Sieben auf einen Streich |
05.07.2016 16:03 Uhr |
Von Brigitte M. Gensthaler, Kerstin A. Gräfe, Annette Mende und Sven Siebenand / Im sechsten Monat des Jahres 2016 kamen sieben neue Arzneistoffe auf den deutschen Markt. Zwei davon sind für Patienten mit Hämophilie B bestimmt, zwei zur Therapie des Multiplen Myeloms. Hinzu kommt ein Wirkstoff, der bei der lysosomalen Speicherkrankheit Morbus Fabry eingesetzt wird, einer bei pulmonaler arterieller Hypertonie und das erste onkolytische Virus, das bei Melanom zum Einsatz kommt.
Hämophilie, umgangssprachlich auch als Bluterkrankheit bezeichnet, ist eine Erbkrankheit, an der fast ausschließlich Männer leiden. Betroffenen mangelt es aufgrund eines Gendefekts an einem bestimmten Blutgerinnungsfaktor; bei Hämophilie B ist das der Faktor IX. In der Folge gerinnt das Blut nur sehr langsam und es kommt zu spontanen Blutungen in Muskeln, Gelenken und inneren Organen. Um das zu verhindern, müssen Patienten mit Hämophilie B Faktor IX substituieren. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit des Proteins brauchen sie in der Regel alle drei bis vier Tage eine Infusion.
<typohead type="1">Albutrepenonacog alfa
Das High-Throughput-Screening von Tausenden Leitstrukturen auf der Suche nach neuen Arzneistoffen hat sich diesmal gelohnt. Sieben haben es im Juni zur Marktreife geschafft.
Foto: Boehringer Ingelheim
Das neue Faktor-IX-Präparat Albutrepenonacog alfa (Idelvion® 250, 500, 1000, 2000 I.E. Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung, CSL Behring) wurde entwickelt, um das Infusionsintervall bei der Blutungsprophylaxe zu verlängern. Dieser Effekt wurde erzielt durch eine Fusion des Faktors IX mit dem natürlicherweise im Plasma vorkommenden Protein Albumin. Laut Fachinformation bleibt Idelvion im Blutkreislauf bis zur Aktivierung des Faktors IX intakt. Dann wird Albumin abgespalten und der aktivierte Faktor IX freigegeben.
Zur Langzeitprophylaxe von Blutungen bei Patienten mit schwerer Hämophilie B muss Idelvion daher nur einmal wöchentlich gegeben werden. Die übliche Dosis beträgt 35 bis 50 I.E. pro kg Körpergewicht. Bei manchen Patienten kann das Infusionsintervall mit einer Erhöhung der Dosis auf bis zu 75 I.E. pro kg Körpergewicht auf 10 bis 14 Tage ausgedehnt werden. Außer zur Prophylaxe von Blutungen ist Idelvion auch zu deren Therapie zugelassen. Das neue Medikament darf bei Patienten in allen Altersgruppen angewendet werden. Zum Einsatz bei Patienten ab 65 Jahre sowie bei zuvor unbehandelten Patienten liegen jedoch noch keine Daten vor.
Allergien und Hemmkörper
Idelvion darf bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen anderen Bestandteil nicht angewendet werden. Da das Präparat Spuren von Hamsterprotein enthält, stellt auch eine bekannte allergische Reaktion darauf eine Kontraindikation dar. In Studien waren Überempfindlichkeitsreaktionen eine seltene Nebenwirkung, fielen jedoch zum Teil heftig aus bis hin zur schweren Anaphylaxie. Um im Fall einer Allergie schnell reagieren zu können, sollte die erste Anwendung des Präparats unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
Eine weitere bekannte Nebenwirkung der Substitutionstherapie mit Blutgerinnungsfaktoren ist die Bildung sogenannter Hemmkörper. Dabei handelt es sich um gegen den Faktor gerichtete Antikörper, die dessen Wirkung stark abschwächen. Dies kann auch unter Albutrepenonacog alfa passieren, über die Häufigkeit macht die Fachinformation allerdings keine Angabe. Da es Hinweise gibt, dass das Auftreten von Hemmkörpern mit Allergien im Zusammenhang steht, sollen Patienten, die allergisch auf Idelvion reagieren, auf Hemmkörper getestet werden.
Die an sich gewünschte Erhöhung der Gerinnungsneigung kann bei bestimmten Patienten zu einem unerwünschten Anstieg des Thromboserisikos führen. Das gilt insbesondere für Patienten mit Lebererkrankungen, nach Operationen und bei Neugeborenen. Sie sind besonders intensiv zu überwachen.
Weniger Blutungen
Wirksamkeit und Sicherheit von Idelvion wurden in einer Phase-I/II- Studie mit 17 Probanden sowie im unkontrollierten Arm einer offenen Phase-II/III-Studie mit 63 Patienten getestet. Die Dosierung erfolgte entweder in 7-, 10- und/oder 14-tägigem Intervall zur Prophylaxe oder bei Bedarf. Bei wöchentlicher Gabe betrug die mediane annualisierte Blutungsrate 0,0 (Spannweite 0 bis 6), bei 14-tägiger Gabe 1,08 (Spannweite 0 bis 9,1). Kinder unter zwölf wurden in einer gesonderten Studie untersucht, und zwar in einer Phase-III-Studie mit 27 vorbehandelten Patienten im Alter zwischen 1 und 10. Sie erhielten alle eine wöchentliche Prophylaxe. Während der durchschnittlichen Studienzeit von 13,1 Monaten kam es zu 106 Blutungsereignissen, die in der Mehrzahl (94) mit einer einmaligen Injektion beziehungsweise mit höchstens zwei Injektionen von Idelvion (103) behandelt wurden.
Idelvion ist bei höchstens 25 °C und in der geschlossenen Umverpackung zu lagern. Vor der Anwendung muss das Arzneimittel gemäß der Anleitung in der Packungsbeilage mit dem beiliegenden Lösungsmittel rekonstituiert werden. Die fertige Lösung soll klar oder leicht opaleszent und gelb bis farblos sein. Ist sie trübe oder enthält Ablagerungen oder Partikel, darf sie nicht verwendet werden. Gelöstes Idelvion ist für acht Stunden bei Raumtemperatur physikalisch und chemisch stabil, sollte jedoch aus mikrobiologischer Sicht unmittelbar verbraucht werde. Die Lösung soll in einer für den Patienten angenehmen Geschwindigkeit, schnellstens bei 5 ml pro Minute, intravenös verabreicht werden. Patienten oder deren Eltern sollten bei jeder Verabreichung den Namen und die Chargennummer des Arzneimittels dokumentieren.
Zum Einsatz in Schwangerschaft und Stillzeit gibt es aufgrund der Seltenheit der Hämophilie B bei Frauen keine Erfahrungen. Idelvion soll in diesen Fällen nur bei eindeutiger Indikationsstellung angewendet werden.
>> Vorläufige Bewertung: Schrittinnovation
<typohead type="1">Daratumumab
Mit Daratumumab (Darzalex® Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Janssen-Cilag) ist eine weitere Therapieoption für Patienten mit Multiplem Myelom auf dem Markt. Der Antikörper darf als Monotherapie bei Erwachsenen angewendet werden, deren Erkrankung nach einer Behandlung mit einem Proteasom-Inhibitor und einem Immunmodulator weiter fortschreitet.
Befallen die Tumorzellen beim Multiplen Myelom die Wirbelkörper, sind starke Rückenschmerzen die Folge – ein häufigstes Symptom der Krebserkrankung.
Foto: Shutterstock/Lett
Angriffsziel von Daratumumab ist das Protein CD38, das auf der Oberfläche von Myelomzellen über alle Tumorstadien hinweg überexprimiert wird. CD38 ist an zahlreichen Prozessen wie der Zelladhäsion und Signalweiterleitung beteiligt, die für die Proliferation und das Überleben maligner Zellen wichtig sind. Hingegen wurde auf hämatopoetischen Stammzellen eine verhältnismäßig geringe bis keine Expression von CD38 festgestellt. Daratumumab bindet an CD38 und induziert durch direkte und indirekte Mechanismen den Tumorzelltod.
Infusionsbedingte Reaktionen häufig
Darzalex wird intravenös verabreicht. Die empfohlene Dosis beträgt 16 mg pro kg Körpergewicht, die in den ersten acht Wochen einmal pro Woche gegeben wird. Ab Woche 9 wird der Antikörper alle zwei Wochen und ab Woche 25 alle vier Wochen verabreicht. Die Behandlung wird so lange fortgesetzt, wie der Patient einen Nutzen davon hat. Knapp die Hälfte aller Daratumumab-behandelten Patienten (48 Prozent) berichtete über infusionsbedingte Reaktionen, die vor allem bei der ersten Infusion auftraten (95 Prozent). Sie äußern sich als verstopfte Nase, Reizungen des Hals- und Rachenraums, Larynxödem, Husten, Dyspnö, Frösteln und Übelkeit. Zur ihrer Vermeidung sollen die Patienten vorab eine Prämedikation mit Antihistaminika, Antipyretika und Corticoiden erhalten. Beim Auftreten infusionsbedingter Reaktionen jeglichen Schweregrads soll die Infusion unterbrochen und bei potenzieller Fortführung der Therapie die Infusionsgeschwindigkeit gesenkt werden.
Verfälschung von Bluttest
Kinder mit Hämophilie müssen regelmäßig den fehlenden Blutgerinnungsfaktor ersetzen. Die Einstellung auf die Therapie erfolgt in spezialisierten Zentren, später können die Injektionen zu Hause vorgenommen werden.
Foto: Fotolia/ Picture-Factory
Zu beachten ist, dass Anti-CD38-Antikörper wie Daratumumab bei bestimmten Blutuntersuchungen, zum Beispiel beim indirekten Coombs-Test, falsch positive Resultate generieren können. Hintergrund ist, dass CD38 auch schwach auf Erythrozyten exprimiert wird. Dieses Phänomen kann bis zu sechs Monaten nach der letzten Daratumumab-Infusion auftreten.
Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und bis drei Monate nach Ende der Behandlung zuverlässig verhüten. Schwangere dürfen den neuen Antikörper nicht erhalten, es sei denn, der Nutzen für die Frau überwiegt die Risiken für den Fetus. In der Stillzeit ist zu entscheiden, ob das Stillen oder die Behandlung mit Daratumumab zu unterbrechen sind. Dabei sind sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Frau zu berücksichtigen.
Die Zulassung basiert auf der offenen Phase-I/II-Studie GEN5012 und der offenen Phase-II-Studie SIRIUS. An diesen nahmen insgesamt 148 Patienten mit rezidiviertem und refraktärem Multiplem Myelom teil, die bereits mehrere Vortherapien erhalten hatten und deren Erkrankung bei der Aufnahme in die jeweilige Studie progredient war. Die Probanden erhielten Daratumumab als Monotherapie jeweils in einer Dosierung von 16 mg pro kg Körpergewicht. Die kombinierte Analyse beider Studien ergab eine Gesamtansprechrate von 31 Prozent, wobei 8,8 Prozent der Patienten sehr gut auf Daratumumab ansprachen. Vier Patienten erreichten ein komplettes Ansprechen und drei Patienten ein stringentes komplettes Ansprechen. 83 Prozent der Patienten erreichten ein Nicht-Fortschreiten der Erkrankung (Stable Disease) oder besser. Das geschätzte durchschnittliche Gesamtüberleben betrug 20,1 Monate nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 20,7 Monaten.
Neben infusionsbedingten Reaktionen traten als Nebenwirkungen Fatigue, Fieber, Husten, Übelkeit, Rückenschmerz, Infektionen der oberen Atemwege sowie Anämie, Neutropenie und Thrombozytopenie sehr häufig auf.
Daratumumab wurde von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA unter Auflagen zugelassen, das heißt, die EMA fordert weitere Nachweise für den Nutzen des Arzneimittels. Diese werden jährlich geprüft und gegebenenfalls die Fach- und Gebrauchsinformation des neuen Präparats aktualisiert.
>> vorläufige Bewertung: Sprunginnovation
<typohead type="1">Eftrenonacog alfa
Mit Eftrenonacog alfa (Alprolix® 250, 500, 1000, 2000, 3000 I.E. Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung, Biogen Idec) kam im Juni noch ein weiteres Faktor-IX-Präparat zur Behandlung von Patienten mit Hämophilie B auf den Markt. Wie bei Albutrepenonacog alfa wurde auch bei Eftrenonacog alfa die Halbwertszeit des Blutgerinnungsfaktors durch kovalente Bindung an ein Protein verlängert. Als Fusionspartner dient in diesem Fall aber nicht wie beim Konkurrenzpräparat Albumin, sondern die Fc-Domäne des humanen Immunglobulins G1.
Mit der Fc-Domäne bindet IgG1 an den membranständigen neonatalen Fc-Rezeptor, der lebenslang exprimiert wird und den Schutz von Immunglobulinen vor lysosomalem Abbau vermittelt. Somit ist auch Eftrenonacog alfa vor diesem Abbau geschützt. Hersteller Biogen Idec nutzt dieses Prinzip bereits mit seinem im Januar auf den Markt gekommenen Faktor-VIII-Präparat Efmoroctocog alfa (Elocta®).
Alprolix kann bei Hämophilie-B- Patienten in allen Altersgruppen zu Prophylaxe und Therapie von Blutungen verwendet werden, wobei zum Einsatz bei zuvor unbehandelten Patienten noch keine und bei solchen ab 65 nur begrenzte Daten vorliegen. Die zur Prophylaxe empfohlene Dosis beträgt 50 I.E. pro kg Körpergewicht einmal wöchentlich oder 100 I.E. pro kg Körpergewicht alle zehn Tage, bei Kindern unter zwölf 50 bis 60 I.E. alle sieben Tage. Die Dosis und gegebenenfalls das Dosierintervall sind im Verlauf der Therapie an den individuellen Bedarf anzupassen. Gegenanzeigen sind Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen sonstigen Bestandteil des Präparats.
Wie auf jedes Fremdeiweiß können Patienten auch auf Eftrenonacog alfa allergisch reagieren. Dies war in Studien eine seltene Nebenwirkung, die aber unter Umständen schwer verlaufen kann. Im Fall einer allergischen Reaktion muss die Therapie sofort abgebrochen und ein Arzt aufgesucht werden. Als Vorsichtsmaßnahme sollte die erste Gabe des Arzneimittels unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Später können die Patienten oder deren Eltern die Behandlung nach einer Schulung selbstständig zu Hause durchführen.
Hemmkörper und Allergien
Da es unter Alprolix zur Bildung von Hemmkörpern kommen kann, sollen Patienten nach wiederholter Gabe darauf überwacht werden. Eine allergische Reaktion kann auf die Anwesenheit von Hemmkörpern hindeuten und auch anders herum haben Patienten, die Hemmkörper entwickelt haben, ein erhöhtes Anaphylaxie-Risiko bei fortgesetzter Behandlung. Wegen der Möglichkeit einer Thromboembolie ist bei Patienten mit erhöhtem diesbezüglichem Risiko Vorsicht geboten. Dazu gehören unter anderem Menschen mit Lebererkrankungen, nach Operationen und Neugeborene.
Zulassungsrelevant waren eine als Studie I bezeichnete Phase-III-Studie mit 123 Patienten im Alter zwischen 12 und 71 Jahren sowie die pädiatrische Studie II mit 30 Unter-Zwölfjährigen. Alle Patienten waren vorbehandelt und litten an schwerer Hämophilie B, wiesen also höchstens 2 Prozent der endogenen Faktor-IX-Aktivität auf.
In Studie I erhielten die Probanden über 77 Wochen Alprolix entweder einmal wöchentlich oder in einem individualisierten Dosierintervall, beginnend mit einem Zeitraum von zehn Tagen zwischen den Injektionen, oder bei Bedarf. Die Anfangsdosen betrugen im ersten Arm 50 I.E. pro kg Körpergewicht und im zweiten das Doppelte. Die medianen annualisierten Blutungsraten betrugen 2,95 unter wöchentlicher Gabe, 1,38 bei individualisiertem Dosierintervall und 17,69 bei Bedarfstherapie. Insgesamt kam es in der Studie zu 636 Blutungsereignissen, von denen 90,4 Prozent mit einer einmaligen Injektion von Alprolix kontrolliert werden konnten und 97,3 Prozent mit zwei oder weniger Injektionen.
Blutungsepidsoden kontrollierbar
Studie II dauerte 52 Wochen, in denen die Patienten nach einem individualisierten Dosierschema behandelt wurden. Zu Beginn erhielten alle Kinder in wöchentlichem Rhythmus 50 bis 60 I.E. Eftrenonacog alfa pro kg Körpergewicht, die Anpassung erfolgte dann bis maximal 100 I.E. pro kg Körpergewicht mindestens ein- bis höchstens zweimal wöchentlich. Die annualisierte Blutungsrate betrug hier 1,97; bei 33 Prozent der Teilnehmer trat keine Blutungsepisode auf. Von den 60 in Studie II beobachteten Blutungsereignissen konnten 75 Prozent mit einer Injektion und 91,7 Prozent mit höchstens zwei Injektionen kontrolliert werden.
Weil Hämophilie B bei Frauen nur sehr selten auftritt, waren alle Teilnehmer der Zulassungsstudien männlich. Es gibt folglich keine Erfahrungen zur Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit, weshalb diese nur bei eindeutiger Indikationsstellung erfolgen soll. Alprolix ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C und im Umkarton zu lagern. Vor der Rekonstitution kann das Arzneimittel einmalig für bis zu sechs Monate bei Raumtemperatur aufbewahrt werden. Die rekonstituierte Lösung ist klar bis schwach schillernd und farblos und muss verworfen werden, wenn sie trübe ist oder Ablagerungen sichtbar sind. Sie ist bei Raumtemperatur sechs Stunden stabil, sollte aber unmittelbar verbraucht werden, um eine mikrobiologische Kontamination zu vermeiden.
>> vorläufige Bewertung: Schrittinnovation
<typohead type="1">Elotuzumab
Mit Elotuzumab (Empliciti® Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Bristol-Myers-Squibb) kam neben Daratumumab ein weiterer Antikörper zur Behandlung des Multiplen Myeloms auf den Markt. Zugelassen ist er bei Erwachsenen in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason, die mindestens eine vorangegangene Therapie erhalten haben.
Daratumumab und Elotuzumab sind die beiden ersten Antikörper zur Behandlung von Patienten mit Multiplem Myelom.
Foto: Fotolia/ Photographee.eu
Elotuzumab richtet sich spezifisch gegen das Glykoprotein SLAMF7 (Signaling Lymphocyte Activation Molecule Family Member 7). Dieses wird auf der Oberfläche von Myelomzellen und natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) gleichermaßen stark gebildet, ist jedoch im normalen Gewebe oder auf hämatopoetischen Stammzellen nicht zu finden. Elotuzumab wirkt über einen dualen Mechanismus. Zum einen bindet der Antikörper an SLAMF7 auf NK-Zellen und aktiviert diese dadurch. Zum anderen markiert Elotuzumab durch die Bindung die Myelomzellen. Diese werden dann von den NK-Zellen leichter erkannt und in der Folge über Antikörper-abhängige zellvermittelte Zytotoxizität abgetötet.
Prämedikation obligat
Empliciti wird intravenös infundiert. Die Behandlung erfolgt in 28-tägigen Zyklen, wobei der Antikörper in den ersten beiden Zyklen einmal wöchentlich an den Tagen 1, 8, 15 und 22 sowie in den darauffolgenden Zyklen einmal alle zwei Wochen an den Tagen 1 und 15 verabreicht wird. Die Dosis beträgt 10 mg pro kg Körpergewicht. Die Behandlung sollte solange fortgesetzt werden, bis die Erkrankung fortschreitet oder nicht tolerierbare Nebenwirkungen auftreten.
Vor der Infusion müssen die Patienten eine Prämedikation mit Dexamethason, H1-Antihistaminika, H2-Antihistaminika und Paracetamol erhalten, um infusionsbedingte Reaktionen zu vermeiden. Bei etwa 10 Prozent der mit Prämedikation behandelten Patienten traten dennoch Infusionsreaktionen auf. Bei solchen Patienten müssen die Vitalparameter alle 30 Minuten und bis zu zwei Stunden nach Infusionsende überwacht werden.
In der Zulassungsstudie traten im Empliciti-Arm im Vergleich zum Kontroll-Arm vermehrt Infektionen einschließlich Pneumonien auf. Zudem wurde unter dem Antikörper ein erhöhtes Risiko für tiefe Venenthrombosen beobachtet. Des Weiteren scheint Elotuzumab die Inzidenz von sekundären Primärmalignomen (SPM) zu erhöhen (6,9 versus 4,1 Prozent). Ein erhöhtes Risiko für SPM besteht bereits unter einer Monotherapie mit Lenalidomid. Hersteller Celgene informierte darüber im Jahr 2011 in einem Rote-Hand-Brief.
Frauen im gebärfähigen Alter dürfen Empliciti nicht erhalten, es sei denn, der Zustand der Patientin macht dies erforderlich. Dann muss sie zuverlässig verhüten. Falls die Partnerin im gebärfähigen Alter ist und keine zuverlässige Verhütungsmethode anwendet oder schwanger sein sollte, müssen männliche Patienten während der Behandlung und für einen Zeitraum von 180 Tagen nach der Behandlung eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Über die Anwendung von Elotuzumab während der Schwangerschaft liegen keine Daten vor. Zu beachten ist allerdings, dass der Antikörper in Kombination mit Lenalidomid angewendet wird, das während der Schwangerschaft kontraindiziert ist. Ähnlich sieht es während der Stillzeit aus. Aufgrund der Kombination mit Lenalidomid sollten Frauen auf das Stillen verzichten.
Tumorlast gesenkt
Die Zulassung beruht auf der randomisierten Phase-III-Studie ELOQUENT-2, in der Elotuzumab in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason (ELd) mit der alleinigen Gabe von Lenalidomid und Dexamethason (Ld) verglichen wurde. In der Studie wurden 646 Patienten randomisiert, die zuvor eine bis drei Therapien erhalten hatten. Sie erhielten entweder Elotuzumab 10 mg pro kg Körpergewicht in Kombination mit Ld oder Ld allein in einem 28-Tage-Zyklus. Als primäre Endpunkte waren das progressionsfreie Überleben (PFS) sowie die Gesamtansprechrate definiert.
In beiden konnte der Antikörper überzeugen: ELd reduzierte im Vergleich zu Ld das Risiko der Krankheitsprogression oder eines tödlichen Krankheitsverlaufs um 32 Prozent. Zudem zeigte ELd im Vergleich zu Ld eine relative Verbesserung der PFS-Rate um 21 Prozent nach einem Jahr sowie eine relative Verbesserung der PFS-Rate um 50 Prozent nach zwei Jahren. Darüber hinaus erzielte ELd eine signifikante Verbesserung der Gesamtansprechrate (78,5 Prozent versus 65,5 Prozent unter Ld) und konnte im Vergleich zu Ld den Zeitraum bis zur nächsten Therapie im Durchschnitt um ein Jahr verlängern (ELd: 33,35 Monate, Ld: 21 Monate).
Die häufigsten Nebenwirkungen, die bei mehr als 10 Prozent der ELd-Patienten auftraten, waren infusionsbedingte Reaktionen, Durchfall, Herpes Zoster, Nasopharyngitis, Husten, Pneumonie, Infektionen der oberen Atemwege, Lymphopenie und Gewichtsverlust.
>> vorläufige Bewertung: Sprunginnovation
<typohead type="1">Migalastat
Die lysosomale Speicherkrankheit Morbus Fabry wird durch einen Mangel an funktionsfähiger α-Galaktosidase A verursacht. Dieses Enzym baut im Körper Globotriaosylceramid ab. Je nach Ausprägung des Mangels reichert sich dieser Fettstoff in den Zellen verschiedener Organe an, etwa in den Nieren, in Herz und Gehirn, und stört damit deren Funktion. Bisher benötigen Morbus- Fabry-Patienten lebenslang Agalsidase-Infusionen. Für diese Enzymersatztherapie stehen mit Agalsidase alfa (Replagal®) und Agalsidase beta (Fabrazyme®) auf dem deutschen Markt zwei Präparate zur Verfügung. Mit Migalastat (Galafold® 123 mg Hartkapseln, Amicus Therapeutics) können Ärzte seit Anfang Juni den ersten oral verfügbaren Wirkstoff bei Morbus Fabry verordnen.
Korrigierte Proteinfaltung
Migalastat:
Wasserstoff: hellblau
Sauerstoff: rot
Stickstoff: dunkelblau
Grafiken: Wurglics
Migalastat wirkt als pharmakologisches Chaperon (englisch: Anstandsdame). Der Arzneistoff bindet an das fehlerhaft gefaltete Enzym, wodurch dessen Faltung zur richtigen Konformation verschoben wird. Anschließend kann das Enzym an seinen Bestimmungsort gelangen und dort seine Funktion ausüben. Geeignet ist der neue Wirkstoff für 35 bis 50 Prozent der Patienten mit Morbus Fabry, bei denen bestimmte Mutationen nachzuweisen sind.
Zum Einsatz kommen darf Galafold erst bei Patienten ab einem Alter von 16 Jahren. Die empfohlene Dosierung beträgt eine 123-mg-Kapsel alle zwei Tage, am besten immer zur gleichen Uhrzeit. Da Nahrungsmittel die Aufnahme von Migalastat um etwa 40 Prozent reduzieren, sollten Patienten vor der Einnahme zwei Stunden nichts essen und auch danach zwei Stunden auf eine Mahlzeit verzichten.
Bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz, definiert als geschätzte glomeruläre Filtrationsrate von weniger als 30 ml/min/1,73 m2, wird Galafold nicht empfohlen. Prinzipiell soll unter der Therapie die Nierenfunktion regelmäßig überprüft werden. Verschlechtert sich die Organfunktion deutlich, muss das Präparat unter Umständen abgesetzt werden.
Galafold wurde in zwei Pivotstudien und in einer unverblindeten Verlängerungsstudie untersucht. Alle Patienten unter Migalastat erhielten darin jeden zweiten Tag die empfohlene Dosis von 123 mg. Bei der ersten Studie handelte es sich um eine 18-monatige randomisierte unverblindete Studie, in der Wirksamkeit und Sicherheit von Migalastat im Vergleich zur Enzymersatztherapie (EET) mit Agalsidase alpha oder Agalsidase beta bei 52 Patienten beurteilt wurden, die vorher eine EET erhalten hatten und geeignete Mutationen aufwiesen. Hauptindikation für die Wirksamkeit war die Veränderung der Nierenfunktion.
Stabilisierte Nierenfunktion
In der Studie blieb die Nierenfunktion unter Migalastat bis zu 18 Monate stabil. Die mittlere annualisierte Veränderungsrate der geschätzten glomerulären Filtrationsrate betrug unter Galafold -0,40 ml/min/1,73 m2 verglichen mit -1,03 ml/min/1,73 m2 in der EET-Gruppe. Auch die Herzfunktion, gemessen anhand des linksventrikulären Massenindex (LVMI), verbesserte sich im Vergleich zur EET unter der Migalastat-Gabe. Bei einer Analyse des Gesamtbilds der klinischen Ergebnisse in Bezug auf Niere, Herz, zerebrovaskuläre Ereignisse und Tod betrug die Häufigkeit der in der Galafold-Behandlungsgruppe beobachteten Ereignisse 29 Prozent und in den EET-Gruppen 44 Prozent.
Bei der zweiten Studie handelte es sich um eine sechsmonatige randomisierte Doppelblindstudie mit einem anschließenden unverblindeten Zeitraum bei 50 Patienten mit geeigneten Mutationen, die zuvor entweder keine EET erhalten oder diese mindestens sechs Monate vorher beendet hatten. Hier zeigte sich, dass die Nierenfunktion in der unverblindeten Studienphase unter Migalastat stabil blieb. Nach einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von drei Jahren betrug die mittlere annualisierte Veränderungsrate der geschätzten glomerulären Filtrationsrate -0,81 ml/min/1,73 m2. Während des anfänglichen sechsmonatigen verblindeten, placebokontrollierten Zeitraums wurden keine klinisch signifikanten Unterschiede beobachtet.
Die häufigste Nebenwirkung unter Migalastat waren Kopfschmerzen. Diese traten bei etwa 10 Prozent aller Patienten auf. Schwangere und Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, sollten das Präparat nicht einnehmen. In der Stillzeit gilt es abzuwägen, ob das Stillen oder die Gabe von Migalastat unterbrochen werden sollen. Dabei muss der Arzt den Nutzen des Stillens für das Kind und den Nutzen der Therapie für die Mutter gegeneinander abwägen.
>> vorläufige Bewertung: Schrittinnovation
<typohead type="1">Selexipag
Die pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) ist eine lebensbedrohliche Erkrankung. Neben einer Vasokonstriktion bilden sich im Verlauf der Erkrankung Veränderungen der Gefäßstruktur im Sinne eines Remodelling aus. Beide Faktoren begünstigen den Anstieg des pulmonalen Gefäßwiderstands. Die erhöhte Druckbelastung des rechten Ventrikels führt langfristig zu einer Rechtsherzinsuffizienz. Derzeit gibt es mit dem Endothelin-, dem NO- und dem Prostacyclin-Signalweg drei wichtige Angriffspunkte für PAH-Medikamente. Ab Mitte Juni ist mit Selexipag (Uptravi® 200, 400, 600, 800, 1000, 1200, 1400 und 1600 μg Filmtabletten, Actelion) die erste orale Substanz, die auf den Prostacyclin-Signalweg abzielt, auf dem deutschen Markt verfügbar.
Selektiver Prostacyclin-Agonist
Eine spezielle Ultraschall-Herzuntersuchung, die transthorakale Echokardiografie, kann wesentlich zur Diagnose Lungenhochdruck beitragen.
Foto: Fotolia/Aloexander Raths
Im Vergleich zu Gesunden produzieren PAH-Patienten weniger gefäßerweiterndes Prostacyclin. Das Gleichgewicht zwischen gefäßerweiternden und gefäßverengenden Substanzen wie Endothelin ist damit zugunsten Letzterer gestört. Der IP-Rezeptor ist der Zielrezeptor von Prostacyclin. Bindet es daran, kommt es letztlich zu Vasodilatation und Antiproliferationseffekten. Bislang stehen zur IP-Rezeptor-Stimulation Epoprestenol sowie die Prostacyclin-Analoga Treprostinil und Iloprost zur Verfügung. Allen gemeinsam ist, dass sie nicht nur den IP-Rezeptor stimulieren, sondern auch andere Prostanoid-Rezeptoren mit zum Teil entgegengesetzten Wirkungen. Hinzu kommt die unkomfortable Anwendungsform mit intravenöser beziehungsweise subkutaner Gabe oder zeitaufwendiger häufiger Inhalation.
Selexipag und sein etwa 37-fach wirksamerer aktiver Metabolit hingegen wirken als selektive IP-Rezeptor-Agonisten. Nicht aktiviert werden zum Beispiel die Prostanoid-Rezeptoren EP1, EP3, FP und TP, die mit kontraktiler Wirkung im Gastrointestinaltrakt und in den Blutgefäßen vorkommen. Gleiches gilt für die Rezeptoren EP2, EP4 und DP1, die immunsuppressive Wirkungen vermitteln. Die selektive Stimulation des IP-Rezeptors durch Selexipag und seinen Metaboliten führt zur Vasodilatation sowie zur Hemmung von Zellproliferation und Fibrose. Von Vorteil ist zudem, dass Patienten das neue Präparat oral einnehmen können. Zugelassen ist Selexipag für die PAH-Langzeitbehandlung bei erwachsenen Patienten der WHO-Funktionsklassen II bis III entweder als Kombinationstherapie, wenn die Erkrankung mit einem Endothelin-Rezeptor-Antagonisten und/oder einem PDE-5-Hemmer unzureichend kontrolliert ist, oder als Monotherapie, wenn diese Therapien nicht infrage kommen.
Verträglichkeit bedingt Dosis
Selexipag
Für jeden Patienten sollte bis zur höchsten individuell verträglichen Dosis hochtitriert werden. Diese kann zwischen 200 und 1600 μg zweimal täglich liegen. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt zweimal täglich 200 μg. Diese wird üblicherweise wöchentlich in Schritten von 200 μg zweimal täglich gesteigert. Um die Verträglichkeit zu verbessern, können Apotheker dazu raten, die Tabletten zu den Mahlzeiten einzunehmen. Die Verträglichkeit der Behandlung kann möglicherweise auch dadurch verbessert werden, dass die erste Tablette nach einer Dosiserhöhung am Abend und nicht am Morgen eingenommen wird. Wenn der Arzt entscheidet, die Behandlung mit Selexipag abzusetzen, muss dies schrittweise erfolgen.
Wasserstoff: hellblau
Sauerstoff: rot
Stickstoff: dunkelblau Schwefel: gelb
Bei Patienten mit mittelschwerer Beeinträchtigung der Leberfunktion sollte die Anfangsdosis 200 μg einmal täglich betragen. Patienten mit schwerer Beeinträchtigung der Organfunktion sollten den neuen Arzneistoff gar nicht erhalten. Kontraindiziert ist Selexipag unter anderem bei Patienten, die in den vorangehenden sechs Monaten einen Myokardinfarkt hatten oder bei denen eine schwere koronare Herzkrankheit oder eine instabile Angina Pectoris vorliegen. Zudem ist Uptravi tabu bei Patienten mit zerebrovaskulären Ereignissen wie Schlaganfall in den vorangehenden drei Monaten, mit schweren Arrhythmien oder mit Defekten der Herzklappen.
In der Fachinformation finden sich weitere Warnhinweise: So wird darauf hingewiesen, dass das Präparat zur Blutdrucksenkung führen kann. Vor der Verordnung sollte der Arzt prüfen, ob sich bei Patienten mit bestimmten Grunderkrankungen die Therapie mit Selexipag nachteilig auswirken könnte. Zudem wurde unter Therapie mit dem neuen Medikament eine Hyperthyreose beobachtet. Schilddrüsentests werden bei Anzeichen und Symptomen einer solchen daher empfohlen. In Sachen Wechselwirkungen ist zu bedenken, dass bei gleichzeitiger Anwendung von Induktoren oder Inhibitoren der Enzyme CYP2D8, UGT1A3 und UGT2B7 Vorsicht geboten ist.
Ärzte sollten stillenden Frauen Selexipag nicht verordnen. Ebenso gibt es dafür keine Empfehlung bei Schwangeren. Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Einnahme von Uptravi eine wirksame Methode zur Empfängnisverhütung anwenden.
Risikosenkung um 40 Prozent
Wirksamkeit und Sicherheit von Selexipag wurden in der zulassungsrelevanten Griphon-Studie bei 1156 PAH-Patienten untersucht. Diese erhielten zweimal täglich entweder Selexipag oder Placebo. 80 Prozent der Studienteilnehmer waren zuvor bereits mit einer PAH-spezifischen Therapie behandelt worden, die sie auch während der Studie weiter einnahmen. Diese Therapie bestand aus einem Endothelin-Rezeptor-Antagonisten oder einem PDE-5-Inhibitor oder einer Kombination beider Prinzipien. Der primäre zusammengesetzte Endpunkt Morbidität/Mortalität war definiert als die Zeit bis zum Auftreten des ersten Mortalitäts-/Morbiditätsereignisses bis zum Ende der doppelblinden Behandlungsphase. Die individuelle Erhaltungsdosis für Selexipag wurde durch Titration bestimmt. Die Startdosis lag bei 200 μg zweimal täglich und wurde wöchentlich in 200-μg-Schritten gesteigert, bis sie aufgrund unerwünschter Wirkungen nicht mehr toleriert wurde. Die jeweils nächstniedrigere, tolerable Dosis wurde dann als Erhaltungsdosis festgelegt. Die höchstmögliche Dosierung betrug 1600 μg. Die Studie zeigte, dass Selexipag das Morbiditäts-/Mortalitäts-Risiko im Vergleich zu Placebo um 40 Prozent reduzierte. Dabei zeigte der Wirkstoff eine konsistente Effektivität über alle Subgruppen hinweg inklusive der Patienten, die bereits zu Beginn der Studie mit zwei PAH-spezifischen Medikamenten therapiert wurden.
Die häufigsten Nebenwirkungen von Selexipag waren in Studien – wie von anderen Medikamenten, die im Prostacyclin-Signalweg wirken, bekannt – Kopfschmerzen, Diarrhö, Übelkeit und Erbrechen sowie Kieferschmerzen, Myalgie, Extremitätenschmerz, Arthralgie und Flush. Diese traten häufiger in der Hochtitrierungsphase auf. Meist waren sie leichten bis mittleren Schweregrads.
>> Vorläufige Bewertung: Schrittinnovation
<typohead type="1">Talimogen laherparepvec
Für Patienten mit fortgeschrittenem malignem Melanom gibt es inzwischen eine Reihe innovativer Medikamente. Ganz neu ist eine onkolytische Immuntherapie mit einem modifizierten Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1). Die Injektionslösung enthält Talimogen laherparepvec 106 oder 108 Plaque- bildende Einheiten pro ml (Imlygic®, Amgen). Sie ist indiziert zur Behandlung von Erwachsenen mit nicht resezierbarem, lokal oder entfernt metastasiertem Melanom, das nicht in Knochen, Gehirn, Lunge oder andere innere Organe vorgedrungen ist.
Onkolytisches Virus
Talimogen laherparepvec (T-Vec) ist ein abgeschwächtes HSV-1, das durch die funktionelle Deletion der zwei Gene ICP34.5 und ICP47 und Insertion der kodierenden Sequenz für den humanen Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktor (hGM-CSF) charakterisiert ist. Die Lösung mit dem lebenden Virus muss tiefgefroren gelagert und transportiert werden und wird vor der Anwendung bei Raumtemperatur aufgetaut.
Das Virus wurde so modifiziert, dass es Melanomzellen infizieren und sich darin vermehren kann. Dazu nutzt es deren eigene Mechanismen, überschwemmt die Zellen und tötet sie ab. Dabei werden Tumorantigene freigesetzt. Außerdem veranlasst T-Vec die infizierten Melanomzellen, das Protein GM-CSF zu produzieren. Dieses wiederum stimuliert das patienteneigene Immunsystem, Melanomzellen zu erkennen und zu zerstören.
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Wissenschaftler nehmen an, dass T-Vec letztlich eine systemische Immunantwort gegen den Tumor und eine Effektor-T-Zell-Antwort fördert. Es handelt sich also um eine Gentherapie mit einem onkolytischen Virus. Imglygic kann zwar auch in gesunde Zellen eindringen, sich aber darin nicht vermehren.
Der Arzt spritzt die Lösung direkt in die Melanome, die sichtbar, tastbar oder im Ultraschall nachweisbar sein müssen (intraläsionale Injektion). Ausgehend von einer Einstichstelle injiziert er das Medikament fächerförmig in das Melanom, um eine gleichmäßige Verteilung der Viren zu erreichen.
Das applizierte Volumen hängt von der Größe des Melanoms ab; das Gesamtinjektionsvolumen darf maximal 4 ml betragen. Bei der ersten Behandlung wird die niedriger konzentrierte Lösung, nach drei Wochen und danach alle 14 Tage die höhere Dosierung verwendet. Die Behandlung wird mindestens sechs Monate lang fortgeführt.
In der offenen Phase-III-Studie OPTiM wurde Imlygic bei 436 Patienten mit fortgeschrittenem inoperablem Melanom verglichen mit der subkutanen Injektion von GM-CSF. Um verzögerte, immunvermittelte Antitumor-Effekte zu ermöglichen, wurden Patienten für mindestens sechs Monate (oder bis keine injizierbaren Melanome mehr vorhanden waren) behandelt, auch wenn die Läsionen zunächst wuchsen oder neue auftraten.
Erfolg in Phase III
Der primäre Endpunkt war die dauerhafte Ansprechrate (DRR), das heißt der Anteil an Patienten mit komplettem oder partiellem Ansprechen, das mindestens sechs Monate anhielt. Sekundäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben (overall survival, OS), die Gesamtansprechrate (overall response rate, ORR), die Zeit bis zum Ansprechen, die Dauer des Ansprechens und die Zeit bis zum Therapieversagen.
Unter Imlygic erreichten 16,3 Prozent der Patienten ein dauerhaftes Ansprechen im Vergleich zu 2,1 Prozent unter GM-CSF. Auch die ORR war höher (26,4 versus 5,7 Prozent) und das mediane OS länger (23,3 versus 18,9 Monate). Bis zum Ansprechen auf Imlygic dauerte es rund vier Monate, bis zum Therapieversagen rund acht Monate. Eine Subgruppen-Analyse zeigte, dass die onkolytische Immuntherapie bei Patienten ohne Befall der Lunge oder anderer innerer Organe deutlich besser wirkte als bei schwerer erkrankten Patienten.
Häufige Nebenwirkungen
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen (UAW), die mehr als ein Viertel der Patienten betrafen, waren Fatigue, Schüttelfrost, Fieber, Übelkeit, grippeähnliche Erkrankungen und Schmerzen an der Injektionsstelle. Die allermeisten UAW waren mild oder mäßig schwer. Die häufigste schwerere UAW war eine Zellulitis, eine Infektion der oberen Hautschichten.
Da das Medikament ein Herpes-Virus enthält, kann es später erneut aktiv werden und zum Beispiel Lippenherpes auslösen. Bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem, zum Beispiel mit HIV-Infektion oder unter immunsuppressiver Therapie, kann es zur Herpes-Ausbreitung kommen. Bei schwer immungeschwächten Patienten ist T-Vec kontraindiziert.
Vorsichtshalber sollten die Patienten bei sexuellen Kontakten ein Latexkondom benutzen, um eine potenzielle Übertragung von Imlygic zu vermeiden. Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Therapie zuverlässig verhüten. Alle Patienten bekommen einen Patientenausweis und müssen über die Risiken informiert werden.
>> Vorläufige Bewertung: Sprunginnovation
Nicht die glorreichen Sieben
Es ist eine Seltenheit, dass innerhalb eines Monats sieben neue Arzneistoffe auf den Markt kommen. Zu behaupten, dass es sich dabei um die glorreichen Sieben handelt, wäre übertrieben. Insgesamt ist die Ausbeute aber durchaus beachtlich. Mit den Wirkstoffen Albutrepenonacog alfa und Eftrenonacog alfa kamen gleich zwei Schrittinnovationen für Hämophilie-B-Patienten in den Handel. Durch Bindung des Gerinnungsfaktors IX an Albumin beziehungsweise an Immunglobulin G1 ist es gelungen, die Wirkdauer deutlich zu verlängern, sodass die Patienten für die Prophylaxe von Blutungen seltener Infusionen benötigen. Das bedeutet einen Gewinn an Lebensqualität.
Ebenfalls zwei neue Therapieoptionen kamen für den Einsatz beim Multiplen Myelom auf den Markt. Dabei handelt es sich um die ersten beiden Antikörper für Patienten mit dieser Krebserkrankung. Insbesondere Rezidive sind beim Multiplen Myelom eine große Herausforderung. Mit seinem neuen Wirkprinzip stellt der CD38-Antikörper Daratumumab eine wichtige neue Therapieoption für mehrfach vorbehandelte Patienten dar. Eine kombinierte Analyse der beiden zulassungsrelevanten Studien ergab eine Gesamtansprechrate von immerhin noch 31 Prozent bei diesem schwer erkrankten Patientenkollektiv. Positiv ist auch, dass die Daratumumab-Monotherapie relativ gut verträglich war. Aus diesen Gründen ist der Antikörper bei den Sprunginnovationen einzuordnen.
Elotuzumab heißt der zweite Antikörper für die Behandlung des Multiplen Myeloms. Auch dieser zählt zu den Sprunginnovationen. Das ergibt sich zum einen aus dem Wirkmechanismus, zum anderen aus den Studienergebnissen. Spezifisch gegen SLAMF7 gerichtet, ist Elotuzumab der bislang einzige zugelassene immunaktivierende Antikörper zur Behandlung des Multiplen Myeloms. In klinischen Studien zeigte er in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason einen signifikanten Vorteil für das progressionsfreie Überleben im Vergleich zu Lenalidomid und Dexamethason allein.
Der IP-Rezeptor ist ein wichtiger Zielrezeptor in der Therapie des Lungenhochdrucks. Sowohl Epoprostenol als auch die Prostacyclin-Analoga wirken darüber. Sie haben jedoch den Nachteil, dass sie nicht nur den IP-Rezeptor stimulieren, sondern auch andere Prostanoid-Rezeptoren mit zum Teil entgegengesetzten Wirkungen. Hinzu kommt die unkomfortable Anwendungsform mit intravenöser beziehungsweise subkutaner Gabe oder zeitaufwendiger häufiger Inhalation. Das neue Pharmakon Selexipag wirkt dagegen als selektiver IP-Rezeptor-Agonist. Zudem ist es oral verfügbar. Dieser Fortschritt in der Indikation Lungenhochdruck rechtfertigt die Einstufung als Schrittinnovation.
Im Fall von Migalastat kann man die Klassifizierung als Schrittinnovation damit begründen, dass ein Teil der Patienten mit Morbus Fabry von lebenslangen Infusionen nun auf Kapseln zum Einnehmen umstellen kann. Das dürfte deren Lebensqualität deutlich steigern. Zudem konnte sich Migalastat im direkten Vergleich mit Agalsidase-Infusionen behaupten. Hinsichtlich der Stabilisierung der Nierenfunktion war der neue Wirkstoff genauso wirksam wie die Enzymersatztherapie. Auch die Herzfunktion verbesserte sich unter Migalastat.
Als siebte Neueinführung kam mit Talimogen laherparepvec ein neues Gentherapeutikum auf den Markt. Es handelt sich dabei um die erste onkolytische Immuntherapie, die bei Patienten mit metastasiertem Melanom einen therapeutischen Nutzen gezeigt hat. Nicht nur der Wirkmechanismus erlaubt die vorläufige Bewertung als Sprunginnovation. Auch die Forschungsdaten tun dies. In einer Studie erhielten die Patienten entweder Talimogen laherparepvec intraläsional oder subkutan den Granulozyten- Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktor (GM-CSF). In der ersten Gruppe sprachen gut 16 Prozent der Patienten auf die Behandlung an. Ihre Hautkrebs-Läsionen verschwanden für mindestens sechs Monate ganz oder teilweise. Unter GM-CSF war das nur bei 2 Prozent der Patienten der Fall.
Sven Siebenand,
stellvertretender Chefredakteur