Status quo und Perspektiven |
Sehr viele Diskussionen wurden in den letzten Jahren auch über die intravenös applizierbaren Eisen-III-Kohlenhydratkomplexe als NBCD beziehungsweise Nanopharmazeutika geführt (9, 10). Mittlerweile stehen verschiedene Generationen entsprechender Komplexe zur Verfügung, die sich vor allem in ihren physiko-chemischen, pharmakologischen und klinischen Eigenschaften unterscheiden (Tabelle 2).
Eisen(III)-Carboxymaltose | Eisen(III)-Derisomaltose | Ferumoxytol | Eisen(III)-Sucrose | Eisen(III)-Dextran | Eisen(III)-Gluconat | |
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Handelsname | Ferinject®(Injectafer®) | Monofer®(Diafer®) | (Feraheme®)(Rienso®) | Venofer®Fermed® (ISS) | Cosmofer®(INFeD®) | Ferrlecit® |
Verfügbare Ampullengröße | 100, 500, 1000 mg | 100, 500, 1000 mg | 100 mg | 100 mg | 40, 62,5 mg | |
max. ED i.v. | 1000 mg | 20 mg/kg | 510 mg | 200 mg** | 20 mg/kg | 62,5 (-125) mg |
Infusionsdauer | ≥15 min | ≥15 min | 15 min | 30 min** | 60 min-6 h | 10-60 min |
Molekulargewicht (kDa) | 150 | 69 | 185 | 43,3 | 103 | 37,5 |
Relative Komplexstabilität | hoch | hoch | hoch | mittel | hoch | niedrig |
Dialysierbares Eisen (%) | <0,002 | <0,002 | <0,002 | 0,057 | 0,1 | 0,789 |
Dextrangehalt bzw. dextranbasiert | nein | (nein)* | ja | nein | ja | nein |
Plasma-HWZ [h] | 7-12 | 20 | circa 15 | 6 | 5-20 | circa 1 |
* Dextrane sind als sonstige Bestandteile nicht aufgeführt. Der Nachweis einer Antidextran-Reaktivität mittels Immunodiffusionsassay wird unter Experten weiterhin kontrovers diskutiert.
** Wird die Infusionszeit auf mindestens 3,5 Stunden verlängert, beträgt die Tageshöchstdosis bei maximal wöchentlicher Anwendung 500 mg. Die Angaben der Handelsnamen in Klammern beziehen sich auf Fertigarzneimittel, die außerhalb der EU zugelassen sind.
Dabei spielt zum einen die feste Einbettung des Eisenoxidhydroxid-Kerns im Zentrum des ihn umgebenden Kohlenhydratgerüsts eine zentrale Rolle. Zum anderen ist aber auch die Wahl der Kohlenhydratzusammensetzung selbst von klinischer Relevanz, da sich hieraus unterschiedliche Inzidenzen an Überempfindlichkeitsreaktionen (Hypersensitivitätsreaktion = HSR) beziehungsweise an Hypophosphatämien nach intravenöser Eisengabe ergeben können (11–14).
Dass diese Komplexe, also zum Beispiel Fe(III)-Carboxymaltose versus Fe(III)-Derisomaltose, nicht einfach 1:1 gegeneinander austauschbar sind, ist nicht nur durch die unterschiedlichen Bezeichnungen der Internationalen Freinamen (INN), sondern auch durch die verschiedenen Studienergebnisse im Cross-over-Design nachvollziehbar. So war produktabhängig, zum Beispiel im Vergleich von Fe(III)-Carboxymaltose versus Fe(III)-Derisomaltose, eine unterschiedliche Häufigkeit an HSR und Hypophosphatämien nach intravenöser Gabe beobachtet worden (11–13).
Allerdings zeigten auch Studien mit intravenös zu applizierenden Fe(III)-Sucrose-Präparaten gleicher INN Abweichungen in der klinischen Wirksamkeit und Verträglichkeit zwischen dem Produkt eines Zweitanbieters und dem Referenzarzneimittel (Venofer®). Diese Beobachtungen erlauben die Hypothese, dass trotz der identischen chemischen Zusammensetzung unterschiedliche klinische Effekte erzielt werden können, die letztendlich auf die strukturellen Eigenschaften der Nanopartikel und deren Herstellungsprozess zurückzuführen sind und den Begriff der Iron-Sucrose-Similars (ISS) in der Fachliteratur mit sich gebracht haben. Die geäußerte Kritik an den nationalen Zulassungsverfahren für ISS ist deshalb nachvollziehbar (15, 16).
Die klinische Effektivität der Produkte lässt sich bisher nur mit der Steigerung von Hämoglobinwerten (ΔHb) oder der prozentualen Transferrin-Sättigung (ΔTSAT%) über die Zeit als Surrogatparameter erfassen, was aufgrund der inter- und intraindividuellen Schwankungsbreite dieses Surrogatparameters einer präzisen direkten Vergleichbarkeit dieser Produkte Grenzen setzt.
Eine Bioäquivalenzprüfung, das heißt pharmakokinetische Prüfung bei Bestimmung von cmax und AUC parenteraler Eisen-III-Kohlenhydratkomplexe ist wiederum nicht möglich (10). Mögliche signifikante Unterschiede in der Häufigkeit klinisch relevanter, schwerer HSR sind wiederum nur mithilfe von Megastudien bei den Dritt-Generations-Komplexen herauszuarbeiten, da entsprechende Inzidenzen bisher zwischen 0,1 bis 0,3 Prozent angegeben werden (14).
NBCD (Non-Biological-Complex-Drugs) sind synthetisch hergestellte Wirkstoffe, die aufgrund ihrer komplexen Struktur nicht vollständig physiko-chemisch charakterisierbar sind. Die pharmakologischen Eigenschaften (Pharmakokinetik und -dynamik) sind vom Herstellungsprozess und der daraus resultierenden Formulierung abhängig. Zu den parenteral applizierbaren NBCD zählen unter anderem liposomal eingebettete Arzneistoffe, Eisen-III-Kohlenhydratkomplexe und Glatiramer.
Nanopharmazeutika sind synthetisch hergestellte Wirkstoffkomplexe, die sich in ihrer Größe im nanomolaren Bereich zwischen 1 bis 100 nm bewegen, wobei die Nanodimension zur pharmakologischen Aktivität beiträgt. Aufgrund der Komplexität dieser Nanopartikel und der Schwierigkeit, sie vollständig physiko-chemisch beschreiben zu können, werden sie in der Regel als Subgruppe der NBCD klassifiziert.