Vermutlich Hunderte Infektionen in Deutschland |
Die in Deutschland verbreitete Gemeine Stechmücke (Culex pipiens) kann den Erreger des West-Nil-Fiebers übertragen. / Foto: Adobe Stock/Maren Winter
Exotische Erreger breiten sich zunehmend auch in Europa aus. Gerade meldeten französische Behörden zwei erste, durch Mücken in Europa übertragene Zika-Virus-Infektionen. In Deutschland folgte nun die Nachricht, dass bei weiteren Klinikpatienten in Deutschland eine durch heimische Mücken übertragene West-Nil-Virus-Infektion nachgewiesen wurde. Betroffen seien zwei im Spätsommer erkrankte Frauen in Berlin und Wittenberg (Sachsen-Anhalt), sagte Dr. Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Im Umkreis des ersten Infizierten aus der Region Leipzig gebe es zudem weitere Verdachtsfälle, darunter auch bei jüngeren Patienten.
Die Vielzahl schwerer Krankheitsverläufe sei erschreckend, sagte Schmidt-Chanasit. »Das ist nur die Spitze des Eisbergs.« Nur etwa ein Prozent der Infektionen führten zu solchen schweren neuroinvasiven Erkrankungen. Demnach sei von Hunderten weiteren Infektionen mit leichtem Verlauf auszugehen, die nicht diagnostiziert wurden. »Das West-Nil-Virus betrifft offenbar schon weit mehr Menschen in Deutschland als bisher angenommen.«
In etwa 80 Prozent der Fälle verläuft eine West-Nil-Virus-Infektion ohne Symptome und wird daher nicht erkannt. Bei knapp 20 Prozent gibt es dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge milde, unspezifische Symptome wie Fieber oder Hautausschlag. Auch diese bleiben häufig unbeachtet. Schwerere und tödliche Verläufe betreffen meist ältere Menschen mit Vorerkrankungen.
Ende September hatten das BNITM und weitere Institute bekanntgegeben, dass erstmals eine durch Mücken in Deutschland übertragene West-Nil-Virus-Infektion beim Menschen nachgewiesen wurde. Mitte August war demnach ein 70-Jähriger aus dem Leipziger Umland an einer Gehirnentzündung erkrankt, der inzwischen wieder genesen ist. Zuvor war der Erreger bis auf den Fall eines Tierarztes in Bayern, der sich bei der Untersuchung eines Vogels ansteckte, nur in seltenen Fällen bei Reiserückkehrern nachgewiesen worden.
Erste Nachweise des West-Nil-Virus in Europa gab es schon vor Jahrzehnten, größere Erkrankungswellen werden erst seit einigen Jahren registriert. 2018 erfasste die europäische Gesundheitsbehörde ECDC vor allem in Ländern wie Italien, Griechenland, Rumänien, Ungarn und Kroatien rund 2000 Infektionen, rund 180 Menschen starben. In mehreren deutschen Regionen wurde der ursprünglich aus Afrika stammende Erreger seit 2018 bei zahlreichen Vögeln und Pferden nachgewiesen. In nördlichere Gefilde gelangte er durch Zugvögel und Stechmücken.
Anders als das West-Nil-Virus kann Zika nicht von heimischen, sondern nur von exotischen Aedes-Mücken übertragen werden, zu denen die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) und als Hauptüberträger die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) gehören. Gelbfiebermücken gibt es bisher europaweit nur auf Madeira und östlich des Schwarzen Meeres. Tigermücken hingegen haben einen sehr erfolgreichen Zug gen Norden angetreten.
»In Italien gibt es inzwischen überall Tigermücken«, erklärte Schmidt-Chanasit. Auch in anderen Ländern wie Frankreich, Griechenland und Teilen Deutschlands breiten sich die weiß gestreiften Tiere aus. Die ersten erfassten, durch Tigermücken in Europa übertragenen Zika-Virus-Infektionen gab es nun in Hyères im südfranzösischen Département Var.