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Berliner Runde

Sollte die Pharmaindustrie auf Gesundheitsdaten zugreifen?

Die Ampelkoalition will bald ein Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz präsentieren. Darin wird es auch um die wissenschaftliche Nutzung der Daten gehen. Welche Rolle die Pharmaindustrie dabei spielt und welche Hürden es auf EU-Ebene gibt, war Teil der Diskussion bei der Berliner Runde, zu der am gestrigen Dienstag der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) eingeladen hatte.
Jennifer Evans
23.11.2022  10:30 Uhr
Sollte die Pharmaindustrie auf Gesundheitsdaten zugreifen?

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) arbeitet bereits intensiv an einem Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz (GDNG). Die PZ hatte bereits darüber berichtet. Die Frage, wie weit das Ministerium damit genau ist, wollte keiner der Diskussionsteilnehmer bei der Berliner Runde am gestrigen Dienstag so recht beantworten. Von Maximilian Funke-Kaiser (FDP), Mitglied im Gesundheitsausschuss und digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, hieß es lediglich: »frühzeitig im nächsten Jahr«. Im GDNG wird es zunächst darum gehen müssen, eine solide nationale Infrastruktur zu schaffen, die deutschen Daten zu harmonisieren, auffindbar zu machen und Mechanismen für den Zugriff zu gestalten. Erst dann kann eine Vernetzung auch EU-weit funktionieren.

Zum Hintergrund: Die Europäische Union will die Versorgung, die Forschung und die Interoperabilität der nationalen Gesundheitssysteme ihrer Mitgliedstaaten verbessern, indem sie den sogenannten European Health Data Space (EHDS) einrichtet. Jeder EU-Bürger soll künftig über die Landesgrenzen hinweg Gesundheitsdienstleistungen erhalten können – also auch seine Rezepte im EU-Ausland einlösen können. Dazu muss zunächst jeder Mitgliedsstaat selbst regeln, wie er im eigenen Land vorgeht, damit die Daten strukturiert und interoperabel auch für den grenzüberschreitenden Austausch parat stehen.

Viel Einigkeit in der Politik

Zwischen den Regierungsparteien und der Opposition herrsche – was die Strukturfragen angeht – viel Übereinstimmung, sagte Erwin Rüddel (CDU), Mitglied des Gesundheitsausschusses und Experte für Digital Health der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Mit Blick auf die Vorteile der Datennutzung hat Deutschland seiner Ansicht nach kein Technik- oder Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Insbesondere kritisierte er, dass die Selbstverwaltung »die Schritte nicht mitgeht.« Rüddel hofft nun, dass der Bundesgesundheitsminister mutig genug ist, endlich einmal durchzugreifen und sich von der Selbstverwaltung nicht mehr so »einbremsen lässt wie bisher«. Auch die ABDA hatte zu den EU-Plänen zum EHDS zuletzt Position bezogen. Ihr zentraler Kritikpunkt war, dass die geplanten Offenlegungspflichten sich womöglich nicht mit der Schweigepflicht der Heilberufler vereinbaren lassen.

Funke-Kaiser begründete die Notwenigkeit für ein GDNG damit, dass hierzulande allein die Freiwilligkeit zur Datenspende nicht mehr ausreiche. Immerhin habe Deutschland in der Coronavirus-Pandemie stark von ausländischen Daten profitiert, nun müsse man ebenfalls welche liefern. Der Gedanke des EHDS basiere schließlich unter anderem auf dem Prinzip von Geben und Nehmen und es handele sich daher um ein weltweites Gerechtigkeitsthema. Grundsätzlich unterscheidet die EU zwischen einer Primärnutzung der Daten, etwa für E-Patientenakten, Medizinprodukte oder Hochrisikosysteme, sowie einer Sekundärnutzung, bei der die Informationen in anonymisierter beziehungsweise pseudonymisierter Weise in einem vertrauenswürdigen und vernetzten Umfeld für Forschung, Innovation und Politikgestaltung eingesehen werden können.

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