Transidente Menschen |
Passt die Zuordnung der eigenen Geschlechtsidentität nicht in das Schema Frau oder Mann, spricht man von nicht-binären (non-binary) Personen. Sie können heute die Geschlechtsbezeichnung »divers« wählen.
Als »divers« gelten aber auch Menschen, die kein eindeutiges Geburtsgeschlecht haben, das heißt, dass die äußeren Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig sind, zum Beispiel ein kleiner Penis und gleichzeitig eine rudimentäre Vagina. Dies sind intersexuelle Menschen (Tabelle 1).
Die südafrikanische Athletin Caster Semenya, hier beim Berliner Leichtathletik-Stadionfest im September 2018, gehört zu den intersexuellen Menschen. / Foto: Imago Images/Camera 4
Sie wurden früher fast immer äußerlich zu Mädchen »umoperiert« (Aussage von Chirurgen: »Es ist leichter, ein Loch zu graben als einen Baum zu pflanzen«), was im späteren Leben oft zu großen Problemen geführt hat (1). Seit einer Gesetzesänderung vom Mai 2021 sind solche geschlechtsangleichenden Operationen an Kindern unter 14 Jahren untersagt. Die Kinder sollen erst einmal die Chance bekommen, eine eigene Geschlechtsidentität zu entwickeln und sich dann gegebenenfalls für ein Geschlecht entscheiden – oder auch nicht.
Intersexuelle Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen, können die Bezeichnung »divers« wählen. Es gibt aber auch Intersexuelle, die sich eindeutig als Frau oder Mann erleben. In seltenen Fällen liegt einer unklaren Geschlechtszuordnung ein sogenanntes Androgen-Insensitivitäts-Syndrom oder ein 5α-Reduktase-2-Mangel zugrunde, bei dem sich ein Körper mit männlichen Geschlechtschromosomen in unterschiedlichem Maß zu einem weiblichen Körper entwickelt (2). Dies führt gerade im Leistungssport oft zu Schwierigkeiten, wie bei der Läuferin Caster Semenya.
Warum ist es so wichtig, einen Transmann als Mann und eine Transfrau als Frau wahrzunehmen und anzusprechen, auch wenn das Äußere vielleicht noch gar nicht so recht passt? Der Grund liegt darin, dass viele transidente Menschen eine starke Dysphorie erleben.
Als Dysphorie bezeichnet man ein körperliches, psychisches oder soziales Unwohlsein durch die Geschlechtsinkongruenz. Sie führt zu einem sehr hohen Leidensdruck und hat einen eigenen Krankheitswert. Häufig sind therapeutische Intervention und eine Pharmakotherapie notwendig. Dysphorie kann sich auf einzelne Bereiche des Lebens beziehen, zum Beispiel in Form einer Körperdysphorie, aber auch generalisieren.
Auslöser für das Aufflammen einer Dysphorie ist oft das sogenannte Misgendern, also das Ansprechen der Person mit der falschen Geschlechtsbezeichnung, zum Beispiel, weil der Mensch äußerlich noch dem falschen Geschlecht zugeordnet wird. Gerade bei einer Geschlechtsangleichung im höheren Lebensalter ist das vor allem für Transfrauen oft problematisch, da sie beispielsweise durch eine tiefe männliche Stimme, ihre Größe und Körperformen oft noch lange dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden. Dies kann zu Irritationen führen, wenn sie typisch weibliche Kleidung tragen. Bei Transmännern ist die Akzeptanz oft größer, weil legere Kleidung und kurze Haare heute keinem Geschlecht mehr eindeutig zugeordnet werden.
Foto: Adobe Stock/Dzmitry
Woher die Transidentität kommt, ist nicht wirklich eindeutig geklärt. Es gibt zusammenfassende Studien (3) über die Gehirnentwicklung vor Beginn einer Hormontherapie; diese sehen mögliche Ursachen in genetischen Faktoren (nicht geschlechtschromosomal), hormoneller Dysbalance (möglicherweise auch schon im Mutterleib) und Veränderungen im Hypothalamus. Auch gesellschaftliches Umfeld, Sozialisation und äußere Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen. Vermutlich ist die Entstehung multifaktoriell.
Auch zur Prävalenz gibt es keine validen Zahlen für Deutschland, unter anderem auch, weil unklar ist, welche Bezugsgröße man verwenden soll. Letztendlich leben vermutlich viele transidente Menschen unerkannt, das heißt: Die Dunkelziffer ist sehr hoch. Mitglieder von Interessenverbänden und Selbsthilfegruppen gehen von einem Anteil von bis zu 0,5 Prozent der Menschen in der Gesamtbevölkerung aus, deren Geschlechtsidentität nicht dem Geburtsgeschlecht entspricht.