Pharmazeutische Zeitung online
Covid-19

Psychische Auswirkungen der Pandemie

Intensivpatienten

Aber nicht nur Isolation und Verunsicherung können die Psyche angreifen, sondern auch die Infektion selbst stellt eine Belastung dar. Daten zu den psychischen Auswirkungen von Coronavirus-Infektionen wertete die Arbeitsgruppe um Erstautor Dr. Jonathan P. Rogers in einer Meta-Analyse aus, die im Fachjournal »Lancet Psychiatry“ erschien (DOI: 10.1016/S2215-0366(20)30203-0). Die meisten SARS-CoV-2-Infizierten sollten ohne psychische Folgen genesen, vermuten die Wissenschaftler. Bei Intensivpatienten könne das jedoch teilweise anders aussehen. Eine mechanische Beatmung sowie der Aufenthalt auf einer Intensivstation könne demnach gravierende mentale Störungen zur Folge haben.

In die Analyse bezogen die Autoren zwölf Studien, darunter sieben Vorabveröffentlichungen, mit insgesamt 976 Covid-19-Patienten ein. Um die Datenbasis zu erweitern, berücksichtigten sie außerdem 47 Studien zu den psychologischen Auswirkungen von SARS-CoV- und 13 Studien zu MERS-CoV-Infektionen.

Die Auswertung machte deutlich, dass eine SARS-CoV- oder MERS-CoV-Infektion in der akuten Phase der Erkrankung psychische Symptome hervorrufen kann. Am häufigsten kam es zu Schlaflosigkeit (41,9 Prozent), gefolgt von Angst (35,7 Prozent), Gedächtnisstörungen (34,1 Prozent), depressiven Verstimmungen (32,6 Prozent) und Verwirrung (27,9 Prozent). Nach der Genesung von der Infektion traten Schlafstörungen, traumatische Erinnerungen, emotionale Labilität, Konzentrationsstörungen, Müdigkeit und Gedächtnisstörungen bei mehr als 15 Prozent der Patienten in einem Nachbeobachtungszeitraum zwischen sechs Wochen und 39 Monaten auf. Rund 76,9 Prozent der Patienten kehrten innerhalb der folgenden drei Jahre an ihren Arbeitsplatz zurück.

Insgesamt ist die Datenlage zu psychischen Auswirkungen von Covid-19 noch recht dünn. Bisherige Studien weisen auf psychische Symptome bei Infizierten hin. Die Wissenschaftler stellten fest, dass SARS-CoV-2 bei einem signifikanten Anteil der Patienten im akuten Stadium ein Delirium verursachen könne. Mediziner sollten sich außerdem der Möglichkeit von Depressionen, Angstzuständen, Müdigkeit, posttraumatischen Belastungsstörungen und selteneren neuropsychiatrischen Syndromen als Spätfolge bewusst sein, so die Autoren.

Die Ursachen psychiatrischen Folgen einer Coronavirus-Infektion seien wahrscheinlich multifaktoriell. Eine mögliche Rolle spiele dabei unter anderem die soziale Isolation, die Besorgnis über die Ansteckung anderer oder die Angst vor der neuartigen und potenziell tödlichen Krankheit. Auch direkte pathologische Auswirkungen des Krankheitserregers könnten Mitursachen psychiatrischer Folgen sein; beispielsweise durch eine Infektion des Gehirns.

In weiteren Studien solle die Prävalenz psychiatrischer Symptome bei Patienten mit Coronavirus-Infektionen systematisch bewertet werden. Insbesondere da sich voraussichtlich eine recht große Anzahl von Menschen mit SARS-CoV-2 infizieren werde. Bei Patienten mit einer Krankheit, die eine Krankenhauseinweisung erfordert, bestehe ohnehin bereits ein Risiko für psychische Erkrankungen. Dieses könne durch die Auswirkungen sozialer Isolation noch verstärkt werden.

Seite<1234>

Mehr von Avoxa