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Lenacapavir

Langwirksame HIV-Therapie 2.0

Die Europäische Kommission hat das langwirksame HIV-Medikament Lenacapavir (Sunlenca®, Gilead) zugelassen. Es ist der erste Vertreter der Kapsid-Inhibitoren und wird nach einer oralen Einleitungsphase nur zweimal im Jahr als subkutane Injektion gegeben.
Kerstin A. Gräfe
25.08.2022  11:00 Uhr

Zur Behandlung von HIV-Infizierten ist seit Mai 2021 bereits ein langwirksames Therapieregime verfügbar. Es besteht aus dem Integrasehemmer Cabotegravir (Vocabria®) und dem nicht nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI) Rilpivirin (Rekambys®). Die beiden Mittel werden in den Monaten 1 und 2 intramuskulär injiziert, jeweils ein Medikament in eine Gesäßseite. Danach erfolgen die intramuskulären Gaben im Zweimonats-Abstand. Ursprünglich war eine 28-tägige orale Einleitungsphase vorgeschaltet, die aber nicht mehr erforderlich ist.

Was den zeitlichen Abstand der Injektionen betrifft, setzt Lenacapavir noch einen drauf. Die Behandlung beginnt mit einer 14-tägigen oralen Einleitungsphase in Form von Filmtabletten à 300 mg. Anschließend muss der Wirkstoff nur noch alle sechs Monate subkutan gespritzt werden, wofür eine Injektionslösung mit 464 mg verfügbar ist. Zugelassen ist Sunlenca zur Behandlung von Erwachsenen mit einer multiresistenten HIV-1-Infektion, bei denen kein anderes supprimierendes, antivirales Regime zusammengestellt werden kann.

Lenacapavir ist der erste Vertreter der neuen Wirkstoffklasse der Kapsid-Inhibitoren. Das Kapsid von HIV ist eine kegelförmige Proteinhülle, die das virale Genom und virale Enzyme enthält. Es ist essenziell für die Virus-Replikation. Lenacapavir bindet direkt an die Monomere des Kapsids und stört damit dessen Funktion. Gilead zufolge hemmt Sunlenca im Gegensatz zu den meisten antiretroviralen Wirkstoffen, die nur auf eine Phase der viralen Replikation einwirken, HIV-1 in mehreren Phasen seines Lebenszyklus und weist keine bekannte Kreuzresistenz zu anderen bestehenden Arzneimittelklassen auf.

Basis der Zulassung sind die Daten der doppelblinden, placebokontrollierten Phase-II/III-Studie CAPELLA an stark vorbehandelten Patienten mit multiresistenter HIV-1-Infektion. 81 Prozent der Teilnehmer, die Lenacapavir zusätzlich zu einem optimierten Hintergrundregime erhielten, erreichten in Woche 26 eine nicht nachweisbare Viruslast (< 50 Kopien/ml). Zudem erzielten sie einen durchschnittlichen Anstieg der CD4-Zahl von 81 Zellen/µl. Insgesamt wurde die Therapie gut vertragen. Als häufigste Nebenwirkungen traten Reaktionen an der Injektionsstelle und Übelkeit auf.

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