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Topische Sexualhormone

Vorsicht vor Übertragung auf Baby oder Haustier

Erst das Hormongel auf die Arme auftragen, dann das Baby oder den Hundewelpen herumtragen: Das kann gefährlich für die Kleinen werden. Die unbeabsichtigte transkutane Übertragung von Sexualhormonen kann teilweise irreversible körperliche Veränderungen auslösen.
Brigitte M. Gensthaler
30.06.2022  15:00 Uhr
Vorsicht vor Übertragung auf Baby oder Haustier

Die topische Anwendung von Steroidhormonen wie Estrogenen oder Testosteron wird immer beliebter. So verordnen Ärzte beispielsweise topisches Estradiol zur Hormonersatztherapie bei postmenopausalen Frauen (meist kombiniert mit einem Gestagen) oder Testosteron bei Männern mit Hypogonadismus. Wie lange es dauert, bis der Wirkstoff in die Haut eingezogen ist, hängt unter anderem von der Galenik, der Hautbeschaffenheit und äußeren Einflüssen wie der Raumtemperatur ab. Bei engem Hautkontakt kann es zu einer unbeabsichtigten Übertragung der Wirkstoffe auf Kontaktpersonen kommen. Auch Tiere sind nicht gefeit vor der Medikation ihrer Besitzer.

»Besonders vulnerabel für eine Übertragung können Kleinkinder sowie Haustiere durch einen engen und häufigen Körperkontakt, eine permeablere Hautbeschaffenheit und ein ungünstiges Verhältnis von Körperoberfläche zu Körpervolumen sein«, schreibt das vierköpfige Autorenteam vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im aktuellen »Bulletin für Arzneimittelsicherheit«

Fallberichte in der Literatur und Spontanmeldungen zeigen, dass Kinder und Haustiere, die engen Körperkontakt zu Anwendern topischer Hormonprodukte haben, klinische Symptome einer hormonellen Exposition entwickeln können. So gibt es Fallberichte von Kleinkindern mit Veränderungen wie Penis- oder Klitoris-Vergrößerung, Akne und Entwicklung von Schambehaarung nach Kontakt mit Testosteron-Cremes oder -Gelen, die die Väter auf Arme oder Brust aufgetragen hatten. Auch über präpubertäre Jungen mit Gynäkomastie, deren Mütter Estradiol-haltige Rezepturen anwendeten, wird berichtet. Daher raten die Autoren, bei Kindern mit entsprechenden Symptomen vor einer aufwendigen Hormondiagnostik sorgfältig nach einer möglichen exogenen Exposition mit Sexualhormonen zu fahnden.

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