutlich überschritten wird. Wurde die Dosierung verändert? Wie oft am Tag und wie viele Tabletten nehmen Sie ein?«
Patient: »Die Dosis wurde nicht verändert, aber die abendliche Einnahme vergesse ich oft. Ich muss abends zur Nachtschicht und vergesse die Einnahme, wenn ich erst einmal am Arbeiten bin.«
Apotheker: »Das kann ich gut nachvollziehen. Lassen Sie uns gemeinsam nach einer Lösung suchen. Was machen Sie abends, bevor Sie aus dem Haus gehen?«
Patient: »Das ist ganz unterschiedlich, manchmal treffe ich mich mit Freunden oder kaufe ein.«
Apotheker: »Und was machen Sie als Erstes, wenn Sie in der Arbeit ankommen?«
Patient: »Ich gehe an meinen Spind und schließe meine Tasche ein.«
Apotheker: »Habe ich das richtig verstanden: Jeden Abend gehen Sie an den Spind und schließen die Tasche ein?«
Patient: »Ja, genau.«
Apotheker: »Könnten Sie die Tabletten dort im Spind deponieren? Würde Ihnen das helfen, an die Einnahme zu denken?«
Patient: »Ja, das ist eine gute Idee. Mir fällt es sonst erst in der Arbeit auf, dass ich die Tabletten zu Hause vergessen habe. Aber so hätte ich sie ja dann bei der Hand und könnte sie gleich nehmen.«