Probiotikum soll Kater vorbeugen |
Christina Hohmann-Jeddi |
06.07.2022 18:00 Uhr |
Zurzeit werden im Internet verschiedene Mittel angepriesen, die den Kater nach übermäßigem Alkoholkonsum abmildern sollen. / Foto: Adobe Stock/Michael Traitov
Myrkl heißt die schwedische Firma, die eine Anti-Kater-Kapsel in Großbritannien auf den Markt gebracht hat. Ihr Produkt sei die erste »Vor-dem-Trinken-Pille«, die funktioniere, heißt es auf der Unternehmenswebsite. Es sei das erste Produkt, das Alkohol effektiv abbaue: Bis zu 70 Prozent des Alkohols würden innerhalb einer Stunde abgebaut, gibt das Unternehmen an. Wie funktioniert das?
Bei dem Präparat handelt es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel, das aus fermentierter Reiskleie besteht, die die speziell kultivierten Bakterienarten Bacillus coagulans und Bacillus subtilis enthält und zudem mit Vitamin B12 und der Aminosäure L-Cystein versetzt ist. Die Zusätze sollen den Herstellerangaben zufolge einen Energieschub verleihen und Katersymptome reduzieren. Die beiden im Präparat enthaltenen Bakterienarten dagegen sollen im Darm das durch alkoholische Getränke aufgenommene Ethanol zu CO2 und Wasser abbauen. Hierfür sollten zwei Pillen zwölf bis maximal eine Stunde vor dem geplanten Alkoholkonsum eingenommen werden. Dadurch würde die Alkoholmenge, die die Leber erreicht, reduziert. In der Leber wird Ethanol zu Acetaldehyd und schließlich zu Essigsäure abgebaut. Das Zwischendprodukt Acetaldehyd soll mit für die Katerkopfschmerzen verantwortlich sein.
Die Wirksamkeit des Probiotikums wurde in einer klinischen Studie mit 24 Probanden im Durchschnittsalter von 25 Jahren getestet, deren Ergebnisse im Journal »Nutrition and Metabolic Insights« im Juni 2022 erschienen. Die Probanden nahmen eine Woche lang täglich entweder zwei Kapseln des Probiotikums oder zwei Placebo-Kapseln ein, bevor sie nach einem standardisierten Frühstück ein Glas Alkohol (mit 0,3 mg Ethanol pro kg Körpergewicht) tranken. Anschließend wurden die Blutalkoholspiegel der Probanden über Atemkontrollen und Blutproben für etwa sechs Stunden gemessen. Im Atemtest habe sich in der Verumgruppe eine Reduktion der Alkoholspiegels im Blut nach einer Stunde um 70 Prozent im Vergleich zur Placebogruppe nachweisen lassen, heißt es in der Publikation.
Die Studie sei mit 24 Probanden allerdings sehr klein und die Gruppe der Probanden zu einheitlich (weiß, jung und gesund), was die Aussagekraft der Ergebnisse stark einschränke, kritisiert Professor Dr. Ashwin Dhanda von der University of Plymouth in einem Beitrag auf der Plattform »The Conversation«. Zudem wurden nur Daten von 14 der 24 untersuchten Probanden in der Analyse berücksichtigt. Dhanda bemängelt auch, dass in der Studie die Wirksamkeit des Probiotikums nach einer einwöchigen Einnahme untersucht wurde, empfohlen wird aber die Einnahme von lediglich zwei Kapseln innerhalb von zwölf Stunden vor dem Alkoholkonsum.
Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass der Effekt der Kapseln darin besteht, die Aufnahme von Ethanol aus dem Dünndarm ins Blut zu reduzieren. Damit wird aber auch die akute, in der Regel gewünschte Wirkung des Alkohols vermindert: der angstlösende und stimmungsaufhellende Effekt. Ähnlich wirksam wäre es, ein Glas Wasser statt eines alkoholischen Getränks zu trinken.
In Deutschland boomt seit einiger Zeit ein anderes Produkt gegen den Kater nach durchzechten Nächten: das Elektrolytmittel Elotrans® (Stada). Das Präparat enthält neben Glucose auch Natrium- und Kaliumchlorid sowie Natriumcitrat und soll den bei Durchfall entstehenden Flüssigkeits- und Elektrolytverlust ausgleichen. In sozialen Medien, vor allem bei Youtube und Tiktok wird das Durchfallpräparat als vermeintliches Wundermittel gegen Kater angepriesen.
In vielen Apotheken bundesweit sei das Präparat ausverkauft, berichtete Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, gegenüber der »Rheinischen Post«. Der Trend halte schon seit Wochen an. Über den pharmazeutischen Großhandel sei das Produkt momentan nicht erhältlich. Auch vergleichbare Präparate wie Saltadol® von Aristo Pharma und Oralpädon® von Stada seien ausverkauft.
Anders als das Probiotikum von Myrkl vermindern die Elektrolytmittel nicht die Aufnahme von Alkohol in den Organismus, sondern könnten dessen negative Folgen auf den Flüssigkeitshaushalt reduzieren. Ein Kater mit den charakteristischen Symptomen Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Müdigkeit und einem generellen Krankheitsgefühl entsteht laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) nämlich in erster Linie durch Dehydrierung, also Flüssigkeitsmangel im Körper.
Ein bewährtes Mittel gegen Kater ist der BZgA zufolge, im Laufe des Abends regelmäßig zwischendurch ein Glas Wasser zu trinken. Am vernünftigsten ist es allerdings natürlich, erst gar nicht so viel Alkohol zu trinken, dass am nächsten Tag ein Kater droht.
Wenn Fertigarzneimittel wie Elotrans, Oralpädon und Saltadol schlecht verfügbar sind, können Apothekerinnen und Apotheker Elektrolyt-Ersatzmittel auch selbst herstellen. Beschrieben wird die Herstellung in der DAC/NRF-Vorschrift 6.5., in der das NRF drei verschiedene Versionen einer Glucose-Elektrolyt-Mischung bietet: ORS 40, ORS 60 und New-ORS-WHO. Für ein Liter der WHO-Trinklösung nach neuer Rezeptur werden 13,5 g Glucose mit 2,6 g Natriumchlorid, 2,9 g Natriumcitrat und 1,5 g Kaliumchlorid gemischt und zu einem Pulver verrieben. Dieses kann dann in einem Liter abgekochten Wasser zur Herstellung einer Trinklösungen gelöst werden, die über den Tag verteilt getrunken werden soll.