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Arzneimittelstrategie für Europa

Neue Ansätze zur Preisbildung bei Medikamenten

Erschwingliche Arzneimittelpreise und ein besserer Zugang zu neuen Medikamenten: Im Zuge der geplanten EU-Gesundheitsunion hat die EU-Kommission nun ihre Pharmastrategie vorgelegt. Sie soll lang bekannte Schwächen in der Arzneimittelversorgung angehen, ist aber auch eine Reaktion auf die in der Coronavirus-Pandemie deutlich gewordenen Defizite beim Umgang Europas mit grenzüberschreitenden Gesundheitsbedrohungen.
Ev Tebroke
25.11.2020  17:04 Uhr

Die Pandemie hat viele Schwachstellen in der Arzneimittelversorgung umso mehr verdeutlicht. So verschärften sich die seit Jahren existierenden Lieferengpässe bei wichtigen Wirkstoffen und führten erneut die frappante Abhängigkeit Europas von China und Indien vor Augen. Auch zeigte sich, dass Europa kein einheitliches Aktionsschema hat, um einer Pandemie mit konzertierten Maßnahmen begegnen und die gesundheitliche Bedrohung für die EU-Bürger minimieren zu können. Hier hatte die EU-Kommission zuletzt bereits am 11. November Pläne vorgelegt, die das Reaktionsvermögen der Union künftig stärken sollen. Unter anderem soll etwa die Europäischen Arzneimittelagentur EMA mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden. Auch soll die europäische Pharmagesetzgebung überarbeitet und erneuert werden.

Die heute vorgelegte Pharma-Strategie ist nun ein umfassender Rundumschlag, der die EU insgesamt im Pharmabereich autarker, flexibler und wettbewerblich stärker machen soll, sowohl im globalen als auch im innereuropäischen Kontext. Ein Aspekt ist dabei der Zugang zu neuen Arzneimitteltherapien und eine neue Preispolitik, um auch in Zukunft neue Medikamente erschwinglich und für jeden Bürger verfügbar zu halten. Nach Kommissionsangaben ist das aktuelle Preissystem, das den Hersteller über Patente belohnt, indem sie ihm Marktexklusivität garantieren und gleichzeitig den Marktzugang von Generika behindern, nicht mehr zeitgemäß. Das System hätte sich von der Entwicklung von »Blockbustern« hin zur Entwicklung von »Nischen-Bustern« entwickelt.

Die Entwicklung innovativer Medikamente wird für die Pharmabranche immer teurer, gleichzeitig ächzen die nationalen Gesundheitssysteme unter den steigenden Kosten. Schon jetzt verursachen die Budgets für Arzneimittel 20 bis 30 Prozent der Krankenhausausgaben, Tendenz steigend, heißt es in dem Kommissionspapier. Zudem stellten für mehr als 50 Prozent der europäischen Haushalte die Ausgaben für Arzneimittel eine finanzielle teilweise sogar starke finanzielle Belastung dar. Um künftig erschwingliche und kostenwirksame Arzneimittel zu gewährleisten, sollen nationale Behörden bei der Preisgestaltungs-, Zahlungs- und Beschaffungspolitik zusammenarbeiten, so der Plan der Kommission.

Um gegebenenfalls einzelne Wirkstoffproduktionen zurück nach Europa zu holen, will die Kommission die Lieferketten und Versorgungswege genauer unter die Lupe nehmen und sich dazu mit Herstellern und Überwachungsbehörden austauschen. In einem »Strategischen Dialog« sollen Schwachstellen in der Arzneimittelversorgung zunächst herausgearbeitet werden, um im Anschluss konkrete Lösungen finden zu können. Zudem hat die Kommission eine Studie in Auftrag gegeben , deren Ergebnisse sie noch in 2021 erwartet.

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