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Häufige Arzneistoffe

Steckbrief Etoricoxib

Als vermeintlich bessere NSAR war die Entwicklung der COX-2-Hemmer mit großen Erwartungen verknüpft. Zwar konnte die Substanzklasse diese nicht ganz erfüllen, doch hat manch ein Vertreter hierzulande seinen Platz in der Therapie rheumatischer Erkrankungen gefunden – so auch Etoricoxib.
Carolin Lang
29.04.2022  13:30 Uhr

Wann kommt Etoricoxib zum Einsatz?

Der Wirkstoff ist zugelassen für Personen ab 16 Jahren zur Behandlung von Symptomen bei Reizzuständen degenerativer und entzündlicher Gelenkerkrankungen wie Arthrose und rheumatoider Arthritis, von Morbus Bechterew sowie von Schmerzen und Entzündungszeichen bei akuter Gichtarthritis. Darüber hinaus ist er kurzfristig bei mäßig starken Schmerzen nach Zahnoperationen indiziert.

Wie wird Etoricoxib dosiert?

Aufgrund der langen Halbwertszeit von 22 Stunden genügt die einmal tägliche Einnahme von Etoricoxib. Bei Arthrose beträgt die empfohlene Dosis dabei 30 mg, die bei Bedarf auf maximal 60 mg gesteigert werden kann. Für die Therapie von rheumatoider Arthritis und Morbus Bechterew sind 60 mg empfohlen, wobei auf maximal 90 mg erhöht werden kann. Postoperative Zahnschmerzen können über maximal drei Tage mit 90 mg einmal täglich behandelt werden, bei einem akuten Gichtanfall sind 120 mg einmal täglich über maximal acht Tage empfohlen.

Wie wirkt Etoricoxib?

Etoricoxib wirkt analgetisch, antiphlogistisch und antipyretisch. Der Arzneistoff hemmt selektiv die Cyclooxygenase-2 (COX-2) als eine Isoform der Cyclooxygenasen. Die Enzyme katalysieren die Synthese von Prostanoiden aus Arachidonsäure, wobei die COX-2 vor allem für die Synthese von Schmerz-, Entzündungs- und Fiebermediatoren verantwortlich ist.

Welche Nebenwirkungen kann Etoricoxib haben?

Zu den häufigsten Nebenwirkungen unter Etoricoxib gehören Bauch- und Kopfschmerzen sowie eine Erhöhung der Leberenzyme ALT und/oder AST, Bronchospasmus, Ödeme, Hypertonie, Müdigkeit und grippeartige Erkrankungen. Darüber hinaus kann der Arzneistoff gastrointestinale Beschwerden wie Obstipation, Diarrhö, Übelkeit, epigastrische Beschwerden, Ösophagitis und Gastritis verursachen.

Welche Erwartungen waren an die Entwicklung der Coxibe geknüpft?

Generell versprach man sich von den Coxiben als selektiven COX-2-Hemmern, dass sie nebenwirkungsärmer sein könnten als klassische nicht steroidale Antirheumatika (NSAR), die gleichermaßen die COX-1 und COX-2 hemmen. Denn während gewünschte Effekte nicht selektiver NSAR primär auf die Hemmung der COX-2 zurückgeführt werden, soll für unerwünschte Wirkungen auf den Magen-Darm-Trakt, die Thrombozytenaggregation und die Nieren vor allem die Hemmung der COX-1 verantwortlich sein. Allerdings konnten Coxibe diese Erwartungen nur teilweise erfüllen:

  • Da die COX-1-vermittelte protektive Wirkung auf die Magenschleimhaut erhalten bleibt, verursachen Coxibe tendenziell weniger gastrointestinale Komplikationen als nicht selektive NSAR. Gänzlich bleiben diese jedoch nicht aus, was möglicherweise mit der Reparaturfunktion von COX-2 in der gastrointestinalen Mucosa zusammenhängt. In der MEDAL-Studie (Multinational Etoricoxib and Diclofenac Arthritis Long-Term) traten unter Etoricoxib insgesamt signifikant weniger unerwünschte Ereignisse im oberen Gastrointestinaltrakt auf als unter dem NSAR Diclofenac. Die Häufigkeit komplizierter Ereignisse wie Perforationen, Obstruktionen und komplizierte Blutungen war jedoch vergleichbar (»The Lancet« 2006, DOI: 10.1016/S0140-6736(06)69666-9 ).
  • Coxibe hemmen zwar nicht die COX-1-vermittelte Thrombozytenaggregation, doch bedingen sie ein Übergewicht des aggregationsfördernden Thromboxan A2 zu dessen physiologischem Gegenspieler Prostacyclin, das Gefäße erweitert und die Plättchenaggregation verhindert. Das könnte der Grund dafür sein, dass Coxibe mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert sind.
  • Die Nierendurchblutung wird unter anderem von Prostaglandinen beeinflusst und kann durch Hemmung der Cyclooxygenasen, vor allem der COX-1, absinken. Dies ist besonders bei Patienten mit Risikofaktoren auch für Coxibe zu beachten.

Wann ist Etoricoxib kontraindiziert?

Patienten mit aktivem peptischen Ulkus sollten Etoricoxib nicht anwenden, da es die Ulkusheilung verzögern kann. Ferner gelten gastrointestinale Blutungen, entzündliche Darmerkrankungen, schwere Leberfunktionsstörungen und eine Kreatinin-Clearance < 30 ml/min als absolute Gegenanzeigen. Wegen des kardiovaskulären Risikos eignet sich Etoricoxib nicht für Patienten mit Herzinsuffizienz (NYHA II bis IV), anhaltendem Blutdruck über 140/90 mmHg, koronarer Herzkrankheit, peripherer arterieller Verschlusskrankheit oder zerebrovaskulären Erkrankungen.

Welche Wechselwirkungen mit Etoricoxib sind zu beachten?

Etoricoxib kann die Wirkung oraler Antikoagulanzien wie Phenprocoumon verstärken. Ferner kann der Arzneistoff die Wirkung von Diuretika und Antihypertensiva verringern. Bei prädisponierten Patienten kann die Kombination mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-II-Antagonisten die Nierenfunktion beeinträchtigen. Durch Kombination mit NSAR steigt das Risiko gastrointestinaler Komplikationen. Etoricoxib hemmt die Aktivität der humanen Sulfotransferase, insbesondere der SULT1E1, und kann daher die Wirkspiegel von Ethinylestradiol erhöhen. Zwar wird Etoricoxib hauptsächlich über CYP-Enzyme metabolisiert, außer mit Rifampicin als starkem CYP-Induktor wurden dahingehend bisher jedoch keine klinisch relevanten Wechselwirkungen beobachtet.

Eignet sich Etoricoxib für Schwangere und Stillende?

Nein, laut embryotox.de, der Webseite des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, sollten Schwangere und Stillende den Arzneistoff meiden.

Seit wann gibt es Etoricoxib?

In Deutschland ist Etoricoxib (Arcoxia®) seit September 2004 auf dem Markt – nicht jedoch in den USA. Dort verweigerte die Arzneimittelbehörde FDA Etoricoxib 2007 wegen Kardiotoxizität die Zulassung. Das kardiovaskuläre Risiko bei COX-2-Hemmern war zuvor schon Thema gewesen: So wurden Rofecoxib (Vioxx®) 2004 wegen erhöhten kardiovaskulären Risikos und Valdecoxib (Bextra®) 2005 zusätzlich wegen schwerer allergischer Hauterscheinungen vom Markt genommen.

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