Synthese nach dem Lego-Prinzip |
Das Prinzip der Click-Chemie kann mit einer Gürtelschnalle oder mit Lego-Steinen verglichen werden: Ein Teil passt genau zum anderen. / Foto: Adobe Stock/Anterovium
Professor Dr. Carolyn R. Bertozzi (USA), Professor Dr. Morten Meldal (Dänemark) und Professor Dr. K. Barry Sharpless (USA) – das sind die Preisträger des Chemie-Nobelpreises 2022. Für Sharpless (81) ist es nach 2001 bereits der zweite Nobelpreis für Chemie. Er ist zweifelsfrei der konzeptionelle Vordenker der Click-Chemie, mit der chemische Bausteine vergleichsweise einfach miteinander verbunden werden können. Meldal (68) hat die Click-Chemie mit der Kupfer-katalysierten 1,3-dipolaren Cycloadditionsreaktion zeitgleich mit Sharpless entscheidend vorangetrieben und ihr so einem enormen Schub verliehen. Bertozzi (56)
wiederum hat die Click-Chemie für biologische Anwendungen optimiert und wendete sie in Form der bioorthogonalen Chemie an lebenden Organismen an.
Die prämierten Methoden gehören heute zum etablierten Instrumentarium der biomedizinisch-pharmazeutischen Forschung, nicht zuletzt um gezielt Wirkstoffbibliotheken zu erschließen und zelluläre Prozesse zu studieren.
Das Prinzip der Click-Chemie kann mit einer Gürtelschnalle oder mit Lego-Steinen verglichen werden: Ein Teil passt genau zum anderen. Kommt es zum »Klick«, ist die Gürtelschnalle geschlossen oder die Lego-Steine sind miteinander verknüpft. Im Fall der Click-Reaktion werden bevorzugt Bindungen von Kohlenstoffatomen mit Heteroatomen, also Nicht-Kohlenstoffatomen gebildet.
Das grundlegende Konzept der Click-Chemie hatte Sharpless mit seiner Arbeitsgruppe 2001 in der Zeitschrift »Angewandte Chemie« veröffentlicht. Im Einführungsteil dieser Veröffentlichung würdigt er die Verdienste und Leistungskraft der organischen Synthese-Chemie, insbesondere was die aufwendigen Totalsynthesen komplexer Naturstoffmoleküle betrifft. Gleichzeitig stellt Sharpless visionär fest, dass mit den chemischen Reaktionen, die für die Synthese komplexer Moleküle eingesetzt werden, auch erhebliche
Limitationen verbunden sind. So ist insbesondere die Herstellung großer Substanzbibliotheken, die in der pharmazeutischen Industrie für die Entwicklung von Arzneistoffen (small molecules) unverzichtbar sind, über diesen Weg schlichtweg nicht möglich.
Belastbaren Einschätzungen zufolge liegt die Zahl akzeptabler Wirkstoffkandidaten bei 1062 bis 1063 Einzelmolekülen, was einer enormen strukturellen Vielfalt entspricht. Vor diesem Hintergrund postulierte Sharpless, dass es wenig sinnvoll sei, in schwer zugänglichen strukturellen Umfeldern – wie sie bis zum Jahr 2000 überwiegend genutzt wurden – nach der gewünschten pharmazeutischen Funktion zu suchen. Stattdessen schlug er einfache Synthesemethoden (Click-Chemie) vor, für die eine wichtige Regel gilt: Jegliche Suche nach neuen Wirkstoffen muss auf Moleküle beschränkt bleiben, die leicht herzustellen sind. Dabei bezog sich Sharpless auf die Herstellung von Primärmetaboliten in der Natur. Während Sekundärmetaboliten ein ausgedehntes Netz aus Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen aufweisen, auf dem das Hauptaugenmerk der synthetisch arbeitenden Chemiker zur damaligen Zeit lag, sind es unter Heteroatomverknüpfung ablaufende Kondensationen, die zum Aufbau von Polynukleotiden, Polypeptiden und Polysacchariden verwendet werden.