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Hoffnungsträger Aviptadil

VIP-News zu Covid-19

Auch der Wirkstoff Aviptadil wird als Covid-19-Therapeutikum entwickelt. Erste Ergebnisse aus der Klinik und dem Labor stimmen zuversichtlich. Interessant ist das VIP-Wirkprinzip.
Sven Siebenand
06.08.2020  13:00 Uhr

In einer gemeinsamen Pressemeldung informieren die Unternehmen NeuroRx und Relief Therapeutics Holdings über Neuigkeiten zum Wirkstoff Aviptadil (RLF-100). Sie verweisen auf die Veröffentlichung eines ersten Fallberichts auf einem Preprint-Server.

Darin beschreiben Ärzte des Houston Methodist Hospital in Texas den Fall eines 54-jährigen Mannes, der an Covid-19 erkrankte, während er wegen Abstoßung eines Lungentransplantats behandelt wurde. Der Patient konnte innerhalb von vier Tagen, nachdem er die erste von drei Aviptadil-Infusionen bekommen hatte, vom Beatmungsgerät getrennt werden und die Intensivstation wieder verlassen. Mittlerweile sind schon ein paar mehr Covid-19-Patienten im Rahmen einer FDA-Notfallzulassung mit Aviptadil behandelt worden, ebenfalls mit guten Ergebnissen. Auch hierzu gibt es Daten auf einem Preprint-Server.

Wie wirkt Aviptadil?

Es handelt sich dabei um synthetisch hergestelltes humanes vasoaktives intestinales Polypeptid (VIP). Der VIP-Gehalt des Körpers ist zu 70 Prozent an bestimmte Lungenzellen gebunden, die Alveolarzellen des Typs II. Diese Zellen ergänzen die Typ-1-Zellen, die die Lungen auskleiden. Die Typ-2-Zellen produzieren Surfactant, das die Lunge umhüllt und für den Sauerstoffaustausch unerlässlich ist.

Besonders charakteristisch ist, dass diese Zellen auf ihrer Oberfläche hohe Konzentrationen an VIP-Rezeptoren aufweisen. Leider exprimieren die Typ-II-Zellen auch den ACE2-Rezeptor in hoher Menge, was für das Eindringen von SARS-CoV-2 in diese Zellen förderlich ist. Wenn die Zellen im Zuge der Infektion beeinträchtigt werden, können sie ihre Funktion möglicherweise nicht mehr ausüben, was den Weg zu schweren Lungenproblemen ebnen kann.

Forscher in Brasilien haben nun nachgewiesen, dass VIP die Replikation von SARS-CoV-2 in menschlichen Lungenzellen hemmt und ihre Arbeit ebenfalls auf einem Preprint-Server veröffentlicht. Zudem berichteten sie darin über eine Fall-Kontroll-Studie, in der Covid-19-Patienten, die die künstliche Beatmung überlebt hatten, signifikant höhere VIP-Konzentrationen im Blut aufwiesen als Patienten, die nach einem Lungenversagen verstorben waren. Therapiert man Patienten mit synthetischem VIP, verspricht dies also einen Nutzen.

Aviptadil ist übrigens eigentlich ein alter Hut. Im Jahr 2001 erteilte die FDA den Orphan-Drug-Status zur Behandlung des akuten Atemnotsyndroms, 2005 für die Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie. In 2006 und 2007 zog die europäische Arzneimittelbehörde EMA nach. Sie erteilte den Orphan-Drug-Status zur Behandlung des akuten Atemnotsyndroms und der Sarkoidose. Es ist allerdings in Deutschland nicht auf dem Markt.

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