Testen, bis es klappt |
Ev Tebroke |
04.01.2022 18:00 Uhr |
Wie kommt das E-Rezept in die Apotheke? Eigentlich hauptsächlich über die eigens dafür kreierte Gematik-App. Aber vorerst sollen Patienten ihre Verordnung auch über einen Papierausdruck in der Apotheke ihrer Wahl einlösen können. / Foto: picture alliance/dpa
Der Start der flächendeckenden elektronischen Verordnung ist das Projekt des Jahres 2022. Es bedeutet nicht weniger als den Beginn einer neuen Ära in der Arzneimittelversorgung. Der hohe politische Druck bei gleichzeitig schleppender Umsetzung aufgrund einer höchst komplexen Prozesskette wiederum waren das Thema des vergangenen Jahres.
Die großen Anlaufschwierigkeiten im Modellprojekt in der Region Berlin/Brandenburg, die geringe Beteiligung und die demzufolge wenig belastbaren Erfahrungswerte hatten für viel Kritik gesorgt. Ärzte, Apotheker, Rechenzentren und Kassen hatten zuletzt unisono auf eine Verschiebung des Starttermins gedrängt. Doch bis kurz vor Jahresende hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf dem verpflichtenden bundesweiten Start zum 1. Januar 2022 beharrt. In letzter Minute kam Ende Dezember der erlösende Brief aus dem BMG: Die Einführung wird verschoben, der kontrollierte Test- und Pilotbetrieb schrittweise fortgesetzt und ausgeweitet.
Zuletzt gab es insbesondere beim Abrechnungsprozedere noch grundlegende technische Mängel, die erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnten. Das belegte ein Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesverbands deutscher Apothekenrechenzentren (VDARZ). Krankenkassen könnten sich aufgrund dieser sicherheitstechnischen Mängel weigern, die Rezepte anzunehmen, so die Befürchtung der Juristen. Diese Mängel gilt es zu beheben. Die Gutachter sahen hierbei die Gematik, die den technischen Transportweg des E-Rezepts über die Telematik-Infrastruktur konzipiert hat, in der Pflicht.
Nun lenkt das BMG also ein und gibt den Akteuren mehr Zeit. In dem an die Gematik-Gesellschafter adressierten Schreiben betonte das Ministerium, dass es »deutliche Verbesserungen in der Unterstützung und Verbindlichkeit der Testprozesse« sehen will, »mit klaren Verantwortlichkeiten« und einer »höheren Transparenz über den Projektfortschritt seitens aller Beteiligten«. In den nächsten Wochen heißt es also: testen, testen, testen.
Teil 1 des sechsteiligen Beitrags zum Ausblick auf das Jahr 2022 / Foto: Gardeners
Teil 1: Wie geht es mit dem E-Rezept weiter?
Teil 2: Was die Bundestagsfraktionen vorhaben
Teil 3: Welche Veränderungen mit dem Koalitionsvertrag kommen
Teil 4: Wie lässt sich die Pandemie beenden und was kommt danach?
Teil 5: Welche neuen Arzneistoffe könnte es geben?
Teil 6: Wie lassen sich Medikationsanalysen in der Breite umsetzen?
Wie diese Tests genau ablaufen sollen, in welchen Clustern, wer welche Pflichten übernimmt: Darüber müssen sich der Deutsche Apothekerverband (DAV), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) nun zeitnah austauschen. Die Einzelheiten zum weiteren Vorgehen will das BMG – Mehrheitsgesellschafter der Gematik – mit den Beteiligten »verbindlich« abstimmen. Vonseiten der Gematik heißt es: »Ab Januar werden die KBV, die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) und die DKG laufend Updates zum Ausstattungsgrad der Apotheken, Praxen und Krankenhäuser geben.«
Für die Apotheken gilt ab 1. Januar: Offizinen, die bereits E-Rezept-ready sind und elektronische Verordnungen annehmen möchten, können dies tun. Eine Pflicht dazu besteht nicht. Wer E-Rezepte annehmen möchte, muss vorher auf dem Verbändeportal www.mein-apothekenportal.de den Schalter auf »E-Rezept empfangen« stellen.
Grundsätzlich müssen sich die Apotheken auf vielschichtige Verordnungswege einstellen. Die KBV hatte bereits Anfang November 2021 in Form einer Richtlinie eine Übergangslösung etabliert. Alle Praxen sollen bis zum 30. Juni 2022 nach wie vor das Muster-16-Rezept nutzen, wenn das Ausstellen von E-Rezepten technisch noch nicht funktioniert. Die elektronische Verordnung wiederum kann via Gematik-App oder als Token-Ausdruck auf Papier in die Apotheke gelangen. Und auch der Weg über die elektronische Gesundheitskarte (EGK) ist geplant und wird derzeit von der Gematik umgesetzt.
Bis das E-Rezept flächendeckend ausgerollt sein wird, dürfte noch einige Zeit vergehen. Der Druck auf die Beteiligten für eine schnelle Umsetzung bleibt.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.