Spahn: Apotheker sollen Antigentests an Patienten abgeben |
Ev Tebroke |
05.12.2020 10:00 Uhr |
Live aus dem Apothekerhaus: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Gespräch mit ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Moderation: Gregor Waschinski vom »Handelsblatt« (links). / Foto: PZ/Screenshot
Die Coronavirus-Pandemie hat die Arzneimittelversorgung auf die Probe gestellt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zog im Gespräch mit ABDA-Präsident Friedemann Schmidt am Freitagabend im Live-Talk aus der ABDA-Reihe »Lass uns reden« ein Resumée: Es gebe viele gute Errungenschaften in der Krise. Und für die Apotheken stünden weiteren Herausforderungen an.
Es geht um die Verteilung der FFP2-Masken an die Risikogruppen und die Versorgung mit Antigentests. Auch bei den anstehenden Impfungen gegen das Coronavirus setzt Spahn ausdrücklich auf die Apotheker. Als niedrigschwellige Anlaufstellen könnten sie mithelfen, in der Bevölkerung die Impfbereitschaft zu erhöhen und eine positive Grundstimmung zu schaffen. Auch unterstrich Spahn die organisatorische Rolle der Pharmazeuten bei der Verteilung der Impfdosen.
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt betonte, er erwarte von den Kollegen Einsatz für das Impfen. »Das tun wir jetzt bei der Grippeimpfung, das werden wir auch bei Covid-19 tun.« Zunächst werde es einen Engpass an Impfstoffen geben, sodass die Apotheker bei der Priorisierung in Impfzentren unterstützen werden. Im nächsten Jahr werde die Mitwirkung bei der Verteilung die klassische Bereitstellung für die Praxen sein.
Selbst Impfungen anbieten sollen die Apotheken nicht, das stellte Minister Spahn eindeutig klar. »Das sehe ich nicht bei einem neuen Impfstoff.« Es gehe ja nicht nur um den Impfvorgang, sondern auch um die Anamnese. Gerade bei einem neuen Impfstoff sei es für das Vertrauen der Patienten wichtig, dass es unter ärztlicher Aufsicht geschieht, so der Minister. Schmidt ergänzte mit Bezug auf die Modellvorhaben zur Grippeimpfung, dass es dort die Aufgabe der Apotheker sei, die Durchimpfungsrate zu erhöhen. »Ich hoffe, dass wir das bei Covid-19 nicht nötig haben«, so der ABDA-Präsident.
Angesprochen auf die schleppende Versorgung mit Grippeimpfstoffen sagte Spahn, der Bund könne auch nur das ausliefern, was er vorbestellt habe. Er könne nicht wirklich glauben, dass die 26 Millionen Impfdosen tatsächlich schon alle verimpft seien. »Wir müssen schauen, dass wir jetzt regional flexibel steuern.« Im vergangenen Jahr habe der Bund über eine Notstandsregelung Impfdosen aus dem Ausland bestellt, sei dann aber auf 4 Millionen Impfdosen sitzen geblieben, weil von den 18 Millionen nur 14 Millionen verimpft worden seien. Schmidt zeigte sich jedoch sehr unzufrieden mit der aktuellen Problematik bei den Grippeimpfstoffen. »Den Prozess der Bedarfsermittlung und Abdeckung gilt es unbedingt zu optimieren«, forderte er.
Ein weiteres Thema war die Bereitstellung der FFP2-Masken für Risikopatienten. Demnach sollen die Apotheken laut Spahn an rund 30 Millionen Patienten je 15 solcher Masken kostenlos abgeben. Wie soll das gehen, fragen sich die Apotheker. Und wie kann man einen drohenden Ansturm auf Apotheken wie in Bremen verhindern? Spahn räumte ein, die Planung sei in der Tat ein »ziemlich komplexes Unterfangen«. Die Planungen dazu liefen, aber er wolle noch keine Details nennen. »Ich möchte das erst rund haben.« Klar ist: Einen Andrang auf die Apotheken werde man nicht verhindern können. »Es wird einen Ansturm geben«, so der Minister. Die Briefe der Krankenkassen an die Risikopatienten, die über die Abholung informieren, würden in Wellen kommen.
»Die Verteilung der Masken ist eine echte Herausforderung«, so Schmidt. »Wie sollen wir die Anspruchsberechtigung nachprüfen?«, fragte der ABDA-Präsident. Auch müssten die Apotheken jederzeit auf rechtlich sicherem Terrain sein, forderte er. Das BMG müsse die Qualität der Masken sicherstellen und klarstellen, welche Masken abgegeben werden dürften.
Ein weiteres offenes Kapitel ist die Verteilung der Antigentests über Apotheken an Schulen und Kitas, die das BMG aktuell per Verordnung zum 4. Dezember ermöglicht hat. Wie könne die richtige Anwendung sichergestellt werden? Spahn verwies auf ein Modellprojekt mit Videoschulung in Hessen. »Das läuft sehr gut.« Es sei darum gegangen, den Schulen ein Angebot zur Selbsttestung zu machen. Daraus folgerte der Minister, auch die Apotheken könnten doch Selbsttests anbieten. Schmidt widersprach: Rechtlich seien sie nicht berechtigt, Tests abzugeben beziehungsweise durchzuführen. In der Tat ist es richtig, dass es derzeit mehrere rechtliche Vorgaben verbieten, dass Apotheker Tests auf das meldepflichtige Coronavirus an Endverbraucher abgeben.
Doch der Minister will das anscheinend ändern. Er bekomme da eine unterschiedliche Einschätzung aus seinem Ministerium. »Wenn Apotheken ein Angebot machen wollen, sollte auch in der Offizin ein solcher Test möglich sein, durch entsprechend geschultes Personal«, so Spahn. Verordnungen könnten dementsprechend angepasst werden. Schmidt stellte klar, dass aber nicht alle Apotheken dazu verpflichtet werden sollten. »Wer das möchte, soll das machen können. Aber nicht per se alle Apotheken.«
Was die bisherigen Erfahrungen aus der Krise betrifft, so lobte Spahn die Zusammenarbeit mit den Apothekern und ihren großen Einsatz. Mit Blick auf die im Zuge der Pandemie-Regelungen getroffenen Erleichterungen bei der Abgabe von Rabattarzneimitteln sicherte er zu, eine mögliche Beibehaltung dieser apothekerlichen Freiheit beim Arzneimittelaustausch zu prüfen. »Da bin ich offen.« Das Ziel der Rabattverträge, die Einsparung von Arzneimittelkosten, dürfe darunter nicht leiden. Es gelte nun zu prüfen, ob und inwiefern diese gelockerten Regelungen das Einsparpotenzial negativ beeinflussen.
Was die Verstetigung der Botendienst-Vergütung betrifft, so betonte Spahn erneut, die Chance für die Apotheke vor Ort im Vergleich zum Versandhandel. »Ein gut gemachter Botendienst ist immer eine Besserstellung gegenüber dem Versand.« In Kombination mit dem E-Rezept sei das ein unschlagbares Konzept, unterstrich auch Schmidt.
Und wie sieht es generell aus mit den neuen Konzepten, die im Zuge der Digitalisierung drohen, den Patientenschutz zu erodieren? Eines der diskutierten Beispiele war am gestrigen Freitagabend die Übernahme des deutschen Unternehmens Teleclinic durch die Zur-Rose-Gruppe. Spahn sagte mit Blick auf die rechtlichen Grauzonen dazu: »Wenn es eine Grenzüberschreitung gäbe, dann gäbe es auch die gesetzlichen Maßnahmen, das zu ahnden.« Er sehe hier eher die Sorge, als ein tatsächlich gegebenes Vergehen gegen geltendes Recht. Schmidt sieht aber durchaus auch eine Gefahr, das bestehende Strukturen im Zuge der Digitalisierung erodieren könnten. Durch die Europäisierung werde es möglich sein, dass auch deutsche Patienten digitale Dienstleistungen anderer Länder in Anspruch nehmen. Da seien die Regeln dann anders. Er erinnerte daran, dass Zur-Rose-Chef Walter Oberhänsli erst kürzlich die Trennung zwischen Verordnern und abgebenden Apothekern in Frage stellte. Spahn hielt dagegen: »Wen interessiert denn, was Walter Oberhänsli sagt.«
Auch was die Beteiligung der Zur-Rose-Tochter E-Health-Tec am Aufbau des deutschen E-Rezept-Fachdienstes betrifft, sieht Spahn keinen Interessenkonflikt. Die Gematik sei den gegebenen vergaberechtlichen Weg gegangen. Er verstehe die Sorge und die alarmisierende psychologische Wirkung solcher Aspekte. Aber er betonte: »Ich habe ein sehr großes Interesse daran, dass das E-Rezept eine hohe Akzeptanz bei den Apothekern hat, dass es ein großes Vertrauen gibt, mitzumachen. Mir ist wichtig, dass die Dinge rechtlich klar sind. Deshalb haben wir auch in mehreren Gesetzen geregelt, dass das Makelverbot auch gilt.«
Bei dem Talk-Format »Lass uns reden« lädt die ABDA Politiker und Experten zum Gespräch, um wichtige aktuelle Themen zu beleuchten. Den Anfang der Reihe, die am gestrigen Freitag zum zweiten Mal stattfand, hatte kürzlich CDU-Gesundheitspolitikerin Karin Maag (CDU) gemacht. Sie diskutierte mit DAV-Chef Fritz Becker über die Ausgestaltung und Umsetzung des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes (VOASG).