Steckbrief Doxycyclin |
Daniela Hüttemann |
22.03.2022 09:00 Uhr |
Doxycyclin ist ein echtes Breitspektrum-Antibiotikum. / Foto: Adobe Stock/Tobias Arhelger
Was ist das Einsatzgebiet von Doxycyclin?
Doxycyclin wirkt gegen eine Vielzahl grampositiver und gramnegativer sowie zellwandloser Bakterien, aber auch gegen bestimmte Parasiten wie den Malaria-Erreger Plasmodium falciparum und Fadenwürmer. Einsatzgebiete sind unter anderem Infektionen mit Escherichia coli, Haemophilus influenzae, Klebsiellen, Gonokokken, Treponema pallidum (Syphilis), Borrelien, Actinomyceten und Clostridien. Das Anwendungsspektrum reicht daher von Harnwegs- und Geschlechtskrankheiten, Atemwegserkrankungen und Magen-Darm-Infekten über Borreliose und Hauterkrankungen wie Akne und Rosazea bis hin zu seltenen Infektionen wie Pest und Milzbrand. Zudem kann Doxycyclin zur Malaria-Prophylaxe eingesetzt werden (in Deutschland eine Off-Label-Anwendung). Auch in der Tiermedizin kommt es zum Einsatz.
Wie wirkt Doxycyclin?
Doxycyclin gehört zu den Tetracyclinen. Es hemmt die bakterielle Proteinsynthese, indem es die Bindung von tRNA an die 30S-Untereinheit des bakteriellen Ribosoms verhindert, die anders aufgebaut ist als die menschliche. Dabei wirkt es bakteriostatisch. Oral eingenommen wird Doxycyclin fast komplett resorbiert, wobei ein Peak nach etwa drei Stunden erreicht wird und die Plasmahalbwertzeit 12 bis 18 Stunden beträgt. Abgebaut wird der Arzneistoff über die Leber.
Wie wird Doxycyclin dosiert?
Es gibt je nach Indikation orale und intravenöse Formulierungen. Ebenso unterschiedlich wie die Indikationsgebiete sind die Dosierungen. Die klassische Dosierung bei Erwachsenen mit Infektion der Atemwegen, Urogenital- oder Magen-Darm-Trakt beträgt 200 mg Doxycyclin einzeln oder aufgeteilt auf zwei Dosen am ersten Tag und 100 mg ab dem zweiten Behandlungstag (bei schweren Erkrankungen oder Personen mit einem Gewicht über 70 kg weiterhin 200 mg). Für Kinder ab acht Jahren richtet sich die Dosierung ebenfalls nach dem Gewicht. Bei eingeschränkter Nierenfunktion muss die Dosis in der Regel nicht verringert werden. Bei leichter bis mäßiger Leberfunktionsstörung sollte Doxycyclin mit Vorsicht und bei schwerer Leberfunktionsstörung gar nicht eingesetzt werden.
Welche Anwendungshinweise sind noch wichtig?
Die Therapiedauer kann je nach Indikation wenige Tage bis mehrere Monate betragen. Doxycyclin sollte zur besseren Verträglichkeit zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen werden und, da es die Speiseröhre reizen kann, am besten in aufrechter Position mit einem Glas Wasser und nicht unmittelbar vor dem Zubettgehen. Applikationsformen mit veränderter Wirkstofffreisetzung sollten morgens auf nüchternen Magen eingenommen werden. Da das Tetracyclin mit Calium- und Magnesiumionen schwerlösliche Komplexverbindungen eingeht, sollte es nicht zusammen mit entsprechenden Nahrungsergänzungsmittel und möglichst auch nicht mit oder innerhalb von zwei Stunden nach Verzehr von Milchprodukten geschluckt werden. Doxycyclin wirkt photosensibilisierend, deshalb ist unter der Anwendung ein ausreichender Sonnenschutz wichtig (Kleidung, Sonnencreme).
Wann darf Doxycyclin nicht angewendet werden?
Bei schwerer Leberfunktionsstörung, in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern unter acht Jahren ist Doxycyclin kontraindiziert. Die Anwendung kann bei Kindern zu irreversiblen Zahnverfärbungen führen. Allerdings darf es bei schwerwiegenden Erkrankungen, die sich nicht anders behandeln lassen, zum Einsatz kommen, wenn der erwartete Nutzen das Risiko überwiegt. Die Anwendung bei Acht- bis Elfjährigen ist sorgfältig zu prüfen.
Welche Nebenwirkungen können auftreten?
Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Photosensitivitätsreaktionen wie Erytheme, Hautödeme und Blasenbildung, aber auch Übelkeit, Erbrechen und Blähungen, Kopfschmerzen, Pilzinfektionen inklusive Vaginalmykosen, Hautausschläge und anaphylaktische Reaktionen. Bei Ungeborenen und Kindern sind die bereits genannten bleibenden Zahnverfärbungen mit Schmelzdefekten sowie reversible Knochenwachstumsverzögerungen zu beachten. Eine harmlose, aber sehr spezielle gelegentliche unerwünschte Wirkung ist die schwarze Haarzunge.
Welche Wechselwirkungen sind möglich?
In Kombination mit Retinoiden kann der Hirndruck steigen. Diese Kombination ist daher kontraindiziert. Doxycyclin kann darüber hinaus die Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten und Herzglykosiden verstärken. Zahlreiche weitere Interaktionen sind möglich, etwa eine Komplexbildung mit Arzneimitteln mit mehrwertigen Kationen. Keine Interaktion ist gemäß ABDA-Datenbank mit Estradiol oder Ethinylestradiol zu erwarten. Gemäß Beipackzettel kann die Wirkung hormoneller Kontrazeptiva aber eingeschränkt sein, daher sollten Frauen im gebärfähigen Alter vorsichtshalber zusätzliche Verhütungsmaßnahmen empfohlen werden.
Seit wann gibt es Doxycyclin?
Tetracycline sind Naturstoffe aus Streptomyces-Bakterien, deren antibiotische Wirkung bereits in den 1940er-Jahren erkannt wurde. Chemiker von Pfizer modifizierten diese natürlichen Substanzen und erhielten ein Molekül mit verbesserter Stabilität und Wirksamkeit: Doxycyclin. 1967 kam es erstmals in den USA auf den Markt. Es steht auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation.
Hilft Doxycyclin auch bei Covid-19?
Doxycyclin wirkt nicht antiviral und daher auch nicht gegen SARS-CoV-2. In der britischen PRINCIPLE-Studie mit 2689 Probanden wurde es bei Covid-19-Patienten ab 50 Jahren mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf erprobt. Es war eine Open-Label-Studie, bei der ein Teil der Patienten zusätzlich 200 mg Doxycyclin am ersten und dann 100 mg täglich für weitere sechs Tage bekam. Weder die Zeit bis zur Genesung noch die Rate an Hospitalisierungen und Todesfällen konnten klinisch signifikant gesenkt werden. Daher sprachen sich die Studienautoren gegen den Einsatz von Doxycyclin bei Covid-19 aus.
Strukturformel / Foto: Wurglics