Neue Wirkstoffe in der Systemtherapie |
Patienten mit atopischem Ekzem haben deutlich häufiger eine Besiedlung mit Staphylococcus aureus auf der Haut als hautgesunde Menschen. Die Kolonisierungsdichte korreliert mit der Schwere der Erkrankung. Dennoch entwickeln die meisten Patienten keine sichtbaren Infektionszeichen. Klinische Anzeichen von Hautentzündungen können in den Schüben mit Infektionszeichen überlappen, was die Diagnose erschwert.
Bei bakteriellen Superinfektionen, etwa durch Staphylococcus aureus, sind kurzfristig topische Antiseptika wie Chlorhexidingluconat sinnvoll, während topische Antibiotika wegen Resistenzgefahren vermieden werden sollten. Bei großflächigen superinfizierten Läsionen sind Antibiotika systemisch indiziert.
Eine Cochrane-Analyse fand keine ausreichenden Belege für die Wirkung von Anti-Staphylokokken-Behandlungen bei Menschen mit infiziertem oder nicht infiziertem Ekzem. Topische Glucocorticoid-Antibiotika-Kombinationen könnten im Vergleich zu topischen Glucocorticoiden allein mit geringen therapeutischen Vorteilen verbunden sein (22).
Bei viralen Infektionen wie Eczema herpeticatum ist eine systemische antivirale Therapie, zum Beispiel mit Aciclovir, notwendig.
Bei atopischer Dermatitis vom »Head and Neck«-Typ können Pilzinfektionen insbesondere mit Malassezia spp. auftreten. Eine antimykotische Therapie umfasst topische und systemische Ansätze (1, 23).
Pruritus ist ein zentrales Symptom der atopischen Dermatitis und belastet die Patienten erheblich. Glucocorticoide und Calcineurin-Inhibitoren haben einen indirekten juckreizlindernden Effekt; das gilt auch für systemische Therapien etwa mit Dupilumab und JAK-Inhibitoren.
Polidocanol in der Kombination mit Urea lindert gezielt den Juckreiz.
Höchstens zeitlich begrenzt können in Einzelfällen begleitend H1-Antihistaminika der ersten Generation eingesetzt werden. Jedoch werden sowohl topische als auch systemische Antihistaminika wegen ihrer geringen Wirksamkeit und möglichen Nebenwirkungen meist nicht empfohlen. Die Kommission für Arzneimittelsicherheit im Kindesalter (KASK) der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) verweist auf das ungünstige Nutzen-Risiko-Profil und rät von sedierenden Präparaten mit Wirkstoffen wie Doxylamin, Diphenhydramin, Dimenhydrinat oder Promethazin bei Kindern ab (24).
Ein Muss in jedem Stadium der atopischen Dermatitis: Hautpflege und Eincremen mindestens zweimal täglich. / © Getty Images/Kinga Krzeminska
SSRI, also Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, und Opioid-Antagonisten werden wegen ihres ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses nicht zur Behandlung des Pruritus bei Neurodermitis empfohlen (1, 25).
Zukünftig könnte Nemolizumab eine Option sein. Der monoklonale Antikörper hemmt gezielt den IL-31-Signalweg, der bei Juckreiz und Entzündungen eine zentrale Rolle spielt. Er zeigte in zwei Phase-III-Studien (ARCADIA 1 und 2) vielversprechende Ergebnisse bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis. Nemolizumab verbesserte in Kombination mit topischer Therapie signifikant den Hautzustand und linderte bereits ab der ersten Woche den Juckreiz. In Europa ist der Arzneistoff zur Zulassung empfohlen (26).
Bei Kindern verleitet das Jucken oft zu blutigem Kratzen. Anstelle Kratzen zu verbieten (was selten zielführend ist), können Eltern versuchen, den Juckreiz mit einem Kühlpad, einem kalten Löffel oder gekühlten Erbsenkissen zu stillen. Hautschonender als Kratzen sind Reiben, Kneifen oder Klopfen. Mit einem Buch, Spielzeug oder einer Fantasiereise können sich Kinder vom Juckreiz ablenken. Entspannungsmethoden wie progressive Muskelentspannung, Tai-Chi oder Yoga sind für ältere Kinder und Erwachsene geeignet, um Stress und damit oft auch den Juckreiz zu reduzieren (27).
Eine Raumtemperatur von 16 bis 18 Grad Celsius hilft, nächtliches Schwitzen zu verhindern, das den Pruritus verstärken kann. Milbenallergene im Staub können den Juckreiz verschlimmern. Eine staubfreie Umgebung im Schlafzimmer kann daher Erleichterung bringen. Vor dem Schlafen helfen Entspannungs- oder Atemübungen, um den Körper auf die Nachtruhe vorzubereiten (28).
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Prävalenz
Etwa 7 Prozent der Kinder und bis zu 2 Prozent der Erwachsenen in Deutschland, weltweit häufiger in industrialisierten Ländern
Ätiologie
Multifaktoriell: genetische Prädisposition, zum Beispiel Filaggrin-Mutationen, Dysfunktion der Hautbarriere, immunologische Überreaktion, Umweltfaktoren (Allergene, Schadstoffe), Stress
Pathophysiologie
Defekte der Hautbarriere führen zu erhöhter Permeabilität, Feuchtigkeitsverlust und erhöhter Exposition gegenüber Umweltallergenen; Dysregulation des Immunsystems mit TH2/TH22-Dominanz
Leitsymptome
Chronisch-rezidivierende Ekzeme, intensiver Juckreiz, trockene und empfindliche Haut, oft beginnend im frühen Kindesalter; typische Verteilung der Läsionen je nach Alter
Klinische Manifestation
Akute Schübe mit erythematösen, exsudativen Läsionen, chronische Phasen mit Lichenifikation, Hyperkeratose; oft quälender Juckreiz (Pruritus), kann Schlaf und Lebensqualität stark beeinträchtigen
Differenzialdiagnose
Psoriasis, seborrhoisches Ekzem, Kontaktdermatitis, Ichthyosen, Skabies, kutane Lymphome
Drei Therapiestufen
Basistherapie (Emollienzien zur Unterstützung der Hautbarriere); topische Therapie (Glucocorticoide, Calcineurin-Inhibitoren); systemische Therapie (Glucocorticoide, Biologika, Januskinase-Inhibitoren)
Proaktive Therapie
Langfristiger Einsatz topischer entzündungshemmender Mittel auf erkrankte Hautpartien, kombiniert mit Emollienzien zur Prävention von Rezidiven
Antimikrobielle Therapie
Bei Infektionen, zum Beispiel mit Staphylococcus aureus, aber keine Lokaltherapie aufgrund von Resistenzbildung; systemische Antibiotika nur bei großflächigen Infektionen
Prognose
Oft Rückbildung im Erwachsenenalter, bei vielen Patienten jedoch persistierende oder rezidivierende Symptome; Verschlechterung durch Stress, Klimafaktoren und Infektionen möglich
Komorbiditäten
Häufig mit anderen atopischen Erkrankungen assoziiert wie Asthma, allergische Rhinitis, Nahrungsmittelallergien; erhöhtes Risiko für psychische Störungen und Schlafstörungen