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Opioid-induzierte Obstipation

Neuer PAMORA verfügbar

Mit Naldemedin ist ab Mai ein neuer Wirkstoff zur Behandlung der Opioid-induzierten Obstipation auf dem Markt. Der sogenannte PAMORA darf bei Erwachsenen eingesetzt werden, die bereits früher mit einem Abführmittel behandelt wurden.
Kerstin A. Gräfe
04.06.2020  08:00 Uhr

Ohne stark wirksame Opioide wäre eine effektive Schmerzlinderung bei vielen Patienten nicht möglich. Allerdings ist diese Arzneistoffgruppe auch mit erheblichen Nebenwirkungen behaftet, wovon die meisten den Gastrointestinaltrakt betreffen. Ihr wichtigster Teilaspekt ist die Opioid-induzierte Obstipation (OIC). Dabei handelt es sich um eine besondere Form der Verstopfung, die durch die Aktivierung von µ-Opioid-Rezeptoren im Darm verursacht wird. Nicht selten führt die OIC zu einem vorzeitigen Abbruch der Behandlung.

In allen einschlägigen Leitlinien werden zur medikamentösen Therapie der OIC in erster Linie Laxanzien empfohlen, osmotische wie Macrogol oder propulsive wie Natriumpicosulfat. Diese können auch miteinander kombiniert werden. Sollte das nicht den gewünschten Erfolg erzielen, kommen zusätzlich peripher wirksame μ-Antagonisten (PAMORA) wie Naloxegol (Moventig®) und Methylnaltrexon (Relistor®) zum Einsatz. Mit Naldemedin ist nun ein weiterer Vertreter dieser Wirkstoffklasse auf dem Markt.

Wie seine beiden Mitstreiter antagonisiert Naldemedin (Rizmoic® 200 µg Filmtabletten) die Opioid-Bindung an μ-, δ- und κ-Opioid-Rezeptoren. Es wirkt als peripherer μ-Rezeptor-Antagonist in Geweben wie dem Gastrointestinaltrakt und vermindert dadurch die obstipierenden Wirkungen von Opioiden, ohne die ZNS-vermittelten Opioid-Effekte aufzuheben.

Vernachlässigbare ZNS-Penetration

Chemisch betrachtet ist Naldemedin ist ein Naltrexon-Derivat, dem eine Seitenkette hinzugefügt wurde. Dadurch werden das Molekulargewicht erhöht und die polare Oberfläche vergrößert, was zu einer vernachlässigbaren ZNS-Penetration von Naldemedin führt. Zudem ist Naldemedin ein Substrat des P-Glykoprotein (P-gp)-Effluxtransporters, was möglicherweise ebenfalls dazu beiträgt, dass die Fähigkeit von Naldemedin, ins ZNS einzudringen, herabgesetzt ist.

Die empfohlene Dosis beträgt 200 μg (eine Filmtablette) täglich. Sie kann zu jeder beliebigen Tageszeit eingenommen werden, doch wird empfohlen, die Tablette immer zur gleichen Zeit anzuwenden. Rizmoic muss abgesetzt werden, wenn die Behandlung mit dem Opioid-Analgetikum beendet wird. Parallel zur Anwendung von Naldemedin können Abführmittel eingenommen werden.

Nicht angewendet werden darf das neue Präparat bei Patienten mit bekannter oder vermuteter gastrointestinaler Obstruktion oder Perforation sowie bei solchen mit erhöhtem Risiko für eine wiederkehrende Obstruktion wegen der Gefahr einer gastrointestinalen Perforation. Vorsicht ist geboten bei Patienten mit Erkrankungen, die zu einer strukturellen Schädigung der Wand des Gastrointestinaltrakts führen könnten. Dazu zählen zum Beispiel peptische Ulkuskrankheit, maligne Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts und Morbus Crohn. Zudem müssen die Patienten bezüglich der Entwicklung von schwerem, persistierendem oder sich verschlimmerndem Abdominalschmerz überwacht werden. Bei Verdacht auf eine Obstruktion oder Perforation muss der PAMORA abgesetzt werden.

Unter Rizmoic wurde über Nebenwirkungen wie Abdominalschmerz, Erbrechen und Diarrhö berichtet. Die Patienten sollen angewiesen werden, schwere, persistierende oder schlimmer werdende abdominale Symptome ihrem Arzt zu melden.

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