Halbjahres-Spritze hält HIV in Schach |
Daniela Hüttemann |
23.02.2022 07:00 Uhr |
Eine Therapie der HIV-Infektion, die nur zweimal im Jahr gegeben werden muss: Das verspricht der neue Wirkstoff Lenacapavir. Er muss allerdings gespritzt werden. / Foto: Getty Images/Joaquin Corbalan
Lenacapavir hat gleich zwei Besonderheiten. Zum einen ist es der erste Vertreter einer neuen antiretroviralen Wirkstoffklasse, denn es hemmt das Kapsid von HIV-1. Dieses ist aus vielen Protein-Monomeren aufgebaut und schützt das Erbmaterial und essenzielle Enzyme von HI-Viren. Zum anderen ist das Dosisintervall besonders: Nach einer Initialphase mit oralem Lenacapavir muss der Wirkstoff muss nur alle sechs Monate subkutan injiziert werden. Er soll daher Teil von lang wirksamen Kombinationstherapien werden.
Beim internationalen HIV-Kongress CROI, der vergangene Woche virtuell stattfand, präsentierte Hersteller Gilead neue Daten aus den Zulassungsstudien CAPELLA und CALIBRATE. An der CAPELLA-Studie (Phase II/III) nahmen 36 Patienten mit multiresistenter HIV-Infektion teil. Sie erhielten zusätzlich zu ihrer bisherigen, nicht ausreichenden antiretroviralen Behandlung über zwei Wochen zunächst den neuen Wirkstoff oral oder Placebo. Anschließend wurden Lenacapavir oder Placebo alle sechs Monate subkutan appliziert und die Standardtherapie optimiert weitergeführt.
Bei 30 Probanden (86 Prozent) fiel die Zahl der Viruskopien unter die Nachweisgrenze von 50 Kopien pro Milliliter Blut. Gemessen wurde ein Jahr nach Studienbeginn. Zudem stiegen die CD4+-Zahlen im Schnitt auf 83 Zellen pro Mikroliter.
Vertragen wurde die zusätzliche HIV-Spritze gut. Nur ein Studienteilnehmer brach aufgrund einer Nebenwirkung ab und es traten keine schweren unerwünschten Ereignisse auf. Am häufigsten kam es zu Reaktionen an der Einstichstelle (63 Prozent), die meist mild bis moderat waren. Außerdem traten Übelkeit und Durchfall (jeweils 13 Prozent) und Covid-19 (11 Prozent) auf. Letzteres könnte auch der pandemischen Lage und dem geschwächten Immunsystem der bislang schwer behandelbaren HIV-Patienten geschuldet sein.
Gilead präsentierte beim Kongress darüber hinaus Daten der Phase-II-Studie CALIBRATE. Im Rahmen dieser Open-Label-Studie mit aktivem Kontrollarm wurde der neue Wirkstoff in Kombination mit verschiedenen etablierten oralen antiretroviralen Therapieregimes bei 182 zuvor unbehandelte HIV-Patienten getestet. Als nach 54 Behandlungswochen die Viruslast bestimmt wurde, war diese laut Gilead bei 90 Prozent der Patienten, die Tenofoviralafenamid (TAF) oral plus Lenacapavir subkutan erhalten hatten, unter der Nachweisgrenze. Unter TAF/Emtricitabin oral plus Lenacapavir ebenfalls oral sowie unter Bictegravir oral plus Lenacapavir subkutan lag die Rate jeweils bei 85 Prozent.
»Die Möglichkeit einer langwirkenden antiretroviralen Behandlungsoption, mit der eine nicht nachweisbare Viruslast erreicht und aufrechterhalten werden kann und die nur zweimal pro Jahr verabreicht werden muss, wäre ein echter Fortschritt«, betont Dr. Onyema Ogbuagu, Direktor des HIV-Studienprogramms der Yale School of Medicine, in einer Pressemitteilung von Gilead.