Neue Therapien bei Gendefekten |
Nachteilig bei allen Enzymersatztherapien ist die mangelnde Wirksamkeit im Zentralnervensystem, da die Blut-Hirn-Schranke für die Enzyme eine unüberwindbare Barriere darstellt. Ein neuartiger Therapieansatz sind niedermolekulare Substanzen, die eine Neubildung der im Lysosom nicht abbaubaren Makromoleküle verhindern oder zumindest reduzieren. Diese Therapie setzt also auf die Substratreduktion. Ein weiterer Vorteil gegenüber der EET ist die patientenfreundlichere orale Anwendung (33).
Als Substratreduktionstherapie (SRT) ist Eliglustat (Cerdelga®) zugelassen für die Langzeitbehandlung von erwachsenen Patienten mit Morbus Gaucher Typ 1 sowie Miglustat (Zavesca®) bei leichten bis mittelschweren Formen des Typ 1, wenn eine Enzymersatztherapie nicht möglich ist, sowie zur Behandlung progressiver neurologischer Manifestationen bei erwachsenen und pädiatrischen Patienten mit Niemann-Pick-Krankheit Typ C (Tabelle 2). Beide Arzneistoffe hemmen spezifisch das Enzym Glucocerebrosid-Synthase. Für die Behandlung von Morbus Fabry befindet sich mit Lucerastat eine weitere SRT im fortgeschrittenen Stadium der klinischen Erprobung (34–36).
Die Gabe von Miglustat beziehungsweise Eliglustat verbesserte bei unbehandelten Gaucher-Patienten die Hämoglobin- und Thrombozytenwerte und verringerte das Milz- und Lebervolumen. Bei Patienten, die von einer EET auf eine SRT umgestellt wurden, blieben die klinischen Symptome in der Regel stabil. Zudem hatte die Behandlung einen positiven Effekt auf die Knochendichte.
Vor dem Einsatz von Eliglustat muss der CYP2D6-Metabolisierungsstatus des Patienten bestimmt werden. Bei ultraschnellem Metabolismus entstehen möglicherweise keine ausreichenden Wirkspiegel. / Foto: Adobe Stock/dusanpetkovic1
In der klinischen Erprobung war Eliglustat im Hinblick auf hämatologische Parameter, Organvolumen und Knochendichte stärker wirksam auch bei schwereren Formen der Erkrankung, weshalb es für die Erstbehandlung zugelassen ist. Klinische Daten bis zu vier Jahren legen nahe, dass es bei Langzeitbehandlung den Krankheitsverlauf bei Morbus Gaucher Typ 1 stabilisiert.
Die häufigsten Nebenwirkungen unter Eliglustat in den klinischen Studien waren Kopfschmerzen, Arthralgie, Nasopharyngitis, obere Atemwegsinfektionen, Diarrhö, Schwindel und Herzklopfen. Unter Miglustat wurden Diarrhö, Blähungen, Bauchschmerzen, Gewichtsverlust und Tremor beobachtet. Die häufigste schwerwiegende Nebenwirkung war eine periphere Neuropathie (34, 35).
Wichtig bei Eliglustat: Vor Therapiestart muss der CYP2D6-Metabolisierungsstatus bestimmt werden. Der Arzneistoff wird hauptsächlich über CYP2D6 in der Leber metabolisiert. Patienten, die ultraschnelle CYP2D6-Metabolisierer sind, erreichen möglicherweise keine ausreichenden Konzentrationen für eine therapeutische Wirkung. Deshalb ist der Arzneistoff für diese Patienten nicht zugelassen. Intermediäre und schnelle CYP2D6-Metabolisierer sollten zweimal täglich eine Kapsel à 84 mg Eliglustat, langsame CYP2D6-Metabolisierer einmal täglich eine Kapsel schlucken (34).
Die Niemann-Pick-Krankheit Typ C ist eine sehr seltene, progredient und tödlich verlaufende neurodegenerative Erkrankung, bei der der intrazelluläre Lipidtransport aufgrund eines Mangels der Transportproteine NPC-1 und -2 beeinträchtigt ist (Tabelle 4). Die neurologischen Manifestationen sind eine Folge der Anreicherung von Glykosphingolipiden in Neuronen und Gliazellen. In klinischen Studien konnte die Behandlung mit Miglustat das Fortschreiten neurologischer Symptome aufhalten (35, 37).
Foto: Adobe Stock/denys_kuvaiev
Das menschliche Erbgut setzt sich aus 46 Chromosomen zusammen und liegt bei jedem Menschen in einer einzigartigen Kombination in den Zellen vor. In seltenen Fällen treten Mutationen in bestimmten Genen auf.
Als Erbkrankheiten bezeichnet man Chromosomenstörungen, die die Eltern genetisch an das Kind weitergeben. Die Eltern sind selbst nicht immer erkrankt, wenn sie neben einem veränderten Gen noch eine gesunde Kopie des betreffenden Gens haben. Von Spontanmutationen spricht man, wenn eine Mutation in den Chromosomen in einer der Keimzellen auftritt, ohne dass bei den Eltern diese Anomalie vorliegt.
Es gibt drei Arten von Erbkrankheiten: Chromosomenanomalien, monogenetische und polygenetische Erbkrankheiten.
Bei chromosomalen Anomalien ist entweder die Anzahl oder die Struktur der Chromosomen verändert. Das Risiko hierfür steigt mit zunehmendem Alter der Mutter. Nur wenige chromosomale Anomalien sind mit dem Leben vereinbar. Die Inzidenz bei Lebendgeburten liegt bei circa 0,5 Prozent. Die häufigste Chromosomenanomalie ist die Trisomie 21 mit drei Kopien des Chromosoms 21. Weitere Beispiele sind das Turner-Syndrom 45, bei dem das Y-Geschlechtschromosom fehlt, und das Klinefelter-Syndrom 47 mit einem zusätzlichen X-Chromosom. Eine veränderte Struktur liegt beim Katzenschrei-Syndrom (Cri-du-chat-Syndrom) vor, mit einer Deletion des kurzen Arms von Chromosom 5. Eine ursächliche Behandlung ist nicht möglich.
Monogenetische Erbkrankheiten werden durch eine Mutation in einem einzelnen Gen, oft auch Punktmutationen oder Deletionen auf verschiedenen Abschnitten eines Gens ausgelöst. Rezessive Erkrankungen treten auf bei Mutationen in beiden Kopien des Gens, während bei dominanten Erkrankungen die Mutation in einer Genkopie ausreicht. Die Symptome zeigen sich häufig schon in der frühen Kindheit, oft mit schweren chronischen oder sogar tödlichen Verläufen. Obwohl die meisten dieser Krankheiten außerordentlich selten sind, ist insgesamt etwa 1 Prozent der Neugeborenen betroffen. Thalassämie, Hämophilie, Phenylketonurie, Mukoviszidose sowie die lysosomalen Speicherkrankheiten wie Morbus Gaucher und Morbus Fabry machen fast die Hälfte aller weltweit vorkommenden monogenetischen Krankheiten aus. Dabei kennt man zum Beispiel bei Mukoviszidose mehr als 1000 Varianten des betroffenen Gens (3).
Krankheiten, die durch Mutationen in mehreren Genen ausgelöst werden, nennt man polygenetische Erkrankungen. Sie treten nicht zwingend auf, sondern bestimmte Umweltfaktoren tragen zur Manifestation bei. Die Inzidenz liegt bei circa 1 Prozent der Lebendgeburten. Beispiele sind Atopien (Allergien), Diabetes mellitus Typ 2, Hüftgelenksdysplasie, Herzfehler, Pylorusstenose oder die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Diese Erkrankungen können symptomatisch mit Medikamenten oder chirurgisch behandelt werden.