Wann Opioide angezeigt sind |
Brigitte M. Gensthaler |
30.04.2020 08:00 Uhr |
Eine Indikation für eine Opioidtherapie sind Phantomschmerzen. Diese können nach einer Amputation auftreten und werden in dem Körperteil empfunden, das nicht mehr vorhanden ist. / Foto: Adobe Stock/Natalie Schorr
Im April legte die Deutsche Schmerzgesellschaft die aktualisierte S3-Leitlinie »Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen« (LONTS) vor, die sie gemeinsam mit zahlreichen Fachgesellschaften erarbeitet hat. Sie behandelt Einsatzgebiete und Grenzen einer Opioid-Therapie bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (CNTS). Die Leitlinienautoren unterscheiden den vier- bis zwölfwöchigen Einsatz von einer Langzeitanwendung, die länger als drei Monate andauert. Sie gehen nicht auf die Akuttherapie (kürzer als vier Wochen) ein.
Die Leitlinie nimmt Stellung zu selektiven Opioid-Agonisten und zu Substanzen mit gemischten opioidergen und nicht-opioidergen Wirkmechanismen. Dazu zählen Wirkstoffe wie Buprenorphin, Fentanyl, Hydrocodon, Hydromorphon, Morphin, Oxycodon, Oxymorphon, Tapentadol und Tramadol. Nicht berücksichtigt sind Substanzen wie Ketamin und Methadon, die in Deutschland nicht in der Langzeit-Schmerztherapie eingesetzt werden.
Grundsätzlich sind Opioid-Analgetika nur angezeigt, wenn nicht-medikamentöse Therapien und andere Schmerzmittel nicht ausreichend wirksam waren oder nicht vertragen wurden. Zudem sollten sie nicht als alleinige Therapie, sondern immer als Teil eines Behandlungskonzepts gegeben werden. Die individuellen Therapieziele und die nötigen Maßnahmen sollten Behandler und Patient gemeinsam realistisch festlegen, schreiben die Schmerzexperten.
Bei der Behandlung von CNTS seien Opioide nicht generell wirksamer als andere Analgetika. Wörtlich heißt es in der Patientenversion der Leitlinie: »Opioide sind bei keinem chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzsyndrom die Mittel der Wahl.«
Opioide sind eine Option für eine vier- bis zwölfwöchige Therapie bei Patienten mit diabetischer Polyneuropathie, Schmerzen in amputierten Gliedmaßen (Phantomschmerzen) und nach Gürtelrose (Post-zoster-Neuralgie) sowie bei chronischen Rücken- und Arthroseschmerzen. Für diese Indikationen gebe es eine ausreichende wissenschaftliche Datengrundlage zur Wirksamkeit und Sicherheit.
Eine Zoster-Erkrankung kann starke Schmerzen auslösen, die lange nach Abheilen der Hauterscheinungen anhalten. Bei der Post-zoster-Neuralgie können Opioide helfen. / Foto: CDC
Konsensus-basiert oder als individueller Therapieversuch könne man eine Opioid-Gabe auch bei zahlreichen anderen Erkrankungen erwägen, heißt es in der Leitlinie. Dazu zählen beispielsweise das Restless-legs-Syndrom, Schmerzen beim Parkinson-Syndrom, chronische Nervenschmerzen nach Nervenverletzungen, Schmerzen bei Osteoporose, Wirbelbrüchen oder entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, nach Operationen, bei tiefen Druckgeschwüren sowie Endometriose.
Konnte die Medikation bei all diesen Indikationen in der Einstellungsphase die Schmerzen deutlich lindern und/oder das Allgemeinbefinden des Patienten verbessern und war dabei gut verträglich, kann laut Leitlinie eine Langzeittherapie – im Einzelfall auch über mehrere Jahre – erwogen werden. Als Höchstdosis, die nur in Ausnahmefällen überschritten werden soll, geben die Experten 120 mg/Tag orales Morphinäquivalent an.