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Migräne

Therapie individuell abstimmen

Medikamentöse Prophylaxe bei Komorbiditäten

Die Auswahl eines Prophylaktikums sollte sich an Attackenhäufigkeit (episodisch versus chronisch), Komorbiditäten sowie individuellen Bedürfnissen und Lebensumständen der Patienten orientieren (4, 7, 24). So sind beispielsweise Betablocker bei Menschen mit Hypertonie oder tachykarder Arrhythmie besonders geeignet, bei schwerem Asthma oder Hypotonie jedoch kontraindiziert (4, 7). Betablocker können eine Psoriasis verschlechtern und sollten bei diesen Patienten nicht zur Prophylaxe eingesetzt werden (5).

Für die Migräneprophylaxe bei Patienten mit einer Depression oder Schlafstörung eignet sich besonders Amitriptylin, wobei die Dosis dann im antidepressiv wirksamen Bereich liegen muss (75 bis 150 mg/d) (5). Zur Migräneprophylaxe allein sind niedrigere Dosierungen häufig besser verträglich und bereits wirksam. Flunarizin und Topiramat können Depressionen begünstigen. Eine bestehende Depression stellt daher eine relative Kontraindikation für diese Wirkstoffe dar.

Topiramat kann eine Gewichtsabnahme bewirken, während beispielsweise Amitriptylin und Flunarizin zur Gewichtszunahme führen (5, 7). Patienten mit metabolischem Syndrom sollten also bevorzugt Topiramat erhalten. Dieses wird bei Epilepsiepatienten zur Migräneprophylaxe empfohlen, ebenso bei Patienten mit isolierten Auren.

Antikörper gegen CGRP

Die monoklonalen Antikörper gegen CGRP beziehungsweise den CGRP-Rezeptor stellen die erste gezielt und spezifisch für Migräne entwickelte Prophylaxe dar (4). Sie richten sich spezifisch gegen das migräneauslösende Neuropeptid CGRP oder dessen Rezeptor und greifen damit in einen für die Pathophysiologie der Migräne zentralen Mechanismus ein (Abbildung 2) (28). CGRP ist ein starker Vasodilatator und hat etliche weitere Funktionen im Herz-Kreislauf-System. Zudem spielt es eine Rolle in der Übertragung von Schmerz- und Sinnesreizen, im Immunsystem, im Gastrointestinaltrakt sowie in der Schwangerschaft (4).

Die Antikörper weisen nicht zuletzt aufgrund der Unpassierbarkeit der Blut-Hirn-Schranke ein günstiges Nebenwirkungsprofil auf. In klinischen Studien lagen die UAW auf Placeboniveau. Im klinischen Alltag hat sich mittlerweile gezeigt, dass in seltenen Fällen eine Hypertonie auftreten oder sich verschlechtern kann (6). Da die Peptide zu Aminosäuren abgebaut werden und dabei hepatische und renale Eliminationswege umgehen, interagieren sie nicht mit anderen Medikamenten (26). Sie müssen nicht auftitriert werden und weisen einen raschen Wirkeintritt auf. Allerdings müssen die monoklonalen Antikörper subkutan verabreicht werden (26).

Folgende Präparate sind aktuell in Deutschland zugelassen:

  • die CGRP-Inhibitoren Fremanezumab (Ajovy®), Galcanezumab (Emgality®) und Eptinezumab (Vyepti®) und
  • der CGRP-Rezeptor-Inhibitor Erenumab (Aimovig®).

Die Zulassung besteht für die Migräneprophylaxe bei Erwachsenen mit mindestens vier Migränetagen/Monat. Eine Verordnung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung ist nur möglich, wenn mindestens vier Substanzen aus den vier verfügbaren, zugelassenen pharmakologischen Gruppen wie Betablocker (Metoprolol oder Propranolol), Flunarizin, Topiramat oder Amitriptylin nicht wirksam waren, nicht vertragen wurden oder wenn gegen deren Einnahme Kontraindikationen oder Warnhinweise bestehen.

Patienten mit chronischer Migräne dürfen zusätzlich nicht auf eine Therapie mit Onabotulinumtoxin A angesprochen haben (27).

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