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Post-Sepsis-Syndrom

Mühsames Leben nach einer Sepsis

Jede schwere Infektion kann in eine Sepsis münden. Doch eine überwundene Septikämie bedeutet meistens nicht das Ende der Probleme. Es können gesundheitliche Einschränkungen folgen, die nur mit viel Energie und Geduld teilweise erst nach Jahren wieder weichen.
AutorKontaktEgid Strehl
Datum 25.06.2023  08:00 Uhr

Eine Sepsis – umgangssprachlich auch Blutvergiftung genannt – ist die weltweit führende infektionsbedingte Todesursache; Auslöser ist grundsätzlich immer eine Infektion. Dadurch wird das Immunsystem akut aktiviert, in der Regel sogar überstimuliert. Während eine zu schwache Immunabwehr die Ausbreitung der Infektion begünstigt, mündet eine übersteigerte Immunabwehr sogar noch schneller in ein lebensbedrohliches Multiorganversagen aufgrund der Minderversorgung vor allem von Lunge, Niere, Leber und diversen Geweben. Hypotension, mangelnde Sauerstoffversorgung und gravierende Gerinnungsstörungen führen schließlich zum Vollbild des septischen Schocks.

Bei der jüngsten aus Deutschland vorliegenden Erhebung, die auf entsprechenden DRG (Diagnosis related Groups)-Codierungen basiert, wurden in Kliniken in einem Jahr insgesamt 240.470 Fälle von Sepsis, schwerer Septikämie oder septischem Schock erfasst. Während die gemischte Sterblichkeit aller Krankenhauspatienten mit diesen drei Diagnosen rund 25 Prozent (etwa 60.000) betrug, lag sie bei schwerer Sepsis allein bei 43 Prozent. Einschließlich Schocksymptomatik ergaben sich 61 Prozent Todesfälle (entsprechend etwa 36.600). Mit »Septischer Schock« wurden 27.151 der Fälle codiert, der zu fast 60 Prozent akut tödlich verlief (1). Zwölf Monate später war die Todesrate nochmals um 10 Prozent angestiegen. Der Großteil der Überlebenden (schätzungsweise mehr als 70 Prozent) erleidet ein oft schweres Post-Sepsis-Syndrom. Exakt erfasste, da präzise definierte Zahlen werden erst in Zukunft verfügbar sein.

Während die Sepsis also die schwerste und immer lebensbedrohliche Zuspitzung einer Infektionserkrankung beschreibt, fasst man die typischen Folgen als Post-Sepsis-Syndrom (PSS) zusammen. Die aktuelle S3-Leitlinie »Sepsis – Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge« (AWMF-Reg. Nr.079-001, Stand2020, in Überarbeitung) bietet eingehende Informationen zu diesem sehr komplexen Krankheitsbild.

Patienten, die eine Sepsis (teilweise mit Schock assoziiert) überleben, können oft erst nach mehreren Wochen nach Hause entlassen werden. Am Universitätsklinikum Jena, das neben der Berliner Charité die mittel- und langfristigen Sepsisfolgen intensiv erforscht, zeigte eine Nachbeobachtung, dass sechs Monate nach der Entlassung die Sterblichkeit dort auf knapp 60 Prozent angestiegen war. Zwei Jahre danach waren sogar 75 Prozent der Patienten gestorben.

Bis zu drei Viertel der geretteten Sepsispatienten klagen noch jahrelang über ernste, vorwiegend neu auftretende gesundheitliche Beeinträchtigungen mit folgenschweren Einschränkungen. Die bedeutendsten davon sind in Tabelle 1 aufgelistet. Alle zusammen werden unter dem Begriff PSS subsummiert. Nicht selten ist das PSS mit einem posttraumatischen Belastungssyndrom (PTBS) vergesellschaftet. Jedes einzeln und beide zusammen können den Patienten mitunter mehrere Jahre zu schaffen machen (2).

Art mögliche Symptome
Körperlich eingeschränkte Mobilität- und Muskelkraft
Gleichgewichtsstörungen und Schwindel
muskuloskelettale Schmerzen und Polyneuropathie
Schluck- und Sprechstörungen
Kurzatmigkeit, Müdigkeit und Antriebslosigkeit
erhöhte Gebrechlichkeit (Frailty)
verminderter Appetit
Schlafstörungen
erhöhte Infektanfälligkeit
Haarverlust und Hautveränderungen
psychisch und emotional Konzentrationsstörungen und Gedächtnisverlust
verzögertes Reaktionsvermögen, verminderte kognitive Leistungen
Halluzinationen, Flashbacks
Alpträume, Panikattacken
Stimmungsschwankungen, Depression
posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)
Tabelle 1: Im Kontext eines PSS beschriebene Symptome

Abgrenzung zu PICS und Long Covid

Das Post-Intensiv-Care-Syndrom (PICS) stellt quasi ein Schwester-Syndrom zum PSS dar. Die Liste der möglichen Symptome ist nahezu identisch, wenn dem PSS ebenfalls eine Intensivtherapie vorausgeht. Das ist nicht immer der Fall, denn eine »moderate« Sepsis wird manchmal auch auf einer Normalstation behandelt.

Auslöser beider Syndrome können beispielsweise eine Analogsedierung (durch Medikation induzierter Dämmerschlaf) und eine invasive Beatmung sein, die eine lange Intensivliegedauer bedeuten. Die Patienten liegen oft wochenlang immobilisiert im Bett und erleiden unter anderem einen beträchtlichen Muskelschwund mit deutlichem Gewichtsverlust. Nach dem Aufwachen sind sie komplett bewegungsunfähig und können alleine nicht mehr atmen. Schon die Entwöhnung von der Beatmung (Weaning) benötigt viel Zeit und Willenskraft. Die Patienten müssen jede Bewegung neu erlernen und geschädigte Organe müssen ihre Funktion langsam wieder aufbauen. Nicht selten sind Gewebe durch die Sauerstoff-Unterversorgung während der Krise so stark geschädigt, dass sie absterben und operativ entfernt werden müssen. Das bedeutet die Amputation von Gliedmaßen oder die Abtragung ganzer Hautareale.

Long Covid ist ein Extrembeispiel für eine meist viral bedingte Sepsis mit direkter Betroffenheit des Lungenparenchyms. Es handelt sich um eine spezifische überschießende Immunreaktion, die eine monatelange Atemunterstützung bis hin zu einer extrakorporalen maschinellen Lungenersatztherapie – nicht selten mit Transplantation – nach sich zieht. Die für Long Covid charakteristischen Riech- und Geschmackseinbußen werden für das PSS nicht berichtet. Das Risiko einer erneuten Klinikaufnahme ist für alle drei Syndrome hoch.

Frühe Hinweise auf eine Sepsis erkennen

Je früher eine Sepsis erkannt und behandelt wird, umso günstiger ist in der Regel der Verlauf. Allerdings ist der Symptomkomplex häufig unspezifisch aufgrund eher uneindeutiger und somit unsicherer Indizien.

Erste Hinweise können Fieber, Schüttelfrost, Tachykardie und Hypotonie sowie Atemprobleme und Verwirrtheit mit sprichwörtlichen »Blackouts« liefern. Selten treten die Symptome einzeln oder in einer regelmäßigen Abfolge auf, sondern eher in wechselnder Kombination. Ärzte wenden deshalb bei nicht intensivpflichtigen Patienten zur Verdachtsabklärung als orientierenden Score den Quick SOFA an (qSOFA: Sequential Organ Failure Assessment). Sie leiten eine Intensivbehandlung ein, sobald mindestens zwei der folgenden Frühzeichen bestehen und außerdem eine Infektion gesichert ist:

  • niedriger systolischer Blutdruck ≤ 100 mmHg,
  • Atemfrequenz von mehr als 22 pro Minute,
  • neu auftretende, ungewohnte Bewusstseinsveränderung.

Die Diagnosesicherung beginnt mit der Suche nach dem Infektionsherd – meist mittels Computertomografie, Ultraschall oder Laparoskopie. Simultan werden mikrobiologische Kulturen aus dem Blut und/oder aus Abstrichen vom vermeintlichen Infektionsort angesetzt. Ferner werden Vitalparameter wie Temperatur und Herzfrequenz sowie diverse Entzündungsmarker engmaschig gemessen (4).

Pharmakotherapie der Sepsis

Der zeitgerechte Einsatz der jeweils bestgeeigneten Arzneimittel ist für die Überwindung einer Sepsis überlebensentscheidend. Dies spiegelt sich auch in der einhelligen Einschätzung der Intensivärzte wider, wenn sie respektvoll sagen: »Wer die Sepsis beherrscht, beherrscht die Intensivmedizin!«

Nicht weniger als elf Pharmakaklassen gilt es dabei situationskonform »kunstvoll zu komponieren«. Hierzu zählen in vorderer Reihe Antiinfektiva, hauptsächlich antibakterielle (vor allem Betalactam-Derivate) und antimykotische Wirkstoffe, zum Beispiel Azole und Echinocandine, meist in Spektrum-erweiternder Kombination, Immunglobuline und vasoaktive Pharmaka, die vor allem die Hämodynamik und Mikrozirkulation zu stabilisieren haben, beispielsweise Vasopressoren (Noradrenalin, Vasopressin), aber auch different wirkende Pharmaka wie Dopamin, Dobutamin oder Betablocker. Zur Aufrechterhaltung der Zirkulation und damit der Organperfusion dienen außerdem Antikoagulanzien (Heparine und andere) und Blutprodukte (Erythro- und Thrombozyten, Frischplasma) sowie die Substitution von isolierten Gerinnungs- und weiteren vitalen Faktoren und Hormonen wie Insulin. Eng damit assoziiert sind Flüssigkeits-, Energie- und Säure-Basen-Management mit Elektrolyt-Infusionen und parenteraler Ernährung.

Immunologischen Entgleisungen wird unter anderem mit hoch dosierten Corticosteroiden begegnet, Stressschädigung von Organen mit Ulkusprophylaktika (beispielsweise Protonenpumpenhemmern oder Histamin-H2-Antagonisten) sowie mit individuell angepassten Analgetika (Metamizol, NSAR, Coxibe) und Sedativa bis hin zu Narkotika, zum Beispiel Benzodiazepinen und Propofol.

Die akute wie auch kontinuierliche Zufuhr sämtlicher Medikamente erfolgt parenteral über automatische Injektoren, Perfusoren und elektronisch gesteuerte Infusionspumpen, die ihrerseits über hochsensible Monitore überwacht und feinjustiert werden.

Während des Aufenthalts auf der Intensivstation oder der anschließenden Pflege auf einer Normalstation können Sepsispatienten – wie alle anderen Schwerkranken auch – ein Delir entwickeln. Dieses kann sich durch extreme Schläfrigkeit, aber in völligem Kontrast dazu auch durch starke Unruhe äußern. Ursache dafür ist, dass das Gehirn wegen der Schwere der Erkrankung für einige Tage nicht angemessen arbeitet. Unbehandelt kann ein Delir auch länger anhalten. Eine zeitnah nach der Hospitalisierung diagnostizierte Demenz wird oft mit dem Delir in Verbindung gebracht.

Risikofaktoren und Prophylaxe

Hauptrisikofaktor für ein PSS ist naturgemäß eine erhöhte Anfälligkeit für schwere Infektionen aufgrund einer reduzierten Immunkompetenz, zum Beispiel infolge von Tumoren oder Organtransplantation. Weitere prädisponierende Faktoren sind schwere Organschäden beziehungsweise -versagen wie ein zeitnah aufgetretenes akutes Versagen des Herzens, der Nieren oder der Lunge (3). Prinzipiell können die meisten Infektionen zu einer Sepsis führen. Doch gibt es eine Reihe von gesundheitlichen Problemen und Cofaktoren, die das Sepsisrisiko signifikant erhöhen (Tabelle 2). Dazu zählen:

  • geschwächtes Immunsystem,
  • chronische Erkrankungen,
  • Patienten, die Erregern zusätzliche Eintrittspforten bieten.
Begünstigende Komorbidität Beispiele
Geschwächtes Immunsystem Neugeborene und Kleinkinder im ersten Lebensjahr
ältere Menschen jenseits von 60 Jahren
Menschen nach Organtransplantation
Menschen ohne (funktionierende) Milz
Aids-Patienten
Menschen unter immunsuppressiver Medikation, zum Beispiel antirheumatisch wirksame Biologika wie Etanercept, Infliximab und andere
Alkohol- und Drogenabhängige
Chronische Krankheiten Krebs
Atemwegserkrankungen, besonders bei Gabe von systemisch wirksamen Corticosteroiden
Nieren und Leberschäden
Diabetes mellitus
Eintrittspforten für Erreger schwere innere und äußere Verletzungen
großflächige Verbrennungen
offene postoperative Wunden
liegende Katheter, Stomata oder Drainagen
Tabelle 2: Menschen mit einem hohen Sepsisrisiko

Hieraus geht hervor, dass die beste Prophylaxe im Vermeiden von Infektionen besteht. Aufseiten der Hygiene sind grundsätzlich akribisches Händewaschen und gründliches Reinigen und Desinfizieren von Wunden unerlässlich. Genauso unverzichtbar – besonders für die Risikogruppen und für Personen über 60Jahren– sind Impfungen, an vorderster Stelle gegen die saisonale Grippe, Covid-19 und Pneumokokken. Eine gesunde Lebensführung, das Vermeiden von immunsupprimierendem Dauerstress und ein zurückhaltender Genussmittelkonsum ergänzen und forcieren die infektionspräventiven Maßnahmen.

Mehrere Studien belegten ein erhöhtes Risiko für eine lebensgefährliche Septikämie bei Patienten mit kardiovaskulären, onkologischen und immunologischen Erkrankungen sowie bei organtransplantierten und asplenischen Menschen. Bei Letzteren – rund 1 Promille der Bevölkerung – verlaufen Infektionen, namentlich der Lunge und Hirnhäute, besonders lebensbedrohlich. Impfungen gegen Pneumo- und Meningokokken sowie gegen Haemophilus influenzae sind deshalb streng indiziert.

Herz-Kreislauf-Patienten weisen ebenfalls eine erhöhte Rehospitalisierungsrate und Übersterblichkeit auf. Als Ursachen werden die ventrikuläre Dysfunktion, vermehrte Entzündungsherde, generalisierte Gerinnungsstörungen und arteriosklerotische Läsionen diskutiert. Unter diesen Voraussetzungen können beträchtliche Gangräne entstehen, sodass schließlich Amputationen von Fingern, Zehen oder ganzer Gliedmaßen drohen (4).

Initiale Anzeichen, Spät- und Dauerfolgen

Zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik haben die meisten Patienten nach einer Sepsis typischerweise folgende Einschränkungen:

  • teils generalisierte Schmerzen,
  • Sensibilitätseinbußen und Muskelschwäche in unterschiedlichen Körperregionen,
  • Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwächen sowie Erinnerungslücken,
  • deutliche Anzeichen einer PTBS wie Schlafstörungen, Albträume oder Apathie, die eine psychotherapeutische Mitbehandlung erfordern können.

Bei den somatischen PSS-Beschwerden, die als unvermeidbare Folgen der modernen Intensivtherapie zu betrachten sind, stehen Nerven- und Muskelschäden im Vordergrund (Tabelle 1). Die Patienten berichten von ausgeprägten Lähmungen, Koordinationsproblemen ihrer Gliedmaßen und Schluckbeschwerden. Diese Einschränkungen bilden sich bei einem leichteren Verlauf der Sepsis in der Regel über Monate ganz zurück (5). Nach einer kritischen Sepsis können sie meist nur noch teilweise geheilt werden. Die Nervenschäden betreffen im weiteren Verlauf hauptsächlich Gefühlsstörungen und ein gesteigertes Schmerzempfinden.

Psychische Manifestationen eines chronifizierten PSS, die sowohl den Patienten als auch seine Angehörigen belasten und auch erst nach Jahren auffallen können, ähneln sehr den Symptomen einer PTBS. Zu Schlafstörungen mit Alpträumen, Stimmungstiefs, Erschöpfungszuständen und Ängsten kann auch eine zuvor nicht vorhandene und irritierende erhöhte Reizbarkeit bis Feindseligkeit treten. Manche Patienten entwickeln das Gegenteil, nämlich eine beängstigende Gleichgültigkeit bis Teilnahmslosigkeit, die nicht minder belastend ist. Für die bestmögliche Bewältigung einer PTBS haben sich inzwischen Selbsthilfegruppen gebildet (www.nakos.de).

Psychologische und psychotherapeutische Maßnahmen sind zu erwägen, wenn die geistige Aufnahmefähigkeit vermindert oder die mentale Flexibilität sichtlich reduziert ist. Dasselbe gilt bei depressiver Verstimmung, Angst und Panikattacken. Die Beschwerden können sich nach Art eines Teufelskreises gegenseitig aufschaukeln (1).

Auch nach erfolgreicher Elimination der eigentlichen Sepsiserreger besteht die Immundysfunktion fort. Sie begünstigt ein persistierendes Entzündungsgeschehen durch Immunsuppression und eine ausgeprägte Katabolie (6). Diese Immundefizienz normalisiert sich erst im Lauf des ersten Halbjahrs nach Klinikentlassung. Auch ein Jahr nach einem septischen Schock werden noch erhöhte Interleukin-6- und -7-Werte gefunden. Auch auf zellulärer Ebene zeigen sich relevante Defizite, etwa bei den CD4+-T-Helferzellen und den Monozyten. Dennoch fehlt bislang der klare Nachweis einer eindeutigen Korrelation mit der beobachteten erhöhten Infektanfälligkeit.

Komorbiditäten begünstigen Komplikationen

Eine Metaanalyse an 27 Einzelstudien zeigte ein signifikant erhöhtes Risiko (HR, Hazard Ratio: 1,49 bis 1,76) für Myokardinfarkt, Schlaganfall sowie eine schwere Herzinsuffizienz von hospitalisierten Patienten nach einer Septikämie gegenüber solchen ohne Sepsis. In einer retrospektiven Studie wurde eine überstandene Sepsis ferner als unabhängiger Einflussfaktor (HR = 1,13) für eine erhöhte Rate von postklinischem Herzstillstand (binnen des ersten Jahres nach der Entlassung) identifiziert (7).

Krebspatienten müssen sich oftmals chirurgischen Eingriffen unterziehen und haben deshalb ein erhöhtes Risiko, in der Folge eine Sepsis zu entwickeln. Zudem steigern auch eine begleitende Chemo- und/oder Bestrahlungstherapie das Risiko. Über eine mediane Nachverfolgungszeit von knapp drei Jahren zeigte sich eine deutliche Differenz im Gesamtüberleben zwischen Tumorpatienten mit Sepsis zu solchen mit weitgehend komplikationsfreiem Verlauf. Ein Jahr nach dem Klinikaufenthalt waren bereits 13,5 Prozent der Sepsispatienten verstorben, gegenüber 3,8 Prozent in der Vergleichsgruppe. Es gibt aber noch keine wissenschaftliche Begründung für diesen evidenten Unterschied.

Patienten mit Immundefiziten (Asplenie, Organtransplantation, therapeutische Immunsuppression) sind verstärkt Sekundär- beziehungsweise opportunistischen Infektionen ausgesetzt. Diese verursachen einen beträchtlichen Behandlungsaufwand und eine verlängerte Liegedauer – beides erhebliche Sepsis-Risikofaktoren. Chronische Entzündung und Immundysfunktion wirken hier fatal zusammen, auch in Richtung einer Schädigung beispielsweise der Nieren.

Für alle diese Patienten gelten die bereits geforderten Präventionsmaßnahmen. Das Apothekenteam sollte sie dringlich dazu anhalten, ihre Standard- und Dauermedikation gewissenhaft zu befolgen, um eine Sepsis und ein PSS nicht »negativ synergistisch« zu begünstigen.

Langwierige Behandlung

Die verschiedenen Verfahren einer Anschlussheilbehandlung (AHB) sollen dazu beitragen, die PSS-Beschwerden nach einer Sepsis zu lindern. Die Maßnahmen reichen von ambulanter Physio- und Ergotherapie bis hin zu fachneurologischer und/oder -psychologischer Betreuung in spezialisierten Rehaeinrichtungen. Grundsätzlich sollte die Behandlung auf die vorherrschenden Beschwerden fokussieren. Im Vordergrund stehen meist Nerven- und Muskelprobleme, Schmerzen sowie kognitive Beeinträchtigungen und psychische Störungen (Tabelle 1).

Zurzeit gibt es in Deutschland noch keine Rehakliniken, die sich ausschließlich Post-Sepsis-Patienten widmen. Insofern befindet sich die Forschung noch in einem recht frühen Stadium.

Stets sollte berücksichtigt werden, dass die Patienten oft mittelfristig auf fremde Hilfe oder Pflege angewiesen sind. Auch wenn es schwerfällt, sollten sie geduldig mit sich selbst sein, was die Dauer der Rekonvaleszenz betrifft. Denn eine schleppende, schwankende und auch diskontinuierliche Regeneration, sogar mit Phasen einer Verschlimmerung einzelner Symptome, ist nach einer durchlittenen Sepsis durchaus normal.

Pharmakotherapie des PSS

Die ausgeprägte Dysregulation der Immunreaktion im Sepsiszustand äußert sich unter anderem in einer defizitären Antigenpräsentation durch die Monozyten, im Abfall der zirkulierenden Lymphozyten sowie einer nachteiligen Vermehrung regulatorischer T-Zellen (8). In der Folge treten vermehrt Sekundärinfektionen auf, die den Behandlungsaufwand und konsekutiv die Liegedauer drastisch erhöhen.

Eine ambulante Reinfektionsprophylaxe mit Antibiotika, spezifischen Immunglobulinen und Immunstimulanzien kann deshalb ebenso angezeigt sein wie das Schließen von Impflücken (ausdrückliche Empfehlung der STIKO). So wird in einer randomisierten Interventionsstudie der Frage nachgegangen, inwieweit Patienten nach überstandener Sepsis von einer Pneumokokkenimpfung profitieren können. Diese sollte die Regeneration ihres Immunsystems beschleunigen.

Viele Patienten mit PSS benötigen eine umfangreiche orale Medikation, unter anderem Analgetika zur Schmerzlinderung, Hypnotika gegen Schlafstörungen (überbrückungsweise und möglichst kurz dauernd) und Psychopharmaka, vor allem Antidepressiva und Anxiolytika. Freiverkäufliche »Stärkungsmittel« im weitesten Sinn wie Ginseng, Taigawurzel oder Rosenwurz, die üblicherweise auch gegen das Erschöpfungssyndrom Fatigue versuchsweise eingesetzt werden, können möglicherweise auch die Folgeerscheinungen des PSS kupieren (bisher nicht evidenzbasiert!). Der Glucose- und der Elektrolytstatus sind besonders während der ersten Post-Sepsis-Phase engmaschig zu kontrollieren. Gegebenenfalls muss eine antidiabetische Therapie begonnen werden.

Übergewichtige sollten ihr Gewicht sowie ihren Blutdruck normalisieren, da sonst die mit einem PSS verbundenen Herz-Kreislauf-Risiken zunehmen (9). Statine und andere HDL-Spiegel korrigierende Pharmaka, beispielsweise der Cholesterol-Resorptionshemmer Ezetimib, können nachweislich kardiovaskuläre Ereignisse bei dieser Patientengruppe verringern (10).

Zusätzlich den medikamentösen Interventionen sollten PSS-Patienten zu Entspannungsübungen, geregeltem Schlaf, ausreichender Bewegung und ausgewogener Ernährung angehalten werden. Dies zeigt beste Ergebnisse vor allem bei den sehr häufigen Konzentrations- und Denkleistungsstörungen (Brain Fog).

Lebenszeit und -qualität massiv beeinträchtigt

Eine Sepsis reduziert die Lebenszeit massiv. Für Sepsis-Überlebende existieren in Deutschland die meisten Daten für den Zeitraum von einem Jahr nach Klinikentlassung. Die Überlebensrate an diesem Zeitpunkt beträgt lediglich 36 Prozent, ungeachtet dessen, ob die Sepsis auf einer Intensiv- oder Normalstation behandelt worden war. War der Patient intensivpflichtig, beeinflusst dies schon alleine – also zusätzlich zu Faktoren wie Alter, Grund- und Begleiterkrankungen – das Langzeitüberleben negativ.

Auch die Lebensqualität ist deutlich reduziert (11). Gemäß einer Longitudinalstudie benötigte ein Drittel der Patienten, die sich vor der Sepsis selbstständig versorgen konnten, noch nach sechs Monaten fremde Unterstützung im Alltag oder befand sich in einer Nachsorge- oder Pflegeeinrichtung. Ebenfalls ein Drittel wird binnen zwölf Monaten ein weiteres Mal pflegebedürftig (11). Außerdem müssen 26 Prozent innerhalb eines Monats sowie 48 Prozent binnen sechs Monaten wegen ernster Komplikationen wieder in eine Klinik eingewiesen werden (12).

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