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Nationale Versorgungsleitlinie

Rolle des Apothekers bei Herzinsuffizienz-Patienten festigt sich

Die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Chronische Herzinsuffizienz bindet Apotheker explizit in das Versorgungskonzept ein. Jetzt liegt die NVL in ihrer dritten Auflage vor. Neu ist zum Beispiel, dass die Patienten stärker eingebunden werden sollen bei der Priorisierung ihrer Behandlung, wenn sie eine Multimedikation erhalten.
Daniela Hüttemann
30.10.2019  11:00 Uhr

Bislang gibt es für acht weit verbreitete Erkrankungen Nationale Versorgungsleitlinien (NVL). Das Programm ist eine gemeinsame Initiative von Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Qualitätsförderung in der Medizin. Anders als bei vielen herkömmlichen Leitlinien werden bei den NVL über die einzelne Erkrankung hinaus versorgungsübergreifende Empfehlungen gegeben für eine strukturierte und integrierte Versorgung. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) ist stimmberechtigtes Mitglied der verschiedenen Leitliniengruppen, unter anderem bei Diabetes, Asthma, Hypertonie und COPD.

Bereits in der zweiten Auflage aus dem Jahr 2017 der NVL Herzinsuffizienz gab es eine klare Empfehlung, Apotheker in die Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz einzubinden, obwohl die wissenschaftliche Evidenz zum Nutzen noch nicht hinreichend belegt sei. Das hat sich mittlerweile geändert. Denn mit der im Mai veröffentlichten PHARM-CHF-Studie konnte gezeigt werden, dass eine apothekenbasierte, interdisziplinäre Intervention die medikamentöse Adhärenz und Lebensqualität der Patienten verbessert. Die Ergebnisse flossen auch in die aktualisierte NVL ein. »Im Vergleich zur üblichen Apothekenversorgung erhöhte sich durch die Intervention nach einem Jahr die Adhärenz gegenüber der Herzinsuffizienz-Medikation um absolut 5,7 Prozent«, heißt es dort.

Und weiter: »Auch wenn die Evidenzlage keine Aussagen zu konkreten Maßnahmen zulässt, befürworten die Autoren eine interdisziplinäre Einbindung von Apothekern in die Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz.« Dabei soll der Apotheker Teil eines lokalen Netzwerks sein und bei Problemen mit der Medikation aktiv den Kontakt zu den betreuenden Ärzten suchen. »Zudem kommt den Apothekern eine zentrale Rolle bei OTC-Präparaten zu, da sie vermutlich am ehesten auf eine unkontrollierte Selbstmedikation mit prognostisch ungünstigen Arznei- oder Nahrungsergänzungsmitteln aufmerksam werden und diesbezüglich intervenieren können.«

Vorsicht bei bestimmten Medikamenten

Ungünstig können sich zum Beispiel nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) auf die Herzinsuffizienz auswirken. Die Patienten sollen hierüber aufgeklärt werden. Dabei kann das zur NVL als Zusatzmaterial erhältliche Patientenblatt »Vorsicht bei bestimmten Medikamenten« helfen.

Die Umsetzung komplexer Therapien sei für viele Patienten eine große Herausforderung. Eine vollständige Liste der aktuellen Medikation sei als relevanter Sicherheitsindikator für Patienten mit Polymedikation, worunter Herzpatienten meist fallen, identifiziert worden. Daher empfiehlt die NVL auch klar die Erstellung eines bundeseinheitlichen Medikationsplans. Zur Verbesserung der Adhärenz steht zudem die Patienteninformation »Meine wichtigsten Medikamente« zur Verfügung.

Als wichtigste medikamentöse Maßnahme empfiehlt die Leitlinie, dass Patienten mit reduzierter Auswurffraktion ACE-Hemmer oder Sartane, Betablocker und bei mangelnder Symptomkontrolle Mineralocorticoidrezeptor-Antagonisten erhalten. Bei Ödemen sind Diuretika angezeigt. »Ivabradin und Sacubitril/Valsartan sollten bei Kontraindikationen oder dann eingesetzt werden, wenn die korrekt eingestellte Basismedikation Beschwerden nicht ausreichend lindert«, heißt es zudem in der Zusammenfassung. Für Patienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF)  ≥ 45 Prozent konnte dagegen keine medikamentöse Therapie einen überzeugenden Nutzen zeigen. Hier steht die Behandlung relevanter Komorbiditäten im Vordergrund.

Therapie nach Patientenbedürfnissen

Neu in der dritten Version der NVL ist, dass der Patient noch enger in die Therapieentscheidungen miteinbezogen werden soll. Konkret heißt es: »Bei Ko- und Multimorbidität sollen die Therapien der Einzelerkrankungen nicht addiert werden. Stattdessen soll gemeinsam priorisiert werden, was Patienten als behandlungsbedürftig empfinden. Dazu gehört, diagnostische und therapeutische Interventionen, die die Situation des Patienten nicht verbessern, zu unterlassen.«

Bei mäßiger Niereninsuffizienz (eGFR ≥30 ml/min/1,73 m2) gelten die gleichen medikamentösen Empfehlungen wie bei nierengesunden Patienten, heißt es in der Zusammenfassung. »Bei schwerer Niereninsuffizienz sollten in Absprache mit dem Nephrologen Titration und Dosierung angepasst werden und eine engmaschige Kontrolle von Elektrolythaushalt und Nierenfunktion erfolgen.«

Wichtig sind nach wie vor Änderungen im Lebensstil. Hier kann der Apotheker in der Prävention unterstützen. So sollten Patienten mit Herzinsuffizienz den generellen Empfehlungen zum Salzkonsum folgen und auf stark gesalzene Lebensmittel verzichten. Eine strenge Flüssigkeitsbegrenzung habe auch bei akuter Dekompensation der Herzinsuffizienz keine Vorteile gezeigt und wird daher nicht mehr empfohlen. Körperliche Aktivität wird allen Patienten empfohlen, ebenso Tabakabstinenz. Dagegen sei nicht belegt, dass eine Gewichtsabnahme bei Patienten mit einem BMI bis 35 kg/m2 Körpergewicht die Prognose verbessert.

Grundsätzlich sollen alle Patienten mit Herzinsuffizienz in ein strukturiertes Programm eingebunden werden. Patienten mit schlechter Prognose sollen intensiver betreut werden. Dabei werden explizit die Möglichkeiten telefonischer Beratung und der Telemedizin genannt.

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