Strategien gegen resistente Bakterien |
Das Cephalosporin Cefiderocol (Fetcroja®) gilt als »trojanisches Pferd« gegen Carbapenem-resistente Bakterien (siehe auch Titelbeitrag in PZ 43/2021). Es scheint gegen den Angriff von allen (!) Lactamasen »immun« und gegen gramnegative Erreger wirksam zu sein (Tabelle 3): gegen Colistin- und Carbapenem-resistente Stämme von P. aeruginosa, A. baumannii, K. pneumoniae und Enterobacteriaceae. Gegen grampositive Bakterien ist Cefiderocol wenig aktiv.
Neben der Lactamase-Stabilität trägt der besondere Eintrittsmechanismus zur ausgezeichneten antibakteriellen Aktivität bei. Das Siderophor Cefiderocol nutzt mittels seiner Catecholstruktur, die dreiwertige Eisenatome komplexieren kann, einen Eisentransporter der Bakterien für die Penetration in die Zelle, zusätzlich zur passiven Penetration (19). Somit können Cefiderocol weder Mutationen der Porin-Kanäle, die β-Lactame ins Zellinnere transportieren, noch überexprimierte Effluxpumpen etwas anhaben. Die antimikrobielle Aktivität wird jedoch gemindert, wenn es zu Mutationen im Eisentransport-Protein kommt. Nichtsdestotrotz wurde eine Cefiderocol-Resistenz in KPC-produzierenden Klebsiellen mit erhöhten MHK-Werten beobachtet (20).
In der Phase-III-Studie CREDIBLE-CR, in der Patienten mit Infektionen mit Carbapenem-resistenten gramnegativen Bakterien mit Cefiderocol oder der bestmöglichen Therapie behandelt wurden, zeigte Cefiderocol eine ähnliche klinische und mikrobiologische Effektivität wie die Kontrolle (21). Allerdings gab es im Acinetobacter-Arm mehr Todesfälle unter Cefiderocol. Ansonsten war die Substanz gut verträglich bei einer Dosis von 2 g (per infusionem) über drei Stunden (t1/2: zwei bis drei Stunden).
Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass Cefiderocol im Augenblick eine gute Therapieoption für Infektionen mit gramnegativen kritischen Bakterien ist, auch wenn – wie erwartet – bereits Resistenzen beobachtet werden.
Die Adressierung der Membran- oder Proteinbiosynthese der Bakterien übt einen großen evolutionären Druck auf die Bakterien aus und wird immer wieder – früher oder später – zur Entwicklung von unterschiedlichen Resistenzen führen. Insofern rücken Alternativen wie die Phagen ins Blickfeld.
Nach der Isolierung von Bakteriophagen durch den Kanadier d′Herelle und den Briten Twort 1917 war schnell klar, dass die Phagen Bakterien »essen« (griechisch: phagein). Dabei sind die Phagen sehr wählerisch: Sie besiedeln nur jeweils einen ganz bestimmten Bakterienstamm, den sie an dessen Oberfläche erkennen. Nach dem Andocken injizieren sie ihre Erbinformation in das Bakterium, in dem dann in großer Zahl neue Phagen produziert werden. Schlussendlich nutzen die Phagen Endolysine, um die Bakterien zu lysieren und nach außen zu gelangen (22). Bakteriophagen sind also kleine Pakete aus Proteinen und Nukleinsäuren und werden auch »Bakterien-Viren« genannt.
Sind Phagen die neuen Wunderwaffen gegen Bakterien? / Foto: Imago/Westend61
Therapeutisch kann man im Sinne einer »Prêt-a-porter«-Strategie einen Cocktail von verschiedenen Phagentypen einsetzen, um mit einem davon die Bakterien zu lysieren. Oder man bestimmt den infektiösen Bakterienstamm, isoliert die entsprechenden Phagen aus geeigneten Quellen und nutzt diese bei der maßgeschneiderten Strategie (»Sur-mesure«-Therapie) (23).
Im Zweiten Weltkrieg wurden bei Stalingrad 50.000 Menschen mit einer Anti-Cholera-Phagen-Suspension behandelt; binnen weniger Tage war die Epidemie beendet. In Russland, Polen und Georgien hat man diesen Ansatz weiterverfolgt und therapiert heute mit Phagen. Im Westen wurden zur gleichen Zeit die Antibiotika entdeckt und weiterentwickelt, die die Phagentherapie unnötig erscheinen ließen. In Zeiten von multiresistenten Bakterien werden Phagen allerdings wieder interessant.