Ponesimod mit guten Daten |
Sven Siebenand |
17.11.2020 16:02 Uhr |
Bei Multipler Sklerose greift das Immunsystem in Gehirn und Rückenmark die schützende Isolierung um die Nerven sowie die Nerven selbst an und schädigt diese. / Foto: Adobe Stock/studio v-zwoelf
Sphingosin-1-Phosphat-(S1P-)Rezeptormodulatoren sind in der oralen Therapie der Multiplen Sklerose (MS) mittlerweile bekannt. Ihr Wirkmechanismus ist bislang nicht völlig aufgeklärt. Wahrscheinlich interagiert S1P mit den G-Protein-gekoppelten S1P-Rezeptoren, wodurch es unter anderem verschiedene immunologische und neurologische Prozesse beeinflusst. Unter physiologischen Bedingungen wandern bestimmte Lymphozyten zwischen Lymphknoten und Blutgefäßen. Als Signal zum Austritt aus den Lymphknoten dient ein chemotaktischer S1P-Gradient zwischen peripheren lymphatischen Organen und den Blutgefäßen. Lymphozyten folgen diesem S1P-Gradienten und können so die Lymphknoten verlassen.
Von fünf Rezeptor-Subtypen (S1P1-5), die in verschiedenen Geweben unterschiedlich stark exprimiert werden, findet sich insbesondere S1P1 auf B- und T-Lymphozyten und regelt deren Austritt aus den Lymphknoten. Deshalb scheint die Wirkung auf den S1P1-Rezeptor für die Effektivität der Modulatoren eine entscheidende Rolle zu spielen. Sie wirken alle als funktionelle Antagonisten am S1P1-Rezeptor. Das bewirkt dessen Internalisierung und Abbau, was zu einer S1P1-Desensibilisierung der Lymphozyten führt. Dadurch können diese dem S1P-Gradienten nicht mehr folgen und so nicht mehr aus den Lymphknoten migrieren.
Der erste S1P-Rezeptormodulator war Fingolimod (Gilenya®). Es ist ein ein unselektiver S1P-Rezeptormodulator. Fingolimod kommt bei hochaktiver schubförmig remittierender MS (RRMS ) zum Einsatz. Im Verlauf des Jahres 2020 kamen Siponimod (Mayzent®) und Ozanimod (Zeposia®) hinzu. Sie docken selektiv an den Subtypen 1 und 5 an. Siponimod ist bei sekundär progredienter MS (SPMS) mit Krankheitsaktivität zugelassen, Ozanimod bei erwachsenen RRMS-Patienten mit aktiver Erkrankung. Bei einer Pressekonferenz von Janssen informierte das Pharmaunternehmen über einen vierten S1-Rezeptormodulator: Ponesimod. Der Zulassungsantrag sei eingereicht. Janssen rechnet mit der Zulassung im kommenden Jahr.
Auch Ponesimod wird zur Behandlung der RRMS untersucht. Ponesimod ist ein selektiver S1P1-Rezeptormodulator. Er zeichnet sich durch eine geringe Halbwertszeit aus und besitzt keine aktiven Metaboliten. Professor Dr. Till Sprenger von der Helios-Klinik in Wiesbaden hob den relativ schnellen reversiblen Effekt auf das Immunsystem hervor. Das bringe zum Beispiel Vorteile bei einer auftretenden Infektion, bei der notwendigen Gabe eines Impfstoffs oder dem Eintreten einer Schwangerschaft. »Die Lymphozytenzahl normalisiert sich nach Therapieabbruch innerhalb von sieben Tagen bei Ponesimod«, sagte der Mediziner. Das sei ein großer Unterschied zu Fingolimod. Hier dauere es wesentlich länger, bis sich die Lymphozytenzahl nach Therapieabbruch wieder normalisiere.
Die Phase-III-Zulassungsstudie OPTIMUM untersuchte die Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Ponesimod 20 mg im direkten Vergleich zu Teriflunomid 14 mg bei mehr als 1100 RRMS-Patienten. Die Studiendauer betrug 108 Wochen. Primärer Endpunkt war die jährliche Schubrate (Annualized Relapse Rate, ARR). Im Vergleich zu Teriflunomid senkte Ponesimod die ARR signifikant um gut 30 Prozent (ARR: 0,20 versus 0,29). »Hinsichtlich der Behinderungsprogression brachte Ponesimod im Vergleich zu Teriflunomid keinen signifikanten Vorteil, aber zumindest eine numerische Tendenz zu einem Vorteil«, so Sprenger.
Besonders belastend für viele MS-Patienten ist auch das Symptom Fatigue. Von daher ist es eine gute Nachricht, dass in der Studie unter Ponesimod eine Stabilisierung der Fatigue-Symptomatik erreicht werden konnte, unter Teriflunomid nahm die Fatigue dagegen über die Studiendauer dagegen zu.