Schutz vor dem Gesang der Sirenen |
Werbeplakat von 1928 / Foto: Ohropax GmbH, Wehrheim
Negwer, als Sohn eines schlesischen Bauern in Hemmersdorf (heute Ożary) geboren, begann nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums in Neiße in der Adler-Apotheke Patschkau (Paczków) seine pharmazeutische Ausbildung (1). Nach der Konditionszeit studierte er in München Pharmazie, wo er ab 1896 bei dem Apotheker und Professor Albert Hilger (1839 bis 1905) studierte, der sich neben der Pharmazie intensiv mit Lebensmittelchemie beschäftigte (2). Negwer besuchte auch Vorlesungen bei dem legendären Chemiker Adolf von Baeyer (1835 bis 1917) (3). Nach bestandener Prüfung 1898 war er in verschiedenen Apotheken, auch im Ausland, tätig, ging aber 1900 nach Berlin (4).
Da es aufgrund der Niederlassungsbeschränkung schwierig war, eine Apotheke zu erwerben, eröffnete Negwer am 18. Oktober 1901 in Berlin-Kreuzberg in der Neuenburger Straße 42, eine Drogerie. Karrieren als Apothekerdrogist waren damals nicht selten (5) und Negwer entwickelte hier dank seiner pharmazeutischen Kenntnisse eigene Produkte, die er selbst herstellte. Neben den üblichen Drogerieartikeln waren dies »Negwer-Bonbons« gegen Husten, das Wunder-Fleckenwasser »Helgalin«, Hustensaft sowie pharmazeutische und kosmetische Rezepturen (6).
Der 36-jährige Apotheker und Ohropax-Erfinder, Maximilian Negwer / Foto: Foto: Ohropax GmbH, Wehrheim
Solche Produkte wurden aber auch von anderen Drogisten hergestellt. Auf der Suche nach einem »Kassenschlager« ließ sich Negwer, der aus der schlesischen Provinz kam, vom Großstadtlärm in Berlin, der zu gesundheitlichen Problemen führen konnte, inspirieren und suchte nach einem Mittel, das die Ohren schützen konnte. Bereits 1885 war mit Antiphon eine Apparatur mit Hartgummikugeln und Haltebügeln auf den Markt gebracht worden. Allerdings fielen die Kugeln während des Schlafs häufig aus den Ohren.
Als Schüler eines humanistischen Gymnasiums erinnerte sich Negwer an Homers Schilderungen über die Irrfahrten des Odysseus, der, um nicht mit dem Boot an den Felsen zu zerschellen, seine Gefährten vor dem Gesang der Sirenen schützte. Gemäß dem Rat der Zauberin Kirke verschloss er ihnen die Ohren mit geschmolzenem Wachs. Da bei Anwendung von Wachspfropfen geschmolzenes Wachs aus den Ohren lief, entwickelte Negwer eine Mischung aus Paraffin, Vaseline, Baumwolle und Kosmetikfarbstoff und formte daraus Wachskügelchen für die Ohren. Je drei oder sechs Paare wurden in gelbbraune Blechdosen verpackt und gelangten erstmals 1908 unter dem Namen Ohropax auf den Markt. Der Name ergab sich aus dem deutsch-lateinischen »Ohro-pax« = Ohr-frieden. Für eine Goldmark konnte man es in Kaufhäusern und Sanitätsgeschäften erwerben (7). Negwer hatte bereits 1907 eine Firma in der Bülowstraße 56 in Berlin-Schöneberg gegründet. Das dafür erforderliche Kapital stammte aus dem Verkauf seiner Drogerie. Die kleine Fabrik befand sich in einem Hinterhaus in der dritten Etage und umfasste circa 76 m2 (8).