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Angeborenes Immunsystem

Schnell und effektiv in der Erregerabwehr

Bakterien, Viren, Pollen und Co: Andauernd ist der Organismus mit Krankheitserregern und Fremdstoffen konfrontiert. Das Immunsystem ist in der Regel gut dagegen gewappnet und die Eindringlinge werden oft schon Minuten nach dem Kontakt unschädlich gemacht. In vorderster Linie ist das angeborene Immunsystem aktiv.
Eva Gottfried
20.09.2020  08:00 Uhr

Als Teil des lymphatischen Systems ist das Immunsystem über den gesamten Körper in Blut, Lymphe und Gewebe verteilt. Formal wird es in das angeborene unspezifische und das adaptive spezifische System eingeteilt, auch wenn diese nicht getrennt nebeneinanderstehen, sondern auf verschiedenen Ebenen deutlich verzahnt sind.

Die Entwicklung des Immunsystems beginnt bereits ab der 4. Schwangerschaftswoche im Fötus, wenn sich zuerst die Zellen des angeborenen Systems und ab der 7. oder 8. Woche die des adaptiven Systems bilden. Bis zum Zeitpunkt der Geburt sind die einzelnen Komponenten allerdings nicht komplett entwickelt und die Funktionen teils noch eingeschränkt (1). Lebenslang werden dann verschiedene Zellpopulationen im Knochenmark und Thymus aus hämatopoetischen Stammzellen gebildet und für ihre Arbeit vorbereitet.

Ob Mikroorganismen wie Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten es überhaupt schaffen, über die mechanische Barriere der Haut und Schleimhäute in den Organismus einzudringen, hängt einerseits von der Pathogenität und Virulenz der Erreger, andererseits von der Empfänglichkeit des Wirts, hier des menschlichen Körpers, ab.

Die erste schnelle Antwort auf Eindringlinge übernimmt das angeborene Immunsystem mit seinen zellulären und löslichen (humoralen) Komponenten in Blut und Gewebe (Tabelle 1). Innerhalb von Minuten steht ein ganzes Arsenal von Abwehrmechanismen mit »Fresszellen« wie Granulozyten und Makrophagen, natürlichen Killerzellen (NK-Zellen), Komplementproteinen und anderen löslichen Mediatoren zur Verfügung. Wenn der Eindringling damit nicht beseitigt werden kann, wird das adaptive Immunsystem hinzugeschaltet, das im Kontakt mit Fremdantigenen darauf getrimmt wird, ganz gezielt vorzugehen.

Angeborenes / unspezifisches Immunsystem Adaptives / spezifisches Immunsystem
Zellen
Makrophagen
Granulozyten
natürliche Killerzellen
Mastzellen
T-Zellen
B-Zellen
dendritische Zellen
humorale Faktoren
Hydrolasen (Beispiel: Lysozym)
Peroxidasen, Proteasen
Oxidanzien (Wasserstoffperoxid, Sauerstoffradikale)
antimikrobielle Peptide (Defensine, Cathelicidine)
Zytokine (Beispiele: TNF-α, IL-6, IL-1β)
Chemokine (Beispiel: IL-8)
Perforin
Histamin
Komplementfaktoren
Akut-Phase-Proteine
Antikörper
Zytokine
Chemokine
Perforin
Granzyme (Proteasen)
Antikörper
Tabelle 1: Komponenten des Immunsystems

Dies bedeutet allerdings nicht, dass das angeborene Immunsystem wahllos gegen alles reagiert; auch hier gibt es eine Reihe von Erkennungsmechanismen, die es ermöglichen, schnell und effektiv auf Eindringlinge zu reagieren.

Entzündungsreaktion

Sei es eine Rhinitis, eine Enteritis oder eine infizierte Wunde: Das finale Ziel einer Entzündungsreaktion (Inflammation) ist es, Eindringlinge und Fremdstoffe zu beseitigen, ihre Ausbreitung zu verhindern und die Gewebehomöostase wiederherzustellen. Das Entzündungsgeschehen ist ein komplexer Prozess, an dem Antikörper, Entzündungsmediatoren und Immunzellen beteiligt sind.

An vorderster Front stehen sogenannte Fresszellen wie neutrophile Granulozyten und Makrophagen, die im Knochenmark gebildet werden und in Blut und Gewebe zirkulieren. Erhöhte Werte von Granulozyten und Monozyten (die im Blut zirkulierenden Vorläufer der Makrophagen) in einer Blutprobe deuten auf eine Infektion hin. Es gibt drei Typen von Granulozyten: Neutrophile Granulozyten sind auf die Abwehr von Bakterien spezialisiert, eosinophile auf Parasitenbefall. Eosinophile sowie basophile finden sich besonders bei IgE-vermittelten Allergien.

Sobald Monozyten ins Gewebe einwandern, differenzieren sie zu Makrophagen, die eine ausgezeichnete Fähigkeit zur Phagozytose haben, das heißt besonders gut Fremdmaterial aufnehmen können. Stoßen sie auf Bakterienbruchstücke, senden sie Mediatoren wie Zytokine und Chemokine aus, die Granulozyten zum Infektionsherd locken und aktivieren (Abbildung 1). Diese setzen Enzyme wie Lysozym und Proteasen sowie Oxidanzien aus ihren Vesikeln (Granula) frei, wodurch die Erreger zerstört und im Anschluss phagozytiert, also regelrecht »aufgefressen« werden – daher auch die Bezeichnung »Fresszellen« (Phagozyten).

Doch wie erkennen Granulozyten und Makrophagen die Pathogene und greifen nicht fälschlicherweise gesunde körpereigene Zellen an? Hierzu tragen sie auf ihrer Oberfläche sogenannte Mustererkennungsrezeptoren (PRR, Pattern Recognition Receptors) wie Toll-like-Rezeptoren (TLR), Scavenger-Rezeptoren und C-Typ-Lektin-Rezeptoren, die spezielle Zucker-, Protein- und Lipidmoleküle auf Mikroorganismen erkennen.

Bei diesen Pathogen-assoziierten molekularen Mustern (PAMP, Pathogen-associated molecular patterns) handelt es sich um Moleküle wie Lipopolysaccharid (LPS), Flagellin und Muramyldipeptid aus der Bakterienmembran. Auch für Bakterien-DNA gibt es Rezeptoren (Abbildung 2). Außerdem reagieren die Fresszellen auf Bruchstücke defekter Körperzellen, wie sie bei einer Gewebeverletzung entstehen. Die Erkennungsstrukturen hierfür werden als DAMP (Damage-associated molecular patterns) bezeichnet.

Wenn PAMP-Moleküle der Erreger an die passenden Rezeptoren auf der Oberfläche der Phagozyten binden, werden in den Zellen Signalkaskaden und Multiproteinkomplexe (Inflammasom) aktiviert. Enzyme wie Caspasen bauen die DNA und Proteine der aufgenommenen Bakterien- und Zellbruchstücke ab. Außerdem werden Transkriptionsfaktoren wie NF-κB (Nuclear Factor kappa B) aktiviert, die die Produktion von Zytokinen und weiteren Mediatoren anstoßen und so die Entzündungsreaktion antreiben (Abbildung 2, unten). Angesichts der Bedeutung dieser Mechanismen und Signalwege für die Immunabwehr erhielten die Wissenschaftler Ralph M. Steinman, Bruce A. Beutler und Jules A. Hoffmann im Jahr 2011 für ihre Entdeckungen den Nobelpreis für Physiologie und Medizin.

Inzwischen ist eine ganze Reihe von Substanzen bekannt, die TLR-Subtypen aktivieren oder hemmen. Diese werden für die Therapie von Infektionen, Allergien, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, Krebs oder als Adjuvanzien für Impfstoffe entwickelt und teils schon angewendet. So wird beispielsweise der TLR-7-Ligand Imiquimod beim Basalzellkarzinom eingesetzt und TLR-4-bindende Substanzen sind als Adjuvanzien für Hepatitis-B-Impfstoffe zugelassen (2).

Komplementfaktoren unterstützen Phagozytose

Unterstützung bei der Erkennung von Erregern erhalten Phagozyten durch die Komplementfaktoren im Blut (Abbildung 1, Mitte rechts). Diese Proteine können an Immunkomplexe binden, die sich in der Schleimhaut bilden, wenn dort lauernde Antikörper Fremdkörper (Antigen) binden. Die kaskadenartige Aktivierung verschiedener Proteine führt letztlich zur Bildung eines Membranangriffskomplexes, dessen Proteasen das Pathogen zerstören. Alternativ können die Komplementproteine auch Pathogene direkt markieren (opsonisieren), sodass sie von Makrophagen besser erkannt und phagozytiert werden können.

Komplementfaktoren steigern zudem die Gefäßpermeabilität. In der Folge können mehr Immunzellen, auch des adaptiven Immunsystems, ins Gewebe einwandern und das Entzündungsgeschehen vorantreiben.

Für die Diagnostik wichtige Komplementfaktoren sind C3 und C4. Diese zählen zu den Akut-Phase-Proteinen, deren etwa 30 Mitglieder bei Infektionen und Verletzungen von der Leber produziert werden und innerhalb von sechs bis 48 Stunden nach Infektion als Entzündungsmarker im Blut nachweisbar sind. Zu den Akut-Phase-Proteinen zählen unter anderem das C-reaktive Protein (CRP), das das Komplementsystem aktiviert, Fibrinogen, das die lokale Thrombusbildung zum Verschluss einer Wunde fördert, und Alpha-1-Antitrypsin, das als Proteasehemmer die Gewebezerstörung begrenzt.

Nach neueren Forschungsergebnissen scheinen auch Thrombozyten (Blutplättchen) die schnelle Immunantwort zu unterstützen, indem sie ins Gewebe einwandern und dort Bakterien bündeln. Dadurch können diese von neutrophilen Granulozyten besser entsorgt werden (3).

Antimikrobielle Peptide

Auch antimikrobielle Peptide (AMP) wie Defensine und Cathelicidine sind Effektoren des angeborenen Immunsystems (Abbildung 1, unten). Sie werden besonders von neutrophilen Granulozyten und Epithelzellen freigesetzt, teils andauernd, teils auf einen Stimulus hin.

Antimikrobielle Peptide zählen zu den evolutionsbiologisch sehr ursprünglichen Mechanismen zur Abwehr von »Feinden« und werden auch von Insekten und sogar Pflanzen produziert. Sie haben ein breites Wirkungsspektrum von Bakterien, Pilzen bis zu Einzellern und wirken einerseits zytolytisch, indem sie die Membran von Mikroorganismen angreifen; andererseits beeinflussen sie die Entzündungsreaktion direkt. Untersucht wird derzeit, welche Rolle das Fehlen von Defensinen bei der Entstehung pulmonaler Erkrankungen wie Pneumonie, Asthma bronchiale oder chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) sowie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa spielt (4).

Bei all den einzelnen Mechanismen und Faktoren darf nicht vergessen werden, dass es sich nicht um singuläre Aktionen, sondern um ein wohlreguliertes System handelt, das auch mit dem Mikrobiom, der Gesamtheit der den Körper natürlich besiedelnden Mikroorganismen, zusammenwirkt (5).

Inflammation muss begrenzt bleiben

All die beschriebenen Mediatoren, Zellen und Mechanismen führen letztlich zu den Symptomen einer Entzündung, die per se positiv wirken. So kommt es durch erhöhte Gefäßpermeabilität zur stärkeren Durchblutung des Gewebes und dem Austritt von Blutplasma ins Gewebe mit Rötung, Ödem und Erwärmung am Ort der Entzündung.

Durch diese mechanischen und thermischen Reize werden auch Nozizeptoren aktiviert, die als Sinneszellen auf potenziell schädliche Reize reagieren, was als Schmerz wahrgenommen wird. Der Blutfluss wird verlangsamt und weitere Zellen, auch des adaptiven Immunsystems wandern ins Gewebe ein.

Die freigesetzten Zytokine wie TNF-α, Interleukin-1 (IL-1) und IL-6 zählen zu den endogenen Pyrogenen, die Fieber auslösen, indem sie die Thermokontrolle im Hypothalamus des Gehirns beeinflussen.

Damit die Reaktion nicht überschießt, werden Lipidmediatoren wie Resolvine, Protektine und Maresine zugeschaltet, die aus Omega-3-Fettsäuren gebildet werden. Sie begrenzen die Invasion der Granulozyten und tragen zur Beseitigung der abgestorbenen Zellen bei, damit die Entzündung lokal und zeitlich begrenzt bleibt (6).

Alarmstufe Rot: von der Entzündung zur Sepsis

Lebensbedrohlich wird es, wenn bei einer massiven Infektion mit hoher Erregerzahl die Reaktion auf den gesamten Körper übergeht und es zu einer Sepsis (Blutvergiftung) kommt. Die Grunderkrankungen sind vielfältig: von Lungenentzündung, Infektionen des Magen-Darm- oder Urogenitaltrakts, der Haut- und Weichteilgewebe sowie des zentralen Nervensystems bis zu Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRSA) bei Patienten mit Katheterversorgung.

Durch die massive Freisetzung von Entzündungsmediatoren beim sogenannten Zytokinsturm kommt es zu ausgeprägter Gefäßerweiterung (Vasodilatation) mit massiv erhöhter Gefäßpermeabilität, was zu Volumenmangel innerhalb der Gefäße und damit zur Hypotonie führt. Dabei kann es zu Organschäden sowie Multiorgan- und Kreislaufversagen (septischem Schock) kommen, was eine Intensivbehandlung erfordert.

Bei einer Sepsis sind nicht nur das angeborene und das adaptive Immunsystem beteiligt, sondern es kommt auch zu einer komplexen Interaktion zwischen dem Immunsystem und dem Gerinnungssystem. Die Therapie erfolgt durch Kreislaufstabilisierung, Volumenkontrolle und Antibiotikagabe.

Ein erhöhtes Risiko für eine Sepsis haben Früh- und Neugeborene, Menschen in höherem Alter und Patienten mit einem geschwächten Immunsystem, beispielsweise aufgrund von chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Krebs oder HIV. Etwa 25 bis 45 Prozent der Patienten mit einer Sepsis versterben, weshalb diese immer als Notfall zu behandeln ist (7).

Virenattacke

Doch was geschieht bei einer Virusinfektion? Viren infizieren Zellen, indem sie in diese eindringen; somit liegen sie nicht »offen« im Gewebe, sodass sie nicht einfach von Granulozyten und Makrophagen erkannt und phagozytiert werden können. Auch für diesen Fall ist im Immunsystem vorgesorgt: Sogenannte dendritische Zellen werden aktiv.

Wenn Viren Zellen befallen, vermehren sie sich darin und bringen die Zellen zum Platzen (Zell-Lyse), wodurch sie sich ausbreiten. Hier greifen dendritische Zellen ein, die Bruchstücke der geplatzten Zellen phagozytieren. Sie verdauen dabei auch Viruspeptide und »präsentieren« diese den T-Zellen des adaptiven Immunsystems. Diese können dann gezielt die infizierten Zellen abtöten und so die Virusvermehrung stoppen. Dendritische Zellen stehen damit an der Schwelle zwischen dem angeborenen und dem adaptiven Immunsystem; sie werden auch Antigen-präsentierende Zellen genannt.

Allerdings gibt es auch Viren, die der Abwehr der T-Zellen entgehen können. An dieser Stelle springen die natürlichen Killerzellen des angeborenen Immunsystems ein, die insbesondere gegen Herpesvirus-infizierte Zellen vorgehen. Zu den durch Herpesviren ausgelösten Krankheiten zählen neben Lippen- oder Genitalherpes auch Windpocken, Gürtelrose, Pfeiffersches Drüsenfieber und verschiedene Krebserkrankungen. Die Aktivität der NK-Zellen wird wiederum durch Interferone und Zytokine gesteuert, die von Makrophagen freigesetzt werden. Im Zytoplasma der NK-Zellen befinden sich zahlreiche kleine Vesikel (Granula), die Proteasen und Perforin, ein Membranporen-bildendes Protein, enthalten. Werden diese freigesetzt, zerstören sie Zellmembranen und führen so zum Absterben der infizierten Zellen.

Wenn das Immunsystem überreagiert

Etwa 30 Prozent aller Deutschen klagen über Allergien mit Symptomen von verstopfter Nase, Hautrötungen bis Quaddeln. Die Auslöser reichen von Blütenpollen über Chemikalien, Tierhaare, Hausstaubmilben bis hin zu Nahrungsmitteln und Arzneimitteln. Laut einer Studie in der Schweiz kommt es bei 1,6 von 100.000 Einwohnern pro Jahr nach Medikamentenapplikation zur anaphylaktischen Reaktion (9). Dabei werden allergische Reaktionen häufiger von topisch oder parenteral applizierten Medikamenten ausgelöst als von Peroralia wie Tabletten oder Saft (10).

Doch das Immunsystem ist nicht bei allen Überempfindlichkeitsreaktionen beteiligt, auch wenn sich die Symptome oft ähneln. So können bei empfindlichen Menschen Nahrungsmittel mit hohen Mengen an Histamin (Beispiele: Tomaten, Emmentaler Käse, Thunfisch, Salami), Serotonin (Beispiel: Bananen) oder Tyramin (Beispiel: Schokolade, Käse) eine Pseudoallergie auslösen, die einer Histamin-Ausschüttung von Mastzellen ähnelt.

»Echte« Allergien beruhen auf einer immunologischen Reaktion gegen ein Antigen. Dabei erfolgt in einer – oft unbemerkten – Erstexposition die Sensibilisierung für das Antigen. Bei späterer erneuter Exposition kommt es zur überschießenden Immunreaktion. Die echten Allergien werden nach Coombs und Gell in vier Typen eingeteilt: Die ersten drei beruhen auf der Bindung von Antigen und Antikörper (Immunglobuline IgE oder IgG) des angeborenen Systems; der vierte Typ wird von T-Zellen vermittelt und ist damit dem adaptiven Immunsystem zuzuordnen (11).

Die häufigste Form ist die Typ-I-Allergie: eine sehr schnelle Reaktion innerhalb von wenigen Minuten bis maximal einer Stunde nach Exposition (Soforttyp-Allergie). Auslöser sind unter anderem Blütenpollen, Hausstaubmilben und Insektengifte, aber auch Arzneimittel wie Insulin, Chlorhexidin, Adrenocorticotropes Hormon (ACTH) und Penicillin. Die Reaktion beruht auf der Bindung von IgE-Antikörpern an IgE-Rezeptoren auf Mastzellen, die eigentlich an der Abwehr von Parasiten beteiligt sind. Daraufhin wird aus den intrazellulären Vesikeln (Granula) der Mastzellen massiv Histamin freigesetzt, das an Histamin-Rezeptoren bindet und die Produktion von Entzündungsmediatoren anstößt. In der Folge kommt es zur Vasodilatation und Einwanderung von Entzündungszellen auch des adaptiven Immunsystems. Weitere Folgen sind Schleimbildung, Ödeme, Juckreiz und Blutdruckabfall, der bis zum Kreislaufschock führen kann.

Auch eine Typ-II-Allergie (zytotoxische Allergie) tritt schon Minuten nach Exposition mit dem Antigen auf. Dabei bilden sich Immunkomplexe zwischen Antikörpern und Antigen, die das Komplementsystem und NK-Zellen aktivieren. Beispiele sind die allergische Thrombozytopenie sowie die Medikamenten-induzierte allergische Agranulozytose (schwere Neutropenie) als Nebenwirkung beispielsweise bei Analgetika wie Metamizol oder Thyreostatika wie Carbimazol.

Bei der Typ-III-Allergie (Arthus-Typ-Allergie) kommt es etwas verzögert nach einigen Stunden bis Tagen zur Bildung von Immunkomplexen, die die Komplementkaskade aktivieren und einen Gewebeschaden nach sich ziehen. Beispiele sind allergische Vaskulitiden und die Serumkrankheit.

Dagegen ist bei der Typ-IV-Allergie maßgeblich das adaptive Immunsystem beteiligt (Allergie vom verzögerten Typ). Dabei werden erst Stunden bis Tage nach Antigenkontakt T-Zellen aktiviert, die eine zellvermittelte Reaktion auslösen. Hierzu kommt es beispielsweise beim allergischen Kontaktekzem, bei der Tuberkulin-Reaktion auf Antigene des Tuberkulose-Erregers, der Transplantatabstoßung oder beim Arzneimittel-bedingten Stevens-Johnson-Syndrom (SJS).

Allergien verhindern

Doch wieso kommt es überhaupt zu Allergien? Die letztliche Ursache ist unklar. Eine gewisse genetische Disposition wird diskutiert, ist aber noch Gegenstand der Forschung. Nicht alle, aber ein Teil der Allergien lassen sich vermeiden oder abschwächen: durch Allergenvermeidung (bei Hausstaubmilben, Haustieren), symptomatische medikamentöse Therapie (Antihistaminika, Glucocorticoide wie Methylprednisolon oder Prednisolon) und die spezifische Immuntherapie (SIT), früher auch Hyposensibilisierung oder Desensibilisierung genannt (11).

Bei der SIT handelt es sich um eine kausale Therapie mit dem Ziel, das Immunsystem an das Allergen zu gewöhnen. Nach einem Provokationstest zum Nachweis des Auslösers werden bei gängigen Allergenen (Blüten- und Gräserpollen, Hausstaubmilben, Wespen- und Bienenstichen) meist zugelassene Fertigpräparate eingesetzt. Bei seltenen Allergenen wird gemäß Therapieallergen-Verordnung (TAV) für jeden einzelnen Patienten eine Individualrezeptur hergestellt und angewendet.

Fehlende Toleranz bei Autoimmunerkrankungen

Auch bei Autoimmunkrankheiten reagiert das Immunsystem zu heftig. Inzwischen sind mehr als 60 Autoimmunerkrankungen bekannt, bei denen die Toleranz gegenüber dem körpereigenen Gewebe gestört ist und das Immunsystem körpereigene Strukturen angreift (lesen Sie hierzu auch den Titelbeitrag in PZ 4/2020).

Wie es hierzu kommt, ist bei den einzelnen Erkrankungen unterschiedlich. So werden zum Beispiel beim Systemischen Lupus erythematodes (SLE), bei Hashimoto-Thyreoiditis und rheumatoider Arthritis (RA) autoreaktive Antikörper (AAK), das heißt an körpereigene Strukturen bindende Antikörper gebildet, die eine Immunreaktion auslösen. Bei vielen RA-Patienten lassen sich im Blut Rheumafaktoren (Antikörper gegen den Fc-Teil der körpereigenen Antikörper) nachweisen oder auch Antikörper gegen citrullierte Peptide (ACPA). Außerdem scheinen besondere lymphoide Zellen des angeborenen Immunsystems (sogenannte Innate Lympoid Cells) an der Regulation der Entzündung beteiligt zu sein (12).

Bei Diabetes mellitus Typ 1 dagegen sind neben Antikörpern des angeborenen Immunsystems auch autoreaktive T-Zellen des adaptiven Systems beteiligt, die sich fälschlicherweise gegen Insulin-produzierende Betazellen der Bauchspeicheldrüse richten.

Doch woran liegt es, dass jemand an einer Autoimmunkrankheit leidet? Auch hier stehen die Ursachen letztlich noch nicht fest. Diskutiert werden unter anderem erbliche Veranlagung, Umweltfaktoren und Virusinfektionen (13).

Immunsystem-hemmende Arzneimittel

Zur Therapie rheumatischer Erkrankungen werden verschiedene krankheitsmodifizierende Antirheumatika (DMARD, disease-modifying antirheumatic drugs) eingesetzt, die die Entzündungsreaktion durch Hemmung von Zytokinen wie TNF-α, IL-6 und IL-17 drosseln. Allerdings bremsen diese auch erwünschte Immunreaktionen, sodass Bakterien und Viren ein leichteres Spiel haben.

Auch viele Arzneimittel mit nicht-immunologischer Indikation beeinflussen das angeborene Immunsystem (Tabelle 2). Beispielsweise hemmen Chemotherapeutika und Zytostatika, die in der Tumortherapie und bei Autoimmunerkrankungen verabreicht werden, jegliche sich schnell teilenden Zellen, darunter auch die Immunzellen. Auch Analgetika, Thyreostatika und nicht-steroidale Antirheumatika können Immunzellen beeinflussen (14). Die immunsupprimierenden Effekte treten teils nur selten, teils in Kombination mit weiteren Medikamenten auf.

Arzneimittelgruppe Arzneimittelbeispiele Mögliche Wirkungen auf das angeborene Immunsystem
Chemotherapeutika, Zytostatika Cyclophosphamid, Mycophenolatmofetil Hemmung der Zellteilung durch DNA-Synthese-Block
Analgetika Metamizol, Phenylbutazon Agranulozytose
nicht-steroidale Antirheumatika/ Antiphlogistika (NSAR/NSAID) Ibuprofen
Acetylsalicylsäure, Diclofenac
Agranulozytose
Hemmung der Aktivierung von Makrophagen (experimentell)
Antibiotika Penicillin
Sulfonamide
Ciprofloxacin
IgE-vermittelte Allergie vom Sofort-Typ
Exanthem, Thrombopenie
Hemmung der phagozytischen Aktivität von Makrophagen (experimentell)
Antipsychotika Clozapin Agranulozytose
Thyreostatika Thiamazol, Carbimazol allergische Reaktion, Granulozytopenie, Agranulozytose, Thrombopenie
Thiazolidindione Pioglitazon Effekt auf Makrophagen (experimentell)
Tabelle 2: Medikamente mit Einfluss auf das angeborene Immunsystem

Geschwächtes Immunsystem

Die Aktivität des Immunsystems nimmt mit zunehmendem Alter ab, was einer allgemeinen Schwächung der hämatopoetischen Stammzellen, also der Vorläuferzellen der Immunzellen zugeschrieben wird (Immunseneszenz). Auch Makrophagen und NK-Zellen scheinen direkt betroffen zu sein, wenn die Signalwege über Toll-like-Rezeptoren zur Erkennung von Antigenen mit zunehmendem Alter beeinträchtigt sind (15).

Außerdem leben etwa 2300 Patienten in Deutschland mit einem genetisch bedingten angeborenen Immundefekt. Etwa zwei Drittel haben einen Antikörper-Mangel aufgrund von Defekten in den Antikörper-produzierenden B-Zellen, zum Beispiel einen IgG-Mangel bei Hypo- oder Agammaglobulinämie, bei anderen ist die Immunregulation gestört.

Menschen mit angeborenem Immundefekt sind für Infektionskrankheiten besonders anfällig. Die ersten Symptome, hauptsächlich Infektionen, könnten jederzeit im Leben erstmalig auftreten. Die Therapie erfolgt durch Substitution der Antikörper, um das Immunsystem zu boosten (16).

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