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Apothekerkammer Sachsen-Anhalt

»Patienten- und Rezeptdaten dürfen keine Handelsware werden«

Nach derzeitiger Rechtslage bedürfen die Beschlüsse der Kammerversammlung Sachsen-Anhalt der persönlichen Anwesenheit ihrer Mitglieder. Diese fand daher nach Monaten der Corona-Quarantäne am 10. Juni 2020 als Präsenz-Veranstaltung statt – natürlich mit gebührendem Abstand.
Christiane Berg
12.06.2020  13:50 Uhr

»Wir treffen uns heute unter besonderen Bedingungen. Überhaupt hat die Pandemie das gesamte Gesundheitssystem und so auch die Apotheken in den vergangenen Wochen vor enorme Herausforderungen gestellt«, konstatierte Kammerpräsident Dr. Jens-Andreas Münch bei der Begrüßung der circa 40 Teilnehmer im großen Saal des Verwaltungszentrums für Heilberufe in Magdeburg.

Münch, der sich bei allen Kollegen und Apothekenmitarbeitern für den großen Einsatz bei der Bewältigung der Krisen-Situation bedankte, zeigte sich erfreut, dass nach und nach wieder eine gewisse Alltags-Normalität einkehre. Auch wenn sich Abstands- und Hygieneregeln sicher noch lang als unabdingbar erweisen werden, um die für alle mit schmerzhaften Einschnitten erzielte Senkung der Neuerkrankungen nicht wieder aufs Spiel zu setzen: »Lockerungen sind richtig und wichtig«, so Münch. Allerdings müssten diese verantwortungsbewusst gehandhabt werden.  Welche langfristigen Auswirkungen der Lockdown gesellschaftlich und wirtschaftlich haben wird, sei noch nicht abzusehen. Mehr als deutlich habe sich jedoch durch die Pandemie gezeigt, dass nur ein flächendeckendes Apothekennetz Versorgungssicherheit auch in Zeiten der Krise bietet.

Ob Begrenzung des Versandhandels, Rückholung der Wirkstoffproduktion aus China und Indien nach Europa oder Erhalt fester Arzneimittelpreise zur Gewährleistung der Arzneimittel-Versorgung in guten wie in schlechten Zeiten: »Jetzt plötzlich erkennen Politiker, warum wir Apotheker dieses seit Jahren fordern«, so Münch. Er hoffe, dass die hier gewonnenen Erkenntnisse seitens der Politik nicht wieder in Vergessenheit geraten, wenn die Pandemie vorüber ist.

Stringente Umsetzung des Makelverbots gefordert

»Seit einem Jahr warten wir nun bereits auf die endgültige Umsetzung des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes (VOASG), das die Gleichpreisigkeit bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln für den Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wiederherstellen soll«, so der Kammerpräsident weiter. Auch wenn viele VOASG-Vorhaben nach und nach an andere Gesetze angedockt worden sind: Übrig sei noch immer der letzte entscheidende Part zur weitest gehenden Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit durch Boniverbote.

Bisher habe es trotz Drängen der ABDA dahingehend keinerlei Fortschritte gegeben. Auch in Reihen der Koalition, so Münch, scheint eine gewisse Unruhe wegen der schleppenden Umsetzung aufzukommen. Vereinzelt seien sogar wieder Stimmen aus der Unionsfraktion zu vernehmen, die erneut nach dem Versandhandelsverbot rufen – eine Variante, die auch die Apotheker nach wie vor für die einzig tatsächlich wirksame hielten.

»Die positive Wahrnehmung der Leistungen der Apotheker in den Wochen der Krise mag dazu ihren Beitrag geleistet haben. Ob diese Stimmen allerdings laut genug sind, ein Umdenken insbesondere beim Minister und beim Justizministerium zu erzeugen, bleibt abzuwarten«, zeigte sich der Kammerpräsident skeptisch.

Bewegung hingegen sei mit Blick auf den Entwurf zum Patientendatenschutzgesetz (PDSG) zu verzeichnen, in dessen Rahmen das Makelverbot entsprechend der Forderungen der ABDA gestärkt wurde. »Dieses Verbot muss stringent umgesetzt werden«, so Münch. Nicht nur das: Es müsse auch technisch unumgänglich gemacht werden.

Derzeit sind neben der Gematik-App zur Verwaltung ärztlicher Verordnungen freie Apps diverser Anbieter mit Zusatzfunktionen zur weiteren Beförderung von Rezeptdaten in Planung. »Es bedarf keiner großen Phantasie, sich vorzustellen, wie schnell in Folge dieser Apps das Makelverbot und die Preisbindung ausgehebelt und Rezeptströme gelenkt werden«, warnte Münch.

Ob seitens der Gematik oder des Deutschen Apothekerverbands (DAV): Er erwarte eine einheitliche zentrale App, die Rezept- und Patientendaten dem Zugriff Dritter entzieht. »Diese bedürfen des besonderen Schutzes. Rezept- und Patientendaten dürfen keine Handelsware werden«, betonte Münch.

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