Protein-basierte Impfstoffe und VLP |
Theo Dingermann |
01.07.2020 08:00 Uhr |
Die größte Gruppe der Impfstoffkandidaten gegen SARS-CoV-2 sind Protein-Impfstoffe. Sie enthalten meist das Spike-Protein des Virus als Antigen. / Foto: Shutterstock/pedalist
Protein-basierte Impfstoffe, die also als Impfantigen aufgereinigte virale Proteine enthalten, sind sehr sicher. Durch den hohen Reinheitsgrad der Proteine ist ausgeschlossen, dass genetisches Material des Virus in den Impfstoffen enthalten ist. Zum Teil werden nur Teilproteine als Impfantigene verwendet. Dieser Ansatz wird gerade sehr intensiv im Rahmen der Impfstoffentwicklung gegen das Pandemievirus SARS-CoV-2 verfolgt. Denn die Rezeptorbindedomäne (RBD) des Spike(S)-Proteins des Coronavirus drängt sich in diesem Zusammenhang förmlich auf.
Es leuchtet ein, dass eine Immunantwort gegen diese Komponente von SARS-CoV-2 interessant sein sollte. Denn die RBD des S-Proteins bildet den eigentlichen Schlüssel, mit dessen Hilfe sich das Virus Zugang zu einer Zelle verschafft. Wird dieser kleine Teilbereich des Virus von einem Antikörper abgedeckt, hat das Virus seine Infektiosität eingebüßt.
Wegen der großen Plausiblität dieses Impfstoffkonzepts überrascht es nicht, dass es die technologische Basis von mehr als 50 SARS-CoV-2-Impfstoffkandidaten bildet. Drei der Kandidaten werden laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) derzeit bereits klinisch getestet. So untersucht das US-Unternehmen Novavax einen Kandidaten mit rekombinantem Spike-Protein und dem Adjuvans Matrix‑M™. Außerdem befindet sich noch ein Kandidat des Unternehmens Clover Biopharmaceuticals mit einem rekombinanten trimerischen S-Protein in unadjuvantierter und adjuvantierter Form in einer Phase-I-Studie. Das chinesische Unternehmen Anhui Zhifei Longcom Biopharmaceutical prüft zusammen mit der Chinese Academy of Sciences eine adjuvantierte Vakzine mit einem RBD-Dimer.
Typische Vertreter der Protein-basierten Vakzinen sind Grippeimpfstoffe: Sie enthalten die beiden Influenzavirus-Oberflächenproteine Neuraminidase und Hämagglutinin. Diese werden in der Regel aus den in Hühnereiern angezüchteten Viren konventionell biochemisch aufgereinigt. Das ist aufwendig und erfordert hohe Sicherheitsstandards, da als Ausgangsmaterial große Mengen an infektiösem Virus dienen.
Bei den potenziellen Pandemie-Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 ist die Herstellungsweise anders: Hier werden geeignete Zellen gentechnisch mit dem Gen für das virale Protein ausgestattet, die in Kultur dann das Impfantigen in großer Menge produzieren. Dies muss dann wieder isoliert und aufgereinigt werden.
Prinzip von Protein- und VLP-Impfstoffen: In Protein-Impfstoffen sind Proteine des Erregers, gegen den die Impfung schützen soll, das Impfantigen. Die Proteine, im Fall von SARS-CoV-2 ist dies hauptsächlich das Spike-Protein, werden in spezielle Zellen des Immunsystems, den Antigen-präsentierenden Zellen, aufgenommen und dort aufgespalten. Spaltprodukte werden dem Immunsystem präsentiert, was eine Immunantwort auslöst. In VLP-Impfstoffen sind virusähnliche Partikel enthalten. Dies sind leere Lipidhüllen mit Strukturproteinen des Erregers, gegen den eine Immunreaktion ausgelöst werden soll. / Foto: Stephan Spitzer
Die hochaufgereinigten Proteine sind meist nicht ausreichend immunogen. Deshalb enthalten viele Vertreter dieses Impfstofftyps Adjuvanzien (Wirkverstärker), was prinzipiell unproblematisch ist. Allerdings werden adjuvantierte Impfstoffe von vielen Menschen als unangenehm empfunden. Das liegt in der Natur der Adjuvanzien, deren Aufgabe es ist, eine leichte, lokale Entzündung zu provozieren. Dadurch werden Komponenten des unspezifischen Immunsystems in die Nähe der eigentlichen Impfantigene gelockt und so die Impfreaktion verstärkt. Dies geht häufig einher mit einer lokalen Reaktion und mit einem von vielen Geimpften empfundenen grippalen Gefühl.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.