Neue Option bei metastasiertem Brustkrebs |
Brigitte M. Gensthaler |
12.06.2020 14:00 Uhr |
Für Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs steht jetzt eine neue Therapieoption zur Verfügung – aber die Krebszellen müssen bestimmte Mutationen aufweisen. Dies erfordert eine genetische Testung vor der Therapieentscheidung. / Foto: Shutterstock/OtnaYdur
Etwa 70.000 Frauen erkranken jedes Jahr in Deutschland an Brustkrebs. Bei 10 Prozent ist der Krebs schon bei der Erstdiagnose metastasiert, bei etwa 30 Prozent treten später Metastasen auf. »Das bedeutet eine lebenslange Therapie«, informierte Dr. Johannes Ettl vom Interdisziplinären Brustzentrum und Frauenklinik rechts der Isar, München, bei einer Online-Pressekonferenz von Pfizer. Derzeit gebe es zahlreiche Therapieoptionen bei metastasiertem Brustkrebs (mBC); eine dieser Substanzklassen sind PARP-Inhibitoren wie Olaparib (Lynparza®) und das jetzt neu eingeführte Talazoparib (Talzenna® Hartkapseln).
Das Kürzel PARP steht für humane Poly-ADP-Ribose-Polymerasen; diese Enzyme sorgen für die Reparatur von DNA-Einzelstrangbrüchen. Da ein alternativer DNA-Reparaturweg in Krebszellen mit mutierten BRCA-Genen nicht mehr richtig funktioniert, kann beschädigte DNA nicht mehr korrigiert werden, wenn PARP blockiert sind. In der Folge sterben die Tumorzellen ab. Daher ist vor der Anwendung eines PARP-Inhibitors ein Test zur Bestimmung von Keimbahnmutationen im BRCA-Gen (germline BRCA-mutated: gBRCAm) in Patientenzellen erforderlich.
Laut Ettl haben etwa 7 Prozent der Frauen mit mBC diese Mutationen, bei Frauen mit sogenanntem triple-negativen Tumor sogar 12 bis 15 Prozent. Für sie kommen PARP-Inhibitoren infrage. Laut Zulassung wird Talazoparib als Monotherapie (1 mg täglich peroral) eingesetzt, wobei die Frauen vorbehandelt sein sollten.
In der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie EMBRACA, die 2018 im »New England Journal of Medicine« veröffentlicht wurde, bekamen 431 Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs und BRCA-Keimbahnmutation randomisiert im Verhältnis 2:1 entweder 1 mg Talazoparib/Tag oder eine Standardchemotherapie mit Capecitabin, Eribulin, Gemcitabin oder Vinorelbin. Das mediane progressionsfreie Überleben (primärer Endpunkt) war signifikant länger in der Talazoparib-Gruppe als unter der Standardtherapie (8,6 Monate versus 5,6 Monate). Auch die objektive Ansprechrate (ORR) war höher (62,6 versus 27,2 Prozent); 5,5 Prozent der Frauen erreichten sogar eine Komplettremission unter Talazoparib. Die Dauer des Ansprechens lag bei 5,4 und 3,1 Monaten.
»Die Therapie war in allen Subgruppen effektiv«, berichtete der Arzt. »Ebenso war in allen Subgruppen die ORR unter der Tabletten-Monotherapie besser als bei Chemotherapie.« Dies gelte auch in der Zweit- und Drittliniensituation.
Hämatologische Nebenwirkungen von Grad 3/4, vor allem Anämie und Thrombozytopenie, waren jedoch deutlich häufiger (55 Prozent unter Talazoparib versus 38 Prozent unter Standardtherapie). Nicht-hämatologische Nebenwirkungen Grad 3/4 erlitten 32 sowie 38 Prozent der Patientinnen. Allerdings war die Lebensqualität unter der oralen Therapie deutlich höher und die Frauen favorisierten diese.
Dies entspricht den Erfahrungen, die Professor Dr. Georg Pfeiler, Wien, in der Pressekonferenz schilderte. »Frauen mit BRCA-Mutation erkranken meist früh an Brustkrebs; sie sind 30 bis 50 Jahre alt und oft berufstätig. Viele haben noch kleine Kinder.« Für sie seien hohe Effektivität und Lebensqualität unter der Therapie besonders wichtig. Zudem wirke Talazoparib sehr gut bei Hirnmetastasen. Der Onkologe empfahl, den PARP-Inhibitor in der fortgeschrittenen metastasierten Situation früh einzusetzen. »Viele Patientinnen sind heilfroh, wenn sie nicht wieder eine Chemotherapie brauchen.«