Neue Option für Patienten mit Morbus Pompe |
Brigitte M. Gensthaler |
27.07.2021 16:00 Uhr |
Eine Enzymersatztherapie muss regelmäßig intravenös gegeben werden, um eine annähernd normale Funktion eines defekten Enzyms zu erreichen. / Foto: Adobe Stock/New Africa
Lysosomale Speicherkrankheiten sind eine Gruppe von etwa 70 monogenetisch bedingen, seltenen Stoffwechselerkrankungen, die durch Fehlfunktionen im Lysosom, dem »Magen der Zelle«, ausgelöst werden. Ist die Aktivität einzelner lysosomaler Enzyme durch eine Mutation im kodierenden Gen deutlich herabgesetzt, werden bestimmte Makromoleküle nicht mehr oder erheblich langsamer abgebaut. In der Folge reichern sie sich an und lösen schwerste Erkrankungen aus.
Aus einem Defekt des Glykogen-abbauenden Enzyms saure α-Glucosidase (GAA) resultiert die Glykogen-Speicherkrankheit Typ II, auch Morbus Pompe genannt. Die klinische Symptomatik kann als Krankheitsspektrum beschrieben werden, das von einer schnell fortschreitenden infantilen Verlaufsform (Symptome treten normalerweise im ersten Lebensjahr auf) bis hin zu einer weniger schnell verlaufenden späteren Verlaufsform reicht. Die infantile Form führt unbehandelt meist innerhalb von zwei Jahren zum Tod.
Einzige aktive Behandlung ist bislang die Enzym-Ersatz-Therapie (EET) mit Alglucosidase alfa, einer rekombinant hergestellten GAA. Das Medikament wird alle 14 Tage intravenös appliziert (Myozyme®, Lumizyme®). Nun könnte mit Avalglucosidase alfa (Nexviadyme®, Genzyme Europe) eine weitere rekombinant hergestellte GAA zur Langzeit-EET des Morbus Pompe auf den Markt kommen. Nexviadyme wird angeboten als Pulver (100 mg) für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung und wird ebenfalls alle 14 Tage intravenös gegeben. Verglichen mit Lumizyme soll Avalglucosidase alfa besser an den Mannose-6-Phosphat-Rezeptor auf den Zelloberflächen binden und besser in die Zielzellen aufgenommen werden.
Das neue Medikament war im direkten Vergleich wirksamer und besser verträglich als Alglucosidase alfa. Dies zeigte die doppelblinde Phase-III-Studie COMET (NCT02782741) um Dr. Hani Kushlaf von der University of Cincinnati, in der 100 bisher unbehandelte Patienten mit spät einsetzendem Morbus Pompe (LOPD) über 49 Wochen eine der beiden EET bekamen. Primärer Endpunkt war der Einfluss auf die Atemmuskulatur (forcierte Vitalkapazität, FVC) in aufrechter Position. Patienten unter Avalglucosidase alfa hatten zu allen Messzeitpunkten eine bessere FVC, die in Woche 49 um 2,4 Prozent größer war als bei Patienten mit der Standardbehandlung. Das war statistisch nicht-unterlegen. Bei der Prüfung auf Überlegenheit zeigte sich eine grenzwertige Signifikanz.
Die neue EET verbesserte zudem die 6-Minuten-Gehstrecke (Maß für die Mobilität) deutlicher. Auch bei anderen sekundären Endpunkten wie Atem- und Extremitätenmuskelkraft, motorische Funktion und Lebensqualität schnitten Patienten unter Nexviadyme besser ab.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (AE) traten bei rund 86 Prozent der Patienten im Avalglucosidase-alfa-Arm (bei acht Patienten schwere AE) auf versus knapp 92 Prozent unter Alglucosidase alfa (bei zwölf Patienten schwere AE). Die häufigsten Nebenwirkungen sind Überempfindlichkeitsreaktionen einschließlich Anaphylaxie und Infusions-assoziierte Reaktionen (Juckreiz, Hautausschlag, Kopfschmerzen, Urtikaria, Müdigkeit, Übelkeit und Schüttelfrost). Die IgG-Antikörperbildung war vergleichbar in beiden Gruppen. Hohe Titer und neutralisierende Antikörper waren häufiger unter Alglucosidase alfa.