Neue beunruhigende Variante aus England |
Christina Hohmann-Jeddi |
11.02.2021 18:00 Uhr |
In Einzelfällen hat die B.1.1.7-Variante des Coronavirus in Großbritannien auch eine für die südafrikanische Variante typische Immun-Escape-Mutation erworben. / Foto: Adobe Stock/studio v-zwoelf
Die britische Gesundheitsbehörde PHE hat in ihrem aktuellen Bericht eine neue besorgniserregende Variante (»Variant of Concern«, VOC) benannt: VOC202102/02 heißt der Stamm, der dem bislang bekannten B.1.1.7 entspricht, aber eine zusätzliche Mutation (E484K) im Spike-Gen besitzt. Erstmals wurde diese neue Kombination in Großbritannienim vergangenen Dezember entdeckt.
Insgesamt 21 Mal wurde die neue Variante dem Bericht zufolge bereits in Großbritannien identifiziert, hauptsächlich bei einem Ausbruch in Südwest-England. Die Mutation E484K betrifft die Rezeptorbindestelle des Spike-Proteins. Sie kommt auch in den in Brasilien und Südafrika verbreiteten Varianten P.1 und B.1.351 vor. Bislang gebe es keine Belege, dass die Mutation allein zu schweren Verläufen oder einer höheren Übertragbarkeit führt, aber In-Vitro-Untersuchungen zeigten, dass Viren mit dieser Veränderung schlechter durch Antikörper neutralisiert werden können, heißt es in dem Bericht.
Die Behörde werde Maßnahmen ergreifen, um die Verbreitung der neuen VOC in der Bevölkerung zu vermindern, man gehe aber davon aus, dass die Impfstoffe weiterhin vor schweren Verläufen und Todesfällen durch Covid-19 schützen, erklärt Dr. Susan Hopkins vom PHE.
Dennoch dürfte die Impfwirkung durch die Mutation in geringem Umfang reduziert sein. Das zeigt zumindest eine aktuelle Studie, die Forschende um Dr. Takuya Tada und Professor Dr. Nathaniel Landau vom Langone Vaccine Center der New York Universityauf dem Preprint-Server »BioRxiv« veröffentlichten. In ihr untersuchte das Team die Effektivität der Immunantwort nach durchgemachter Coronavirus-Infektion oder nach Impfung mit der mRNA-Vakzine Tozinameran (Comirnaty®) von Biontech/Pfizer gegenüber verschiedenen Virusvarianten.
Hierfür verwendeten die Forscher zum einen das Blutplasma von genesenen Covid-19-Patienten und setzten es gegen verschiedene Pseudoviren ein: Die Seren konnten zwar auch noch B.1.1.7- und B.1.351-Pseudoviren neutralisieren, die die E484K-Mutation hatten. Doch waren dazu um bis zu 70 Prozent mehr Antikörper nötig (die mittlere inhibitorische Konzentration war erhöht). Dabei war der Effekt der E484K-Einzelmutation auf die Hemmkonzentration genauso groß, wie die aller anderen Mutationen von B.1.351 zusammen. Die Reduktion ging somit auf die E484K-Mutation zurück, folgern die Autoren. Dabei zeigten sich aber auch deutliche interindividuelle Unterschiede – knapp die Hälfte der untersuchten Seren zeigten quasi keine Reduktion der Schutzwirkung.
Die Seren von Geimpften enthielten in etwa siebenfach höhere neutralisierende Antikörpertiter als die der Genesenen, heißt es in der Publikation. Gegen die B.1.1.7-Variante waren die Seren von Geimpften noch in etwa so effektiv wie gegen die unmutierte Variante, aber gegen die südafrikanische Variante B.1.351 war die Schutzwirkung um den Faktor 3 reduziert. Sie lag aber immer noch höher als bei Personen, die eine natürliche Infektion durchgemacht hatten, schreibt das Team.
Die Ergebnisse zeigten, dass Genesene und mit Tozinameran Geimpfte vermutlich einen Schutz gegen B.1.1.7 und gegen die meisten anderen Varianten besitzen, schreiben die Forscher. Aber eine partielle Resistenz der Viren mit der E484K-Mutation könnte Einzelne anfällig für Reinfektionen beziehungsweise Erstinfektionen nach Impfung machen. Es wäre daher sinnvoll, modifizierte Covid-19-Impfstoffe zu entwickeln, die diese Mutation abdecken.
Auch der Virologe Dr. Julian Tang von der Universität Leicester sagte gegenüber dem britischen »Science Media Center«: Wenn sich die neue Variant of Concern mit der E484K-Mutation gegen die ursprüngliche B.1.1.7-Variante in Großbritannien durchsetze, könnten die jüngsten Bestätigungen aus Studien, die zeigen, dass die mRNA-Vakzinen immer noch eine optimale Schutzwirkung gegen die britische Variante bietet, bald nicht mehr zutreffen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.