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Rx-Versandverbot

Nicht nur auf dieses Pferd setzen

Die Chancen für das Rx-Versandverbot stehen nicht besonders gut. Die Apotheker denken nun verstärkt auch über alternative Lösungswege nach. Ohnehin würden nicht alle Probleme über ein solches Verbot gelöst, wie ABDA-Präsident Friedemann Schmidt heute in Binz auf Rügen deutlich machte.
Stephanie Schersch
10.11.2018  16:32 Uhr

Seit rund zwei Jahren kämpfen die Apotheker nun für ein Verbot, das den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln unter Strafe stellt. Das soll die Schieflage im Apothekenmarkt korrigieren, die seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs herrscht, ausländische Versandapotheken von der deutschen Rx-Preisbindung freizustellen.

Von Anfang an stand das Projekt unter keinem besonders guten Stern, doch immerhin auf die Unterstützung der Unionsfraktion im Bundestag konnten die Apotheker weitgehend zählen. Spätestens seit dem Wechsel an der Fraktionsspitze sieht die Lage nun jedoch anders aus. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat persönlich kein Interesse an dem Verbot. »Das Projekt ist heute schwieriger durchzusetzen als es noch vor sechs Monaten war«, sagte Schmidt am Samstag beim Apothekertag der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern (AKMV).

Andere Probleme nicht aus den Augen verlieren

Es sei daher richtig, über alternative Lösungen nachzudenken, im Detail wollte sich der ABDA-Präsident dazu allerdings nicht äußern. »Wenn man Plan A verfolgt, macht es wenig Sinn, über Plan B öffentlich zu diskutieren.« Das Rx-Versandverbot sei auf jeden Fall das geeignete Mittel, um gleiche Preise für alle Marktteilnehmer wiederherzustellen. Dennoch sei es unverantwortlich »nur auf dieses eine Pferd zu setzen«.

Auch der AKMV-Präsident Georg Engel sieht den politischen Rückhalt für das Verbot in der ohnehin bröckeligen Großen Koalition schwinden. »Klar ist aber auch: Jede politische Konstellation nach einem möglichen Bruch der Koalition würde das Vorhaben mit noch weniger Elan verfolgen«, sagte er. Man tue alles, um das Verbot doch noch durchsetzen zu können. »Scheitert das Vorhaben, liegt das nicht an den Apothekern, sondern allein an der Politik.«

Zuletzt hatten die Apotheker ihre politische Arbeit sehr stark auf das Versandverbot fokussiert. Andere Sachverhalte seien dabei vorerst zurückgestellt worden, sagte ABDA-Präsident Schmidt. »Auf Dauer können wir das so nicht fortführen.« Es gebe eben auch andere Probleme. So bräuchten die Apotheker dringend eine bessere Vergütung. Setzten sie weiterhin allein auf das Versandverbot, werde es in dieser Legislaturperiode keine Honoraranpassung geben. Schmidt verwies damit auf eine entsprechende Aussage, die der Bundesgesundheitsminister beim Deutschen Apothekertag in München gemacht hatte. Auch der Nachwuchsmangel bereite vielen Inhabern große Sorgen, betonte der ABDA-Präsident. »Dieses Problem würde ein Rx-Versandverbot nicht lösen.«

Wir haben nur einen Schuss

Dass die Apotheker vor einer schwierigen Entscheidung stehen, machte auch Kai-Peter Siemsen deutlich, Präsident der Apothekerkammer Hamburg. »Wir haben nur einen Schuss«, sagte er. Entscheiden sich die Apotheker für das Versandverbot und scheitert es dann, könnten die Apotheker am Ende mit leeren Händen dastehen. Jörg Hähnlein, Präsident der Landesverbands der freien Berufe Mecklenburg-Vorpommern, machte den Apothekern dennoch Mut, für das Verbot und die Preisbindung zu kämpfen. Diskussionen über ihre Gebührenordnungen müssten auch die anderen freien Berufe regelmäßig führen, sagte er. »Und wir müssen immer wieder entschlossen dafür eintreten, dass wir von der jeweiligen Gebührenordnung nicht ablassen werden.« Die Freien Berufe seien ein besonderer Fall und das Versandverbot momentan der einzige Weg, um das derzeitige System der Arzneimittelversorgung in Deutschland flächendeckend sicherzustellen.

Die Diskussion über alternative Lösungen zum Versandverbot stößt auch in der Apothekerschaft auf Skepsis. Für AKMV-Mitglied Nicola Norda ist das Verbot unumstritten der richtige Weg, um auf das EuGH-Urteil zu reagieren. Sie stellte in diesem Zusammenhang auch das Vorgehen der ABDA infrage. So würden die Apotheker zu wenig über die Ergebnisse aus politischen Gesprächen mit dem Gesundheitsministerium informiert. »Wir wünschen uns zumindest eine Aussage darüber, in welche Richtung es gehen soll«, sagte Norda. Auch der Umgang der Standesvertretung mit dem Honorargutachten, das die Agentur 2HM im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt hatte, nannte sie nicht zielführend. »Ein Weiter-so-wie-bisher darf es aus unserer Sicht nicht geben.«

Mit dieser Kritik steht Norda nicht alleine. Die ABDA hatte das Gutachten öffentlich nicht kommentiert und damit den Eindruck erweckt, die Ergebnisse schlichtweg zu ignorieren. In den Gremien der Selbstverwaltung habe man das Papier jedoch durchaus intensiv diskutiert, betonte der ABDA-Präsident. Allerdings habe man sich bewusst dafür entschieden, die Ergebnisse nach außen hin nicht zu diskutieren, um der Untersuchung nicht zu viel Bedeutung beizumessen. »Heute ist das Gutachten aus der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend verschwunden«, so Schmidt. Anfang Dezember steht das Papier noch einmal im Wirtschaftsausschuss des Bundestags auf dem Programm. »Dennoch wage ich die Prognose, dass wir in Zukunft nicht weiter damit behelligt werden.«

 

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