Was wissen wir über die Corona-Impfstoffe? |
Es war dem Referenten ein Anliegen, in diesem Zusammenhang auf potenzielle Missverständnisse hinsichtlich Zulassung und Empfehlung hinzuweisen. So gebe es zwei verantwortliche Gremien, zum einen das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) beziehungsweise die Europäische Arzneimittelagentur EMA und zum anderen die Ständige Impfkommission (STIKO). Während sich PEI und EMA hauptsächlich der Frage widmen, ob der Impfstoff wirksam und sicher sei, mache die STIKO eine ganz andere Betrachtung. Sie stelle nämlich unter anderem die Frage, wie diese Impfstoffe am sinnvollsten eingesetzt werden können.
Auch hier seien Schlüsselkriterien wie Wirksamkeit und Sicherheit ausschlaggebend, aber zusätzlich auch die Schwere der Erkrankung im Allgemeinen und bei bestimmten Altersgruppen sowie zu erwartende epidemiologische und gesundheitsökonomische Aspekte. »Ich bin froh, dass wir dieses Gremium haben und plädiere dafür, die STIKO-Empfehlungen ernst zu nehmen«, konstatierte Dingermann.
Dies sei eine sehr wichtige Frage, da von ihr unter anderem auch der Zeitpunkt der Auffrischimpfung abhänge. Dingermann stellte eine aktuelle Studie im Fachmagazin »Nature« vor, die die Abnahme der Schutzwirkung eines Impfstoffs in einem bestimmten Zeitraum, in diesem Fall innerhalb von 250 Tagen, untersucht hatte (DOI: 10.1038/s41591-021-01377-8).
Demnach würde voraussichtlich ein Impfstoff mit einer anfänglichen Wirksamkeit von 95 Prozent nach 250 Tagen eine Wirksamkeit von 77 Prozent aufweisen. Eine Vakzine mit einer anfänglichen Wirksamkeit von 70 Prozent würde hingegen voraussichtlich nach 250 Tagen eine Wirksamkeit von 35 Prozent haben. »Bei Impfstoffen mit geringer anfänglicher Wirksamkeit muss früher eine Auffrischimpfung erfolgen«, resümierte Dingermann.
Ebenfalls eine wichtige Frage sei, wie wirksam die Impfstoffe gegen die Varianten sind. Die drei wichtigsten besorgniserregenden Coronavirus-Varianten seien derzeit die »britische«, »südafrikanische« und »indische« Variante. Hier habe sich übrigens aktuell eine Änderung in der Nomenklatur ergeben. Zukünftig würden die Varianten nicht mehr gemäß der Herkunftsorte benannt, sondern erhielten griechische Buchstaben. »Die Gefahr, die von den Varianten ausgeht, darf nicht unterschätzt werden«, sagte Dingermann. Fakt sei, dass einige Varianten in der Lage sind, Antikörpern besser auszuweichen (Escape-Varianten).
»Dennoch wird ein bestimmter Teil des Immunsystems immer noch in der Lage sein, auch diese Virusvarianten abzufangen«, betonte Dingermann. Insofern sei die Grundimmunisierung extrem wichtig. Zwar könne bei einer Virusvariante eine neue Infektion in Gang kommen, bevor die B-Zellreserven die Produktion von Antikörpern hochfahren. Aber selbst wenn das Virus einen Vorsprung habe und die Infektionspathologie initiieren könne, sollte die (Rest)-B-Zellantwort die Immunabwehr immer noch entscheidend kontrollieren und Schutz vor schweren Verläufen bieten können.
Abschließend ging Dingermann auf die Herdenimmunität ein: »Wir hoffen alle darauf.« Die Erkrankung beziehungsweise die Impfung rufen eine systemische Immunantwort hervor. Diese könne nach bisherigen Daten Covid-19-Erkrankungen effektiv verhindern, dennoch bleibe ein Risiko für eine Infektion bestehen. Dies liege größtenteils daran, dass zwar eine stabile IgG-Antwort erzielt werden kann, hingegen aber die IgA-Spiegel mit der Zeit abfallen. IgA-Antikörper befinden sich auf den Schleimhäuten und können an der Eintrittspforte das Virus abfangen. Neue nasale und orale Ansätze zielten daher auf eine sterile Immunität ab, indem sie dem Virus quasi die Tür vor der Nase zumachen.