Mühsames Leben nach einer Sepsis |
Das Post-Intensiv-Care-Syndrom (PICS) stellt quasi ein Schwester-Syndrom zum PSS dar. Die Liste der möglichen Symptome ist nahezu identisch, wenn dem PSS ebenfalls eine Intensivtherapie vorausgeht. Das ist nicht immer der Fall, denn eine »moderate« Sepsis wird manchmal auch auf einer Normalstation behandelt.
Auslöser beider Syndrome können beispielsweise eine Analogsedierung (durch Medikation induzierter Dämmerschlaf) und eine invasive Beatmung sein, die eine lange Intensivliegedauer bedeuten. Die Patienten liegen oft wochenlang immobilisiert im Bett und erleiden unter anderem einen beträchtlichen Muskelschwund mit deutlichem Gewichtsverlust. Nach dem Aufwachen sind sie komplett bewegungsunfähig und können alleine nicht mehr atmen. Schon die Entwöhnung von der Beatmung (Weaning) benötigt viel Zeit und Willenskraft. Die Patienten müssen jede Bewegung neu erlernen und geschädigte Organe müssen ihre Funktion langsam wieder aufbauen. Nicht selten sind Gewebe durch die Sauerstoff-Unterversorgung während der Krise so stark geschädigt, dass sie absterben und operativ entfernt werden müssen. Das bedeutet die Amputation von Gliedmaßen oder die Abtragung ganzer Hautareale.
Long Covid ist ein Extrembeispiel für eine meist viral bedingte Sepsis mit direkter Betroffenheit des Lungenparenchyms. Es handelt sich um eine spezifische überschießende Immunreaktion, die eine monatelange Atemunterstützung bis hin zu einer extrakorporalen maschinellen Lungenersatztherapie – nicht selten mit Transplantation – nach sich zieht. Die für Long Covid charakteristischen Riech- und Geschmackseinbußen werden für das PSS nicht berichtet. Das Risiko einer erneuten Klinikaufnahme ist für alle drei Syndrome hoch.
Je früher eine Sepsis erkannt und behandelt wird, umso günstiger ist in der Regel der Verlauf. Allerdings ist der Symptomkomplex häufig unspezifisch aufgrund eher uneindeutiger und somit unsicherer Indizien.
Erste Hinweise können Fieber, Schüttelfrost, Tachykardie und Hypotonie sowie Atemprobleme und Verwirrtheit mit sprichwörtlichen »Blackouts« liefern. Selten treten die Symptome einzeln oder in einer regelmäßigen Abfolge auf, sondern eher in wechselnder Kombination. Ärzte wenden deshalb bei nicht intensivpflichtigen Patienten zur Verdachtsabklärung als orientierenden Score den Quick SOFA an (qSOFA: Sequential Organ Failure Assessment). Sie leiten eine Intensivbehandlung ein, sobald mindestens zwei der folgenden Frühzeichen bestehen und außerdem eine Infektion gesichert ist:
Die Diagnosesicherung beginnt mit der Suche nach dem Infektionsherd – meist mittels Computertomografie, Ultraschall oder Laparoskopie. Simultan werden mikrobiologische Kulturen aus dem Blut und/oder aus Abstrichen vom vermeintlichen Infektionsort angesetzt. Ferner werden Vitalparameter wie Temperatur und Herzfrequenz sowie diverse Entzündungsmarker engmaschig gemessen (4).