Weitere Standardmaßnahmen beim Ulcus cruris sind Débridement und/oder Wundspülung, die mit dem Begriff »tissue management« zusammengefasst werden. Dabei werden Bestandteile wie abgestorbenes Gewebe, Krusten oder Fremdkörper aus der Wunde entfernt. Zum Débridement stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung.
Beim biologischen Wunddébridement kommen steril gezüchtete Therapielarven zum Einsatz (Interview). Sie sind zugelassen zum »Debridement belegter chronischer oder schwer heilender Wunden, wenn eine instrumental-chirurgische Behandlung nicht erwünscht ist« (29). Nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses von 2014 ist ein Zusatznutzen nicht belegt (30–32).
Martin Motzkus, Vorstandsmitglied und Pressesprecher der Initiative Chronische Wunden e. V., klärt gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung über die Madentherapie auf.
PZ: Welche Vorteile bietet die Madentherapie, auch als Biochirurgie bezeichnet, gegenüber anderen Maßnahmen zur Wundreinigung?
Motzkus: Bei der Madentherapie werden steril gezüchtete Fliegenlarven der Gattung Lucilia Sericata (Schmeißfliege) in einem kleinen Säckchen in der Wunde appliziert. Der Speichel der Larven enthält Enzyme, die ausschließlich ungesundes Gewebe (Fibrin und Nekrosen) anlösen und verflüssigen. Im Gegensatz zu einer Wundreinigung durch den Chirurgen wird gesundes Gewebe geschont. Da sich die Larven von dem verflüssigten Gewebe ernähren, nehmen sie auch die in der Wunde vorhandenen Bakterien auf und zerstören sie effektiv. Somit erreicht man neben der Wundreinigung eine deutliche Keimreduktion und regt nebenbei noch die Granulation an.
PZ: Welche Risiken und Nebenwirkungen sind bei der Madentherapie zu beachten?
Motzkus: Es gibt klare Kontraindikationen wie etwa die Anwendung auf bestimmten Geweben oder bei schlechter Durchblutung. Probleme sind selten und in der Regel leicht beherrschbar. So können Irritationen im Randbereich der Wunde auftreten, wenn Exsudat auf die gesunde Haut gelangt. Manchmal spüren die Patienten die Bewegung der lebenden Larven; das kann bei schmerzempfindlichen Wunden unangenehm werden. Einen Therapieabbruch habe ich selten erlebt.
PZ: Wie kann man Patienten einen möglichen Ekel vor den Maden nehmen?
Motzkus: Die Frage ist naheliegend, aber erstaunlicherweise kommt es im Alltag nicht oft vor, dass Patienten sich ekeln. Aufgrund ihrer sanften und doch effektiven Wirkweise werden die Maden von den meisten Patienten sehr gut toleriert. Einige finden die Methode schon deshalb gut, weil sie ohne Narkose und scharfe Instrumente erfolgt. Im Übrigen werden die Larven blickdicht unter einem Verband eingeschlossen, sodass kein Patient den Anblick ertragen muss.
Meine Patienten sind aber häufig neugierig und wollen die Larven beim Verbandwechsel betrachten, weil diese unter der Therapie deutlich an Größe zunehmen. Im gleichen Maße nehmen die Wundbeläge ab, und das fasziniert doch einige Wundpatienten.
Für die Wundspülung eignen sich Ringer- und NaCl-Lösung (0,9-prozentig). Diese sind nicht konserviert und müssen nach Anbruch der Flasche unmittelbar verbraucht werden (10). Es sind auch konservierte Wundspüllösungen verfügbar, die Octenidin, PHMB oder NaOCl/HCl enthalten. Diese können im Gegensatz zu Antiseptika unbegrenzt verwendet werden. Teilweise ist ein antimikrobieller Nutzen vorhanden, der durch langes Einweichen (zum Beispiel mit getränkten Kompressen) erreicht werden kann. Wichtig ist es, die Herstellerangaben zur Verwendung zu beachten. Eine Kombination von verschiedenen Wirkstoffen sollte vermieden werden (zum Beispiel Silber und Polihexanid). Apotheker, die sich näher für die Wundbehandlung interessieren, können an Wundseminaren der Initiative Chronische Wunden (ICW) teilnehmen (www.icwunden.de).
Manche Patienten benötigen zusätzlich zur lokalen Wundbehandlung systemische Medikamente, zum Beispiel Antibiotika bei einer schweren bakteriellen Infektion Bei starken Schmerzen kann der Arzt Analgetika verschreiben. Das geeignete Mittel hängt von der Art der Schmerzen ab. Bei den häufig unterdiagnostizierten neuropathischen Schmerzen sind beispielsweise Pregabalin oder Gabapentin Mittel der Wahl (33, 34).
Wenn Geschwüre trotz optimaler Therapie nicht abheilen, kann eine chirurgische Sanierung erforderlich sein.