Neues HIV-Medikament kurz vor der Zulassung |
Annette Rößler |
14.12.2020 16:30 Uhr |
Wird das HI-Virus daran gehindet, sich an seine Zielzelle anzuheften, kann es sich nicht mehr vermehren. Fostemsavir ist der erste sogenannte Attachment-Inhibitor. / Foto: CDC
Fostemsavir, das von Viiv Healthcare unter dem Namen Rukobia® vermarktet werden wird, gehört einer neuen Wirkstoffklasse an. Sein aktiver Metabolit Temsavir ist ein Attachment-Inhibitor; er verhindert das Anheften von HIV an seine Zielzellen, die CD4-positiven T-Helferzellen. Dadurch kann das Virus nicht mehr in die Zellen eindringen, die Viruslast sinkt und die Zahl der CD4+-Zellen steigt.
Die EMA plädiert jetzt dafür, dass Fostemsavir in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneistoffen eine Zulassung zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit multiresistenter HIV-Infektion erhält. Das Medikament soll in Form von langsam freisetzenden Tabletten auf den Markt kommen, die jeweils 600 mg Wirkstoff enthalten. Die Behandlung gehöre in die Hand von Ärzten, die im Management von HIV-Patienten erfahren sind, so die EMA.
Wirksamkeit und Sicherheit von Fostemsavir wurde in der noch laufenden Studie BRIGHTE gezeigt, deren Zwischenergebnisse kürzlich im Fachjournal »The Lancet HIV« erschienen. An der Studie nahmen 371 stark vorbehandelte Patienten teil, deren HIV-Infektion mit dem jeweils bestehenden Therapieregime nicht mehr kontrolliert werden konnte. Unter Fostemsavir erreichten 60 Prozent der 272 Patienten in der randomisierten Studienkohorte nach 96 Wochen eine virologische Kontrolle der HIV-Infektion, definiert als <40 Kopien HIV-RNA pro ml. Häufigste Nebenwirkungen von Fostemsavir waren Übelkeit und Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und Ausschlag.
Sollte die EU-Kommission – wie üblich – der Empfehlung der EMA folgen, wäre das für Patienten mit HIV-Multiresistenz eine gute Nachricht. Erst dieses Jahr kam mit Ibalizumab (Trogarzo®) ein Antikörper für diese Patienten auf den Markt, die angesichts des Versagens gängiger Wirkstoffkombinationen buchstäblich mit dem Rücken zur Wand stehen. Eine weitere neue Option – zumal oral verfügbar – ist dennoch ein wichtiger Fortschritt für die Patienten.