Viel mehr als eine molekulare Schere |
Theo Dingermann |
30.03.2025 08:00 Uhr |
Abbildung 1B: Die bahnbrechende Anpassung an die experimentellen Anforderungen für einen generellen Einsatz der CRIPSR/Cas-Technologie gelang mit der Fusion der tracrRNA und crRNA zur Leit-RNA. Diese sgRNA wird wiederum von einem Cas-Enzym erkannt. Modifiziert nach: I. Zündorf / © PZ/Stephan Spitzer
In einer berühmt gewordenen Publikation in dem Wissenschaftsmagazin »Science« mit dem Titel »A programmable dual-RNA-guided DNA endonuclease in adaptive bacterial immunity« aus dem Jahr 2012, beschreiben Doudna und Charpentier zusammen mit Kollegen nicht nur das CRISPR/Cas-System als solches, sondern auch eine bahnbrechende Vereinfachung des Systems. Sie zeigten, dass die crRNA und die tracrRNA zu einzelnen Leit-RNA (sgRNA) fusioniert werden können (Abbildung 1B), was die CRISPR-Technologie massiv vereinfachte und zu einer Art Universalwerkzeug zum Umschreiben der Erbsubstanz von Bakterien, Pflanzen, Tieren und Menschen machte.
Diese Arbeit markiert den Beginn der CRISPR-Ära und war maßgeblich dafür verantwortlich, dass die beiden Forscherinnen 2020 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurden. Zu Recht wohlgemerkt, denn letztlich ist es ihrer Forschung zu verdanken, dass Wissenschaftler heute in der Lage sind, auf einzigartige Weise in den Bauplan des Lebens einzugreifen und so gezielt das Erbgut umzuschreiben.
Neben dem Cas9-System werden inzwischen auch Cas12, Cas14 und Cas13 häufiger genutzt. Sowohl Cas12 als auch Cas14 sind (wie Cas9) RNA-gelenkte DNasen, die neben doppelsträngiger DNA (dsDNA) auch Einzelstrang-DNA (ssDNA) spalten. Cas12 hat eine höhere Spezifität für dsDNA, während Cas14 eine höhere Spezifität für ssDNA besitzt. Cas13 ist dagegen eine RNA-gelenkte RNase, die einzelstängige RNA (ssRNA) spaltet.
Im medizinischen Bereich hat erst die Entdeckung und Anpassung des CRISPR-Effektors Cas9 für die Genom-Editierung bei Säugetieren, die maßgeblich von Professor Dr. Feng Zhang, Molekularbiologe am Broad Institute in Boston, erarbeitet wurde, die Genomtechnik verändert. Zhang und sein Team entwickelten zwei verschiedene Cas9-Orthologe (von S. thermophilus und S. pyogenes) und demonstrierten eine gezielte Genomspaltung in menschlichen Zellen und in Mauszellen.
Die Leit-RNA (sgRNA) kann beispielsweise die Cas9-DNase an nahezu beliebige genomische Stellen dirigieren (Abbildung 1B). Einzige Voraussetzung: Es befindet sich auf dem Nicht-Zielstrang (NTS) der DNA unmittelbar stromabwärts der Zielstelle ein kurzes Protospacer-Attachment-Motiv (PAM) mit einer NGG-Konsensussequenz, wobei N alle vier DNA-Basen repräsentiert und G für Guanin steht. Wird eine solche PAM-Sequenz erkannt, kann die sgRNA an die komplementäre Sequenz im Zielstrang (TS) binden, was eine Konformationsänderung im Cas9-Protein nach sich zieht, durch die die Nuklease-Domäne aktiviert wird.
Die Cas9-Nuklease erzeugt dann Doppelstrangbrüche drei Nukleotide stromaufwärts der PAM-Sequenz. Diese werden von Säugetierzellen auf zwei Wegen repariert:
Die nicht-homologen Verknüpfungen erfolgen unpräzise, indem in aller Regel DNA-Nukleotide eingefügt oder deletiert werden, sodass letztlich die Funktion des Gens zerstört ist. Im Gegensatz dazu beruht eine Homologie-geleitete Reparatur auf der Zugabe von doppel- oder einzelsträngigen DNA-Vorlagen, wodurch spezifische genetische Veränderungen, zum Beispiel die Einfügung eines Gens, möglich werden.
Mit einer Metapher ausgedrückt kann man zusammenfassen: Mit dem CRISPR/Cas-System kann ein genetischer Text nach Belieben und gezielt redigiert werden. Das System findet auf der DNA jede beliebige Buchstabenkombination. Dann kann die Zielsequenz gezielt modifiziert werden, indem Buchstaben oder ganze Wörter gelöscht, ausgetauscht oder eingefügt werden.