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Etwa 30 Prozent aller Deutschen klagen über Allergien mit Symptomen von verstopfter Nase, Hautrötungen bis Quaddeln. Die Auslöser reichen von Blütenpollen über Chemikalien, Tierhaare, Hausstaubmilben bis hin zu Nahrungsmitteln und Arzneimitteln. Laut einer Studie in der Schweiz kommt es bei 1,6 von 100.000 Einwohnern pro Jahr nach Medikamentenapplikation zur anaphylaktischen Reaktion (9). Dabei werden allergische Reaktionen häufiger von topisch oder parenteral applizierten Medikamenten ausgelöst als von Peroralia wie Tabletten oder Saft (10).
Doch das Immunsystem ist nicht bei allen Überempfindlichkeitsreaktionen beteiligt, auch wenn sich die Symptome oft ähneln. So können bei empfindlichen Menschen Nahrungsmittel mit hohen Mengen an Histamin (Beispiele: Tomaten, Emmentaler Käse, Thunfisch, Salami), Serotonin (Beispiel: Bananen) oder Tyramin (Beispiel: Schokolade, Käse) eine Pseudoallergie auslösen, die einer Histamin-Ausschüttung von Mastzellen ähnelt.
Allergien beruhen auf einer immunologischen Reaktion gegen ein Antigen, zum Beispiel Gräserpollen. / Foto: Adobe Stock/galitskaya
»Echte« Allergien beruhen auf einer immunologischen Reaktion gegen ein Antigen. Dabei erfolgt in einer – oft unbemerkten – Erstexposition die Sensibilisierung für das Antigen. Bei späterer erneuter Exposition kommt es zur überschießenden Immunreaktion. Die echten Allergien werden nach Coombs und Gell in vier Typen eingeteilt: Die ersten drei beruhen auf der Bindung von Antigen und Antikörper (Immunglobuline IgE oder IgG) des angeborenen Systems; der vierte Typ wird von T-Zellen vermittelt und ist damit dem adaptiven Immunsystem zuzuordnen (11).
Die häufigste Form ist die Typ-I-Allergie: eine sehr schnelle Reaktion innerhalb von wenigen Minuten bis maximal einer Stunde nach Exposition (Soforttyp-Allergie). Auslöser sind unter anderem Blütenpollen, Hausstaubmilben und Insektengifte, aber auch Arzneimittel wie Insulin, Chlorhexidin, Adrenocorticotropes Hormon (ACTH) und Penicillin. Die Reaktion beruht auf der Bindung von IgE-Antikörpern an IgE-Rezeptoren auf Mastzellen, die eigentlich an der Abwehr von Parasiten beteiligt sind. Daraufhin wird aus den intrazellulären Vesikeln (Granula) der Mastzellen massiv Histamin freigesetzt, das an Histamin-Rezeptoren bindet und die Produktion von Entzündungsmediatoren anstößt. In der Folge kommt es zur Vasodilatation und Einwanderung von Entzündungszellen auch des adaptiven Immunsystems. Weitere Folgen sind Schleimbildung, Ödeme, Juckreiz und Blutdruckabfall, der bis zum Kreislaufschock führen kann.
Auch eine Typ-II-Allergie (zytotoxische Allergie) tritt schon Minuten nach Exposition mit dem Antigen auf. Dabei bilden sich Immunkomplexe zwischen Antikörpern und Antigen, die das Komplementsystem und NK-Zellen aktivieren. Beispiele sind die allergische Thrombozytopenie sowie die Medikamenten-induzierte allergische Agranulozytose (schwere Neutropenie) als Nebenwirkung beispielsweise bei Analgetika wie Metamizol oder Thyreostatika wie Carbimazol.
Bei der Typ-III-Allergie (Arthus-Typ-Allergie) kommt es etwas verzögert nach einigen Stunden bis Tagen zur Bildung von Immunkomplexen, die die Komplementkaskade aktivieren und einen Gewebeschaden nach sich ziehen. Beispiele sind allergische Vaskulitiden und die Serumkrankheit.
Dagegen ist bei der Typ-IV-Allergie maßgeblich das adaptive Immunsystem beteiligt (Allergie vom verzögerten Typ). Dabei werden erst Stunden bis Tage nach Antigenkontakt T-Zellen aktiviert, die eine zellvermittelte Reaktion auslösen. Hierzu kommt es beispielsweise beim allergischen Kontaktekzem, bei der Tuberkulin-Reaktion auf Antigene des Tuberkulose-Erregers, der Transplantatabstoßung oder beim Arzneimittel-bedingten Stevens-Johnson-Syndrom (SJS).