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Lieferkettengesetz

Neue Pflichten könnten Engpässe verschärfen

Das Lieferkettengesetz, das seit Jahresbeginn in Kraft ist, betrifft auch Arzneimittelhersteller. Was bedeutet das Gesetz konkret für die Pharmaindustrie und was geschieht bei Verstößen? Die PZ hat dazu bei den Pharmaverbänden nachgefragt. Teilweise besteht die Sorge, dass die neuen Vorschriften die Engpass-Krise verstärken könnten.
Anne Orth
30.01.2023  13:00 Uhr

Mit dem »Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten«, kurz Lieferkettengesetz, will die Bundesregierung den Schutz der Menschenrechte und den Umweltschutz in den globalen Lieferketten verbessern. Wie die PZ berichtete, gilt das Gesetz seit 1. Januar dieses Jahres zunächst für Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten, ab 2024 für Betriebe mit mindestens 1.000 Beschäftigten. Es verpflichtet Unternehmen zur Umsetzung festgelegter Sorgfaltspflichten, die sich auf die gesamte Lieferkette erstrecken – vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt. Diese Pflichten gelten für die Betriebe selbst sowie für direkte und indirekte Zulieferer und sind nach dem Grad der Einflussmöglichkeit abgestuft.

Die Unternehmen müssen bei direkten Zulieferern sowie anlassbezogen auch bei indirekten Zulieferern Risiken für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung ermitteln, Gegenmaßnahmen ergreifen und diese gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) dokumentieren. Bei Versäumnissen und Verstößen kann das Bundesamt Bußgelder verhängen oder Unternehmen von der öffentlichen Beschaffung ausschließen. Der Bundesrat hatte dem Gesetz bereits am 25. Juni 2021 zugestimmt.

Auch für Mittelständler ist das Gesetz relevant

Nach Auskunft des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) betrifft das neue Gesetz nicht nur große Pharmakonzerne, sondern – mittelbar – auch mittelständische und kleinere Unternehmen. »Auch sie müssen sich entsprechend aufstellen«, sagt Andrea Schmitz, Justiziarin und Leiterin der Rechtsabteilung des BAH. Zwar nehme das Gesetz zunächst Konzerne mit 3.000 sowie ab 2024 mit 1.000 Beschäftigten in die Pflicht. Aber beispielsweise Drogerieketten oder andere Handelspartner wälzten die Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte und des Umweltschutzes auf alle Hersteller ab, unabhängig von ihrer Größe.

Generell sei das Thema sehr komplex, informiert Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft beim BAH. Es gebe zwar bereits Zertifizierungen wie die Pharmaceutical Supply Chain Initiative (PSCI), bei denen auch Arbeits- und Umweltaspekte eine Rolle spielten. Die neuen Sorgfaltspflichten einzuhalten, sei für die Hersteller dennoch sehr aufwendig und arbeitsintensiv. Die Lieferketten seien häufig lang und stark verzweigt. Zwar seien den Unternehmen die pharmazeutischen Lieferketten bekannt. Doch beispielsweise nachzuverfolgen, woher das Papier für die Beipackzettel komme und unter welchen Bedingungen Kräuter für eine Kräutermischung gesammelt wurden, sei schwierig. »Ob es in allen Bereichen möglich sein wird, die Arbeits- und Umweltbedingungen bei sämtlichen Lieferanten vollständig nachzuverfolgen, weiß ich nicht. In manchen Bereichen werden Unternehmen da an ihre Grenzen kommen«, befürchtet Kroth.

Der BAH-Geschäftsführer weist auch darauf hin, dass noch in diesem oder im nächsten Jahr ein europäisches Lieferkettengesetz verabschiedet werden soll. Das geplante EU-Gesetz könnte noch strenger werden als das deutsche. »Dadurch wird alles noch komplexer«, erwartet Kroth.

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