Status quo und Perspektiven |
So finden sich in der Kategorie 1 der derzeit diskutierten NBCD-Klassifikation (1) das Oligopeptidgemisch Glatiramer und die intravenös applizierbaren Eisen-III-Kohlenhydratkomplexe (2) sowie das Allylamin-Polymer Sevelamer (1).
Wird »Glatirameracetat« seit mehr als 20 Jahren in der Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) als subkutane Therapie eingesetzt, so handelt es sich um ein Gemisch (Acetatsalz) aus synthetischen Polypeptiden mit L-Glutamin, L-Lysin, L-Alanin und L-Tyrosin und einem Streubereich des Molekulargewichts zwischen 4,7 und 13 kDa.
Oftmals werden Zweitanbieter aufgefordert, Ergebnisse aus Vergleichsstudien vorzulegen, die die Nicht-Unterlegenheit des NBCD gegenüber dem Referenzarzneimittel belegen. / Foto: Adobe Stock/BillionPhotos.com
Mit Glatiramer wird also eine Mischung immunogen wirksamer Polypeptide variabler Sequenz und Größe beschrieben, deren exakte Charakterisierung mit der verfügbaren State-of-the-art-Analytik nicht möglich ist. Aus diesem Grund kann nur über einen streng festgelegten Herstellungsprozess die Antigen-Homologie mit daraus resultierender klinischer Wirksamkeit und Sicherheit von Charge zu Charge gewährleistet werden (6).
Als im Jahr 2016 das Nachfolgeprodukt Clift® neben dem Referenzarzneimittel Copaxone® auf dem EU-Markt erschien, war zunächst eine gewisse Unsicherheit unter MS-Patienten hinsichtlich der Frage zu erkennen, ob die Anwendung eines Produkts eines Zweitanbieters ausreichend effektiv, verträglich und sicher sei.
Angesichts der Komplexität des Produkts war gemäß Artikel 10 (3) der Direktive 2001/83/EC allerdings im Vorfeld festgelegt worden, dass eine Zulassung von Glatiramer wie bei den Generika mit Bioäquivalenz-Prüfung an gesunden Probanden nicht zielführend ist, sodass die Vorgaben für eine Hybridzulassung anzuwenden seien.
In diesem Zusammenhang war der Zweitanbieter aufgefordert worden, die Vorgaben, wie sie bei einer Biosimilar-Zulassung zur Anwendung kommen, zu berücksichtigen. Somit musste der Zweitanbieter – im Gegensatz zu einer Generikazulassung – auch Ergebnisse einer direkten doppelblinden Phase-III-Vergleichsstudie mit dem Referenzarzneimittel Copaxone® bei MS-Patienten für die Zulassung vorlegen, die die Nicht-Unterlegenheit des NBCD über den Beobachtungszeitraum von neun Monaten belegten.
Darüber hinaus erfolgte nach Ablauf dieser Zeitspanne noch eine offene Nachbeobachtungsphase über weitere 15 Monate. Diese GATE-Studie hatte zum Ergebnis, dass das Glatiramer-haltige Arzneimittel des Zweitanbieters dem Referenzarzneimittel Copaxone® in den Endpunkten klinische Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit nicht unterlegen ist (7, 8).
Auch wenn zunächst eine direkte Austauschbarkeit möglich zu sein scheint, können weiterführende Analysen durchaus noch auf Produktdifferenzen verweisen. / Foto: Adobe Stock/yanlev
Auch wenn damit zunächst eine direkte Austauschbarkeit möglich erscheint, verweist eine Expertengruppe auf weitergehende Ergebnisse ihrer hochauflösenden Peptidanalytik, in der sie auf durchaus noch bestehende Produktdifferenzen zwischen den Chargen des Produkts des Zweitanbieters und dem Referenzarzneimittel hinweist. Diese können aus ihrer Sicht immunologisch relevante Unterschiede unter anderem hinsichtlich der STAT-5-Signaltransduktion via Interleukin-2- beziehungsweise TNFα-Stimulation mit sich bringen (7, 9).
Die endgültige Bewertung einer möglichen klinischen Relevanz dieser In-vitro-Befunde würde allerdings eine sehr hohe Patientenzahl mit einer deutlich längeren Behandlungsdauer notwendig werden lassen. Aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, wenn Experten hier von einem »Nanosimilar« anstelle von einem »NBCD-Generikum« sprechen, da eine 100-prozentige Übereinstimmung der komplexen Produkte praktisch nicht erreicht werden kann (1–5).