Verband weist »Generalverdacht« bei Masken-Abgabe zurück |
| Cornelia Dölger |
| 28.09.2022 16:00 Uhr |
Gegen einen Gutschein bekamen Risikogruppen FFP2-Masken in Apotheken ausgehändigt. Wie die Apotheken dies abrechneten, hat bislang niemand kontrolliert, heißt es in mehreren Medienberichten. / Foto: Adobe Stock/Mattis Kaminer
Es war im ersten Pandemie-Winter 2020/21, als die Apotheken in Deutschland per Verordnung aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zum Verteiler von kostenlosen Corona-Schutzmasken an Risikogruppen wurden. Alte und vorerkrankte Menschen sowie Bezieher von Sozialleistungen bekamen in den Offizinen gegen einen Voucher eine bestimmte Menge FFP2-Masken für sie kostenlos ausgehändigt. Anfangs bis zu sechs, später knapp vier Euro durften die Apotheker pro Maske abrechnen, so sah es die Coronavirus-Schutzmasken-Verordnung vor. Bis Anfang April 2021 zahlte der Bund so für die Maskenabgabe an vulnerable Gruppen 2,1 Milliarden Euro.
Ob jemals irgendjemand diese milliardenschweren Abrechnungen kontrolliert hat, fragen sich nun WDR und die Süddeutsche Zeitung. Schließlich stamme das Geld, das den Apotheken gezahlt wurde, aus Steuermitteln. Laut der Verordnung müssen die Apotheken die Gutscheine bis Ende 2024 aufbewahren. Wie es in den Berichten heißt, müssten sich diese auf bis zu 56 Millionen Voucher summiert haben »als Beleg, dass die Apotheken tatsächlich insgesamt rund 350 Millionen FFP2-Masken abgegeben haben«. Lagern diese Belege denn nun vorschriftsmäßig in den Apotheken? Diese Frage stellen sich die Journalisten zwar, befragen die Apothekenseite dazu aber nicht, sondern richten den Blick insbesondere auf das Durcheinander bei den politischen Zuständigkeiten in Sachen Kontrolle.
Da scheinen sich Bund und Länder nämlich nicht gerade einig zu sein. Laut den Berichten teilte das BMG den Rechercheuren zunächst mit, für die Kontrollen sei das ihm unterstellte Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) in der Verantwortung, was dieses aber zurückwies, woraufhin das BMG seinerseits zurückruderte und die Landesbehörden als zuständige Kontrollinstanzen ins Spiel brachte – zumindest theoretisch, denn eigentlich sind laut der Verordnung, die noch unter dem damaligen CDU-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ausgearbeitet wurde, systematische Kontrollen der Masken-Abrechnungen überhaupt nicht vorgesehen. Ergo: Wo keiner kontrolliert, da kommt auch nichts ans Tageslicht. »So wird die Suche nach den Verantwortlichen für die Kontrollen vollends zur Posse«, heißt es in dem WDR-Bericht.
Nach fehlenden Kontrollinstanzen und entsprechenden politischen Versäumnissen, die auch Spahns Nachfolger Professor Karl Lauterbach (SPD) nicht auszugleichen vermöge – de facto kontrolliere ja in der neuen Legislatur auch niemand – kommen die Journalisten auf die Kriminologie zu sprechen. Von ihnen befragt, schätzt der Münchner Kriminologe Ralf Kölbel, der sich insbesondere mit Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen beschäftigt, den laxen Umgang mit den Steuermilliarden und den Vertrauensvorschuss seitens der Politik in Sachen Masken-Vergabe als »befremdlich« ein.
Ähnlich sahen dies demnach die Teilnehmer einer Tagung namens »Tatort Gesundheit«, zu der sich vorige Woche mehr als 100 Kriminalbeamte, Gesundheitsexperten und Politiker in Berlin zusammenfanden. Dort ging es laut den Berichten darum aufzuzeigen, wie man gegen Betrügereien im Gesundheitswesen vorgehen kann. Die Maskenverteilaktion der Apotheken sei auch hier ein Thema gewesen.
In einem solchen Kontext genannt zu werden, stelle die Apotheken »unter Generalverdacht«, kommentiert der Chef des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR), Thomas Preis, die Recherchen. Zwar hätten die Apotheker »keine Erkenntnisse darüber, ob und bei wieviel Apotheken kontrolliert wurde«, so Preis zur PZ. Aber die Verfasser der Artikel besäßen ihrerseits wohl auch keine, denn sie schrieben ja lediglich, dass »offenbar« bis heute nicht gezielt kontrolliert wurde. »Mit dieser bloßen Annahme« alle Apothekerinnen und Apotheker des Abrechnungsbetrugs zu verdächtigen, sei »so nicht akzeptabel«, kritisierte der AVNR-Chef.
Tatsache sei hingegen, dass die Apothekerschaft die Maskenabgabe im Winter 2020/2021 »in allerkürzester Zeit vorfinanziert und in einem einzigartigen historischen logistischen Kraftakt flächendeckend umgesetzt« habe. Ihre wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Pandemie habe der Bundesgesundheitsminister auch beim Apothekertag Mitte September in München noch einmal betont. »Insbesondere die kurzfristige millionenfache Maskenabgabe dürfte dazu beigetragen haben, das Infektionsgeschehen zum damaligen Zeitpunkt nachhaltig einzudämmen und insbesondere die vulnerablen Zielgruppen zu schützen«, so Preis.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.